Zum Stillhalten verdammt? EZB-Chef in der Zwickmühle
28.02.2011, 11:56 UhrZweimal im Monat reisen die 17 Notenbankchefs der Eurozone nach Frankfurt am Main, um über den geldpolitischen Kurs zu beraten. Am Donnerstag ist es wieder so weit: Analysten wollen diesmal Details in der EZB-Prognose nutzen, um mehr über den Zeitpunkt zu erfahren.

Europas oberster Währungshüter in Frack und Fliege: In diesem Jahr war Jean-Claude Trichet (Bild) Ehrengast der traditionsreichen Bremer Schaffermahlzeit, die am 11. Februar zum 467. Mal stattfand.
(Foto: REUTERS)
Bei der nächsten Zinssitzung der EZB dreht sich alles um das Thema Inflation. Italiens Notenbankchef Mario Draghi stimmte jüngst das Leitmotiv an: "Geldpolitik muss sich zuallererst an der Preisstabilität orientieren", mahnte Draghi, der als Nachfolger von EZB-Chef Jean-Claude Trichet gehandelt wird. Der Ölpreisschock verbunden mit einem kräftigen Inflationsschub lässt bei den Hütern des Euro die Alarmglocken schrillen. Die Stabilitätsmarke von knapp zwei Prozent Teuerung ist durchbrochen. Doch dürften es Trichet & Co. am Donnerstag bei Warnungen vor Inflationsrisiken belassen. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) steckt in der Zwickmühle. Sie darf die Zinsen nicht erhöhen, will sie die Krise in den hoch verschuldeten EU-Staaten nicht sehenden Auges verschärfen.
Nach Ansicht des EZB-Ratsmitglieds Draghi ist die Teuerungsrate in der Euro-Zone zwar noch im Rahmen, doch müsse die EZB den Preisauftrieb genau beobachten. Zeitplan und Maßnahmen für eine Rückkehr zu einer normalen Geldpolitik sowie zu entsprechenden Zinssätzen seien daher sorgfältig zu gewichten, fordert das EZB-Ratsmitglied.
Hinweise auf die weitere Marschrichtung der Währungshüter erhoffen sich Experten aus den Stab-Projektionen zu Inflation und Wachstum, die zeitgleich zu der Pressekonferenz Trichets am Nachmittag veröffentlicht werden. Ulf Krauss von der Helaba sieht das Ausmaß der Prognoseänderung bei der Inflation als "Gradmesser" für die Wahrscheinlichkeit künftiger Zinserhöhungen. "Wir erwarten allerdings nur eine moderate Anpassung, da der Ölpreisanstieg vermutlich als vorübergehend eingestuft und eher als Problem für das Wirtschaftswachstum bewertet wird", sagt Krauss.
Olli Rehn sitzt mit am Tisch
Falls beim EU-Gipfel Ende März weitreichende Schritte zur Lösung der Euro-Krise eingeleitet würden, besitze die Zentralbank aber durchaus Spielraum für einen Zinsschritt. "Trichet dürfte sich in der Pressekonferenz vor diesem Hintergrund alle Optionen offen halten." Gelegenheit zum direkten Gedankenaustausch mit der EU-Führungsebene bietet der Besuch von EU-Währungskommissar Olli Rehn, der an der Ratssitzung in Frankfurt am Donnerstag teilnehmen wird.
Finanzexperten gehen davon aus, dass die EZB erst im Herbst die Geldpolitik straffen wird. Bis dahin dürfte der zweite Stresstest für die großen europäischen Banken Klarheit über die Krisenfestigkeit des Finanzsektors gebracht haben, den die Bundesbank trotz der Konjunkturerholung noch nicht über den Berg sieht.
Kleine Schritte Richtung Ausgang
Vor diesem Hintergrund wird an den Märkten mit Spannung erwartet, welchen Kurs EZB-Chef Trichet bei den in der Krise eingeführten geldpolitischen Sondermaßnahmen zur Refinanzierung der Banken einschlagen wird. Besonders Geldinstitute in Spanien, Griechenland und Irland hängen wie Intensivpatienten am Tropf der EZB. Diese Rundumversorgung würde die EZB lieber heute als morgen beenden. Sie kann die Dosis mit Rücksicht auf den gebrechlichen Zustand der von der Finanzkrise ausgezehrten Banken in Dublin und Athen aber nicht abrupt absetzen.
Experten halten es für durchaus wahrscheinlich, dass die Zentralbank diesmal jedoch zumindest einen kleinen Schritt Richtung Ausgang wagen wird. Dazu könnte sie die Banken bei den in der Krise eingeführten Dreimonats-Tendern an eine kürzere Leine nehmen. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass die EZB die Tender in Zukunft mit einem höheren Zinssatz durchführt, um die Marktteilnehmer daran zu erinnern, dass der Leitzins nicht auf unbestimmte Zeit auf dem sehr niedrigen Niveau bleiben wird", sagt Thilo Heidrich von Postbank Research.
An der Vollzuteilung werde die Notenbank jedoch festhalten. Commerzbank-Experte Michael Schubert ist anderer Meinung. Er sieht einen solchen Schritt auch als Chance für die in der Vergangenheit als zu zaghaft gescholtene Zentralbank, Flagge zu zeigen: "Die Warnung der Notenbank, bei Inflationsgefahren gegebenenfalls die Leitzinsen zu erhöhen, würde wenig glaubhaft wirken, wenn die EZB gleichzeitig vor diesem relativ kleinen Schritt zurückweichen sollte."
Quelle: ntv.de, Reinhard Becker, rts