EZB zu allem und allzeit bereit Draghi zeigt die Zins-Waffen
18.06.2013, 16:07 Uhr
Muss EZB-Präsident Mario Draghi wieder eine Kerze für die Finanzmärkte ins Fenster stellen?
(Foto: picture alliance / dpa)
Kurz bevor die Fed ihre geldpolitischen Weichen stellt, versucht EZB-Chef Draghi erneut alle Zweifel zu zertreuen: Die Notenbanker sind zum Handeln bereit und werden den Euro um jeden Preis verteidigen. Notfalls schreckt die EZB dabei auch nicht vor ungewöhnlichen Schritten zurück - wie negativen Zinsen.
Im Kampf gegen die längste Rezession in der Geschichte der Euro-Zone fährt die EZB scharfes Geschütz auf. EZB-Chef Mario Draghi signalisierte in Jerusalem, dass die Zentralbank auch vor einem Strafzins für Banken, die überschüssiges Geld bei der Zentralbank parken, nicht zurückschrecken würde. Die EZB könnte mit diesem gewagten Manöver versuchen, bei der Zentralbank gebundenes Geld zur Linderung der Kreditklemme im Süden der Währungsunion loszueisen.
Die EZB habe noch zahlreiche Pfeile im Köcher, betonte Draghi: "Es gibt eine Reihe anderer Maßnahmen - seien es solche der konventionellen Leitzinspolitik oder auch unkonventionelle - die wir anwenden können und auch anwenden werden, falls die Umstände es erfordern." Er habe zwar auf ungewollte Konsequenzen solcher umstrittenen Mittel verwiesen: "Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht eingesetzt werden sollten."
Die EZB hat den Leitzins im Mai auf das historisch niedrige Niveau von 0,5 Prozent gesenkt. Nach der jüngsten Ratssitzung im Juni ließ Draghi weitere Optionen offen. An den Finanzmärkten wurden die Worte des EZB-Chefs damals so interpretiert, dass es allenfalls in ein paar Monaten und nur bei einer Verschlechterung der Wirtschaftslage zu einer weiteren Zinssenkung der EZB kommen werde. Draghi betonte nun erneut, die EZB stehe bereit, bei Bedarf zu handeln.
Negative Zinsen wären Neuland für EZB
Eine Strafgebühr auf geparktes Geld bei der Zentralbank gilt als heißes Eisen. Momentan liegt dieser sogenannte Einlagezins bei null Prozent. Mit einer Absenkung in den negativen Bereich würde die EZB Neuland betreten. Dänemark hat außerhalb der Euro-Zone damit bereits Erfahrungen gemacht. Dort schlugen Banken die höheren Kosten auf die Kreditzinsen drauf.
Ein solcher Effekt wäre für die Euro-Zone kontraproduktiv, da die EZB ja gerade die Darlehensvergabe ankurbeln möchte. Derzeit horten die Banken ihr Geld bei der EZB. So sind schätzungsweise rund 300 Milliarden Euro mehr im Bankenkreislauf, als die Institute zur Erfüllung des Mindestreservesolls bei der EZB benötigen. Dieses Geld haben sie bei der Notenbank selbst auf verschiedenen Konten geparkt.
Händler halten allerdings nichts von negativen Einlagezinsen: "Damit solch eine Maßnahme nicht verpufft, müssten auch die Zentralbankguthaben mit einem negativen Zins versehen werden", hieß es. Diese Guthaben, eine Art Giro-Konto der Banken bei ihren nationalen Notenbanken, sind derzeit zinslos. "Mit einem negativen Zins würde die EZB hier quasi einen vierten Leitzins einführen", so ein Händler. Zur Erklärung: Als die EZB den Einlagezins auf null senkte, schichteten die Banken in großem Stil ihre Gelder auf die Guthaben um. Im Falle von negativen Einlage-Zinsen müssten also auch diese Guthaben mit einer Strafgebühr belegt werden, um kein Schlupfloch offen zu lassen.
Warten auf die Fed
In Jerusalem kündigte Draghi nun an, dass der EZB-Rat in der nächsten Zeit alle Wirtschafts- und Finanzdaten genau analysieren werde. "Falls nötig, stehen wir zum Handeln bereit", bekräftigte er. Er sehe eine langsame Konjunkturerholung in der Eurozone, allerdings ausgehend von einem niedrigen Niveau.
In den USA beginnt am heutigen Dienstag die zweitägige Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC). Anleger an den Finanzmärkten weltweit erhoffen sich von dem Gremium der US-Notenbank Fed, das über die Geldpolitik entscheidet, klare Signale über eine mögliche Drosselung der Wertpapierkäufe. Die Entscheidung zu Leitzins und zu möglichen weiteren Anleihekäufen wird am Mittwochabend (MESZ) bekanntgeben.
Spanien muss höhere Zinsen zahlen
Spanien kommt die Unsicherheit vor dem Fed-Entscheid teuer zu stehen. Erstmals seit Monaten musste die Regierung in Madrid für kurzfristige Anleihen wieder höhere Zinsen zahlen. Die Durchschnittsrendite für ein Papier mit einer Laufzeit von sechs Monaten erreichte mit 0,821 Prozent den höchsten Stand seit Februar - noch vor einem Monat lag der Zins lediglich bei gut der Hälfte und damit auf dem niedrigsten Niveau seit Anfang 2010.
"Ich denke nicht, dass der Zinsanstieg durch Entwicklungen in Spanien begründet werden kann", sagte Ioannis Sokos, Zinsstratege bei BNP Paribas. Vielmehr hänge er mit der Verwundbarkeit der hoch verschuldeten Peripheriestaaten zusammen.
Für eine einjährige Anleihe verlangten die Investoren einen Zins von 1,395 Prozent, im Mai waren es noch 0,994 Prozent. Insgesamt nahm Spanien gut fünf Mrd. Euro am Markt auf. Die Regierung in Madrid hat bisher ungefähr 60 Prozent ihres Kapitalbedarfes für 2013 gedeckt. Sokos sagte, sie dürfte weiter von sinkenden Zinsen am Markt profitieren, sobald die Fed entschieden haben und die Verunsicherung der Investoren zurückgehe.
Quelle: ntv.de, ddi/DJ/rts