Verbraucher zahlen die Zeche EU baut Energienetz aus
04.02.2011, 21:46 UhrGas und Strom sollen in der EU bald so problemlos fließen wie Milch. Und ein florierender Energiebinnenmarkt ist nicht billig: Um vor allem den Leitungsbau in Schwung zu bringen, sollen den Energieriesen höhere Renditen eingeräumt werden. Finanziert wird dieses Mammutprojekt damit in erster Linie von den Verbrauchern.

Mehr Leitungen in Europa sollen laut EU den Strom "frei" fließen lassen.
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Auf die Verbraucher rollt die nächste Energiepreiserhöhung zu. Der Grund: Die Europäische Union will binnen drei Jahren den zersplitterten Energiemarkt einen und mit Milliarden-Investitionen Strom- und Gasleitungen bauen. "Der Binnenmarkt sollte 2014 umgesetzt sein, damit Gas und Strom frei fließen können", heißt es im Beschluss des EU-Energiegipfels. Für Verbraucher könnte das höhere Kosten bedeuten, da der Ausbau in erster Linie über die Strom- und Gasrechnungen der Kunden bezahlt werden soll. Die Kosten dafür belaufen sich laut "Süddeutscher Zeitung" auf bis zu 200 Mrd. Euro. Auf bis zu 1 Billion Euro schätzt EU-Energiekommissar Günther Oettinger selbst die Kosten für ein modernes Energienetz in Europa.
Den Netzbetreibern sollten höhere Renditen von den nationalen Aufsichtsbehörden eingeräumt werden, um den Leitungsbau in Schwung zu bringen, heißt es. Gebiete, in denen eine Anbindung nicht rentabel ist, könnten auch mit EU-Mitteln finanziert werden. Energiekommissar Günther Oettinger will sich dafür mit EU-Anleihen Geld beschaffen.
Strom eine Ware wie Milch oder Butter
"Das Treffen der Staats- und Regierungschefs ist ein Durchbruch für die europäische Energiepolitik", sagte Oettinger. Strom solle fließen wie Waren und Dienstleistungen. Der Rat habe der Kommission zudem Rückendeckung gegeben, damit die EU künftig stärker in Energiefragen geschlossen mit Partnerländern auch auf anderen Kontinenten verhandeln könne.
Kein EU-Land solle nach 2015 mehr von der Gas- oder Stromversorgung abgeschnitten sein, heißt es im Abschlussdokument des Gipfels weiter. Damit wird auch auf Probleme einiger osteuropäischer Staaten angespielt, die nach einem Lieferstopp aus der Ukraine und Russland wegen fehlender Leitungen kaum Gas aus anderen Ländern beziehen konnten.
Länder wie der Inselstaat Malta, wo ein Netzanschluss sich wirtschaftlich nicht lohnen würde, können auf Unterstützung der EU hoffen. Energiekommissar Oettinger sagte "Spiegel Online", ab 2014 sollten jährlich 1 Mrd. Euro in solche Projekte investiert werden. Für die Ausgabe von EU-Anleihen habe er die Unterstützung von Kommissionspräsident Manuel Barroso.
Leitungsbau stockt in Deutschland
Der Leitungsbau stockt nicht nur zwischen den Staaten, sondern auch innerhalb der Länder. So fehlen Deutschland über 3000 Kilometer Stromleitungen, um etwa die geplanten Windparks auf hoher See an die Industriegebiete im Westen und Süden anzubinden. Der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW) verwies darauf, dass Leitungen häufig wegen bürokratischer Hindernisse und Widerstands bei Anwohnern nicht gebaut werden könnten. Klar sei aber, dass die EU nun bei den Energiethemen immer mit am Tisch sitzen werde und dies keine nationale Angelegenheit mehr sei, sagte Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller.

Der Leitungsbau soll den Energiekonzernen mit höheren Renditen schmackhaft gemacht werden: Am Ende zahlen die Verbraucher den Großteil der Zeche.
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Mit dem Binnenmarkt soll nicht nur die Versorgung gesichert werden, sondern auch der Wettbewerb in Schwung kommen. Noch immer wird auch wegen fehlender Grenzkuppelstellen der Markt von den Nachfolgern staatlicher Energiekonzerne dominiert.
Die EU hat schon wegen Verstoßes gegen bisherige Wettbewerbsbestimmungen rund 60 Verfahren wegen Vertragsverletzung unter anderem gegen Deutschland eingeleitet. Die Kommission geht davon aus, dass mehr Wettbewerb den Anstieg der Energiepreise dämpfen wird.
Fördersystem für Ökostrom strittig
Beim Ausbau des Ökostroms konnte sich Oettinger mit seiner Idee eines europaweit harmonisierten Fördersystems nicht durchsetzen. Als Ziel hatte er ausgegeben, dass Windenergie vor allem an den Küsten etwa vor Großbritannien und Sonnenstrom in erster Linie in Italien, Spanien oder Griechenland erzeugt werden sollte. Dies sei kostengünstiger.
Deutschland und andere Staaten fürchteten aber um ihre heimische Industrie und die eigenen Ausbauziele. Besonders bei Bundesumweltminister Norbert Röttgen stieß Oettinger dabei auf entschiedenen Widerstand: Das gerade beschlossene Energiekonzept des Bundes mit dem Ziel von 40 Prozent Ökostrom 2020 und 80 Prozent im Jahr 2050 könne man dann in die Papiertonne werfen, schimpfte er. Das deutsche Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) mit der indirekten Förderung neuer heimischer Industrie wäre dann obsolet.
Am Ende verwies der EU-Gipfel lediglich auf die Möglichkeit von Kooperationen und betonte die nationalen Fördersysteme.
Quelle: ntv.de, bad/rts