Draghi ist da, Bini Smaghi geht EZB-Personalposse beendet
10.11.2011, 19:04 Uhr
Bini Smaghi und Draghi: zwei von drei EZB-Mitgliedern aus Italien nach dem Wechsel der Präsidentschaft.
(Foto: REUTERS)
Ein Italiener zuviel, ein Franzose zuwenig: Die Eurozone steht am Abgrund und in der EZB spielt sich ein personalpolitisches Possenspiel erster Güte ab. Im Mittelpunkt steht Direktoriumsmitglied Bini Smaghi.
Die Personalquerelen um Lorenzo Bini Smaghi bei der EZB sind beendet: Das italienische EZB-Direktoriumsmitglied nimmt seinen Hut und wechselt von der Notenbank in die Wissenschaft. Bini Smaghi habe Zentralbankchef Mario Draghi mitgeteilt, dass er zum 1. Januar 2012 an die US-Eliteuniversität Harvard gehen werde, erklärte die EZB. Bini Smaghi war seit Juni 2005 Mitglied des sechsköpfigen Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB).
Sein Mandat hätte eigentlich bis Ende Mai 2013 gedauert. Zuletzt war der Druck auf Bini Smaghi aber gestiegen, sich zurückzuziehen, da mit ihm, Zentralbankchef Draghi und dessen Nachfolger an der Spitze der Banca d'Italia, Ignazio Visco, drei Italiener im EZB-Rat vertreten waren.
Neue Gesichter 2012
Nach dem turnusmäßigen Abgang von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet zum Monatsanfang war jedoch nur noch ein Franzose dort vertreten - Zentralbankchef Christian Noyer. Damit war das Gleichgewicht unter den wirtschaftsstärksten europäischen Nationen im Führungszirkel der an sich unabhängigen Zentralbank gestört. Dies hatte zu heftigen Verstimmungen zwischen den Regierungen in Rom und Paris geführt.
Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy hatte wiederholt deutlich gemacht, dass er den Verbleib des Italieners bei der EZB nicht tolerieren wollte. Er kann nun einen zweiten Vertreter seines Landes nach Frankfurt schicken. Auch die Regierung in Rom hatte Bini Smaghi wiederholt zum Rücktritt aufgefordert. Wer für Frankreich zum Jahreswechsel ins EZB-Direktorium einzieht, ist noch offen.
Ebenfalls neu dort ist dann der deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen. Er ersetzt EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark, der im September seinen Rückzug ankündigte.
Italiens Wirtschaft in Abwärtsspirale
Die Lage ist umso prekärer, da Italien mit einer Schulden- und Regierungskrise kämpft und am Anleihemarkt Rekordzinsen zahlen muss. Die EZB hat seit dem Amtsantritt Draghis den Ankauf von Italien-Bonds intensiviert, um das Land liquide zu halten.
Gleichzeitig kämpft die Wirtschaft Italiens mit einem immer stärkeren Gegenwind. Die Industrieproduktion des hoch verschuldeten Landes brach im September so stark ein wie seit Dezember 2008 nicht mehr, teilte das nationale Statistikinstitut (Istat) mit. Die Unternehmen drosselten ihren Ausstoß um 4,8 Prozent zum Vormonat. Volkswirte hatten nur mit einem Rückgang um drei Prozent gerechnet. Noch im August hatte es ein Produktionsplus von 3,9 Prozent gegeben. Auch in Frankreich gab es im September ein überraschend großes Minus von 1,7 Prozent. In Deutschland hatten die Statistiker mit 2,7 Prozent jüngst den stärksten Einbruch seit Anfang 2009 gemeldet.
Quelle: ntv.de, bad/rts