Zinstaube und Königsmacher EZB-Vize Vitor Constancio
16.02.2010, 07:10 UhrVitor Manuel Ribeiro Constancio soll ab Juni neuer Vize-Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) werden. Die Finanzminister der Euro-Länder verständigten sich am Montag in Brüssel auf Constancio als Nachfolger des Griechen Lucas Papademos. Der Portugiese dürfte damit seine lange Karriere an den finanzpolitischen Schalthebeln krönen. Ganz nebenbei könnte Constancio den Weg von Bundesbank-Präsident Axel Weber an die Spitze der EZB im kommenden Jahr ebnen.

Der neue EZB-Ratsvize Vitor Manuel Ribeiro Constancio hat ein eher entspanntes Verhältnis zur Inflation.
(Foto: REUTERS)
Der 66-jährige Zentralbankchef Portugals gehört zum Urgestein des EZB-Rats. Er sitzt seit dem Start der Währungsunion und damit auch der EZB in dem Gremium, das über die Geldpolitik bestimmt und über die Stabilität des Euro wacht. Zuvor war er nicht nur Abgeordneter, Staatssekretär und Finanzminister Portugals, sondern leitete auch die Verhandlungen über einen Beitritt des Landes in die damals noch EG genannte Europäische Union 1986. Nun soll er Nachfolger von Papademos werden, dessen Amtszeit Ende Mai ausläuft.
Durch den Wechsel dürfte sich die geldpolitische Gemengelage im EZB-Rat, der aus den 16 Notenbankchefs der Euro-Länder und dem sechsköpfigen Direktorium in Frankfurt besteht, nur wenig ändern. Beiden - dem scheidenden Papademos und dem alten Hasen der europäischen Zinspolitik aus Portugal - ist gemeinsam, dass sie im Gegensatz zu Inflationshardlinern wie Bundesbank-Präsident Weber oder EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark nicht sofort die Hand am Abzug haben, wenn die Inflation auch nur im Verdacht steht etwas zu hoch auszufallen. Auch Luxemburgs Notenbankchef Yves Mersch, zusammen mit dem Belgier Peter Praet ebenfalls Kandidat für den Vizeposten bei der EZB, gehört in diese Kategorie.
Journalisten und professionelle Beobachter der Geldpolitik von Zentralbanken nennen Leute wie Constancio "Tauben", im Gegensatz zu den "Falken", die im Zweifelsfall eher den Leitzins anheben. Constancios Ding ist es dagegen - analysiert man seine Reden und die seltenen Interviews - bei den Zinsen lieber einmal fünf gerade zu lassen; zugunsten des Wirtschaftswachstums und eines prosperierenden Arbeitsmarktes. Er steht damit in der Tradition der Notenbanken vieler früherer Weichwährungsländer im Süden der Euro-Zone. Constancios Einzug ins EZB-Direktorium belässt die Kräfteverhältnisse so, wie sie auch derzeit sind.
Spitzenfrage offen
Ob der Umzug des Portugiesen vom Tejo an den Main, wie vielfach behauptet, die Chancen von Bundesbank-Präsident Weber, einmal Präsident der EZB zu werden, begünstigt, bleibt noch abzuwarten. Angeblich besorgte zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst die Mehrheit für Constancio, um dem Weg für den deutschen Wunschkandidaten zu ebnen. Fest steht, dass der Regionalproporz zwischen Süd und Nord bei einem Gespann Weber/Constancio besser austariert wäre als bei einem Duo Draghi/Constancio. Italiens Zentralbankchef Mario Draghi ist der einzige Gegenkandidat des Bundesbank-Chefs um die Nachfolge von Jean-Claude Trichet, dessen Zeit als EZB-Präsident am 31. Oktober 2011 zu Ende geht.
Bis es soweit ist, wird der neue EZB-Vize Constancio bei den monatlichen Pressekonferenzen der EZB nach der Zinsentscheidung neben dem Franzosen Trichet Platz nehmen. Und wie bislang noch jeder Vizepräsident in der kaum mehr als ein Jahrzehnt kurzen Geschichte der EZB in dessen langem Schatten stehen - wenigstens in der öffentlichen Wahrnehmung. Dabei mag ein EZB-Vizepräsident mit Namen Vitor Constancio zwar geldpolitisch eine "Taube" sein, ein Leichtgewicht oder gar eine lahme Ente ist er aber beileibe nicht. Noch-Vize Papademos ist zum Beispiel für die Themenfelder Finanzstabilität und Aufsichtsfragen zuständig, die im Laufe der jüngsten Krise immer stärker an Bedeutung gewonnen haben. Zu den alten Hasen auf europäischem Parkett zu gehören, dürfte für Constancio deshalb nicht von Nachteil sein.
Quelle: ntv.de, rts