
Venezuela leidet unter einer hohen Inflation.
(Foto: REUTERS)
Der sinkende Ölpreis bringt Venezuelas Regierung in ernste Schwierigkeiten. Am Finanzmarkt wird laut darüber nachgedacht, ob dem Land bald das Geld ausgeht. Der Finanzminister bittet: "Vertraut uns!"
Venezuelas sozialistische Regierung hat ein Problem. Am Finanzmarkt wächst die Furcht, dass das Land angesichts des fallenden Ölpreises Bankrott gehen könnte. Was dramatische Folgen haben kann, spiegelt sich in einer nüchternen Zahl wider: Die richtungsweisende Anleihe rentiert derzeit bei rund 19 Prozent - und damit auf dem Niveau von Anfang 2009, als die Finanzmärkte noch den Zusammenbruch von Lehman Brothers verdauten.
Dass Venezuela tatsächlich Pleite gehen kann, klingt auf den ersten Blick absurd. Das Land verfügt Schätzungen zufolge weltweit über die größten Ölreserven, die Staatsschulden liegen nur bei etwa der Hälfte des Bruttoinlandprodukts. Obwohl die Devisenreserven lediglich 12 Milliarden Dollar betragen, kommt die Regierung ihren Verpflichtungen gegenüber Anleihe-Gläubigern nach.
Und doch ist ein Bankrott des ölreichen Landes durchaus denkbar. Das liegt vor allem daran, dass der Ölpreis kräftig gefallen ist - seit Juni ist er um etwa 30 Prozent abgestürzt. Ein Fass der Referenzsorte Brent kostet derzeit 78,50 Dollar. Die Deutsche Bank schätzt, dass Venezuela einen Preis von etwa 162 Dollar braucht, um den Haushalt auszugleichen.
Die sozialistische Regierung ist dringend auf die Dollar-Einnahmen aus dem Ölgeschäft angewiesen, das für 95 Prozent der Export-Erlöse sorgt. Sie muss damit Auslandsschulden tilgen und Sozialprogramme sowie Subventionen finanzieren. An den Finanzmärkten wächst die Sorge, dass die Staatsfinanzen aus dem Ruder laufen.
Zudem steckt Venezuela wohl in der Rezession. Die Zentralbank hat für 2014 zwar keine Daten veröffentlicht. Der Internationale Währungsfonds geht allerdings davon aus, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um drei Prozent schrumpft. Das Haushaltsdefizit lag im vergangenen Jahr bei knapp 17 Prozent - das ist mehr als bei Griechenland oder Spanien während des Höhepunkts der Schuldenkrise. Die Inflationsrate beträgt derzeit mehr als 60 Prozent.
Deshalb schreckt Präsident Nicolas Maduro auch davor zurück, die Währung abzuwerten. Damit würde die Regierung bei den Ölverkäufen pro Dollar mehr Bolivar einnehmen und den großen Graben zwischen offiziellem Kurs und Schwarzmarkt-Preis verringern. Für einen Dollar gibt es offiziell nur 6,3 Bolivar. Zum Vergleich: Laut der Seite dolartoday.com, die den Tauschkurs an der Grenze zu Kolumbien beobachtet, kostet ein Dollar dort 124,57 Bolivar.
Eine Abwertung ist für Maduro keine Option, da sie die ohnehin schon exorbitant hohe Inflation anheizen würde. Ein solcher Schritt könnte auch für Proteste in der Bevölkerung sorgen, die unter einem Mangel von Autobatterien bis zum Toilettenpapier leidet. Anfang des Jahres gab es einen Vorgeschmack, als Gegner der Linksregierung zu Zehntausenden protestierten.
"Wir haben den Investoren gesagt, sie können auf uns zählen. Vertraut uns!", sagte Finanzminister Rodolfo Marco Torres in der vergangenen Woche. Derzeit sieht es so aus, als ob die Finanzmärkte das etwas anders sehen.
Quelle: ntv.de