"Märkte haben Fingerzeig verstanden" EZB bereitet Zinswende vor
24.03.2011, 12:41 UhrDie Ereignisse in Japan verschieben laut EZB-Chefvolkswirt Stark die Koordinaten für eine Zinswende in der Eurozone nicht grundsätzlich. Betrachte man das Gesamtbild, sei der Inflationsausblick unverändert.
Die EZB sendet immer stärkere Signale für eine baldige Zinswende aus. Chefvolkswirt Jürgen Stark redete im "Wall Street Journal" (WSJ) einer baldigen geldpolitischen Straffung das Wort: "Wir müssen aufpassen, dass wir die Zinsen nicht zu lange zu niedrig halten." Die Märkte hätten den entsprechenden Fingerzeig der Europäischen Zentralbank "recht verstanden". Stark verwies ausdrücklich darauf, dass die EZB das Zinsniveau zuletzt nicht mehr wie in den Monaten zuvor als angemessen bezeichnet habe.
In einem Gespräch mit der japanischen Zeitung "Nikkei" wies Stark darauf hin, dass sich durch Fukushima mittelfristige sogar zusätzliche Inflationsrisiken ergeben könnten: "Japan wird möglicherweise Atomkraft durch andere Energieträger wie Öl oder Erdgas ersetzen. Das könnte die globalen Rohstoffpreise anheizen". Betrachte man das Gesamtbild, habe sich der Inflationsausblick für die Eurozone somit nicht verändert.
EZB-Chef Jean-Claude Trichet hatte Anfang des Monats die Märkte mit der Ankündigung überrascht, wegen der steigenden Inflation sei eine Anhebung des Leitzinses bereits im April möglich. An diesen Aussichten habe sich auch durch die Naturkatastrophen und das Atom-Unglück in Japan nichts geändert, betonte er jüngst. Auch das deutsche Direktoriumsmitglied Stark griff diesen Punkt auf: "Die Finanzmärkte können nicht erwarten, dass auf alle Notsituationen reflexartig eine Lockerung der Geldpolitik folgt." Allerdings bestehe angesichts der Ereignisse in Fernost und der Unruhen in Nordafrika kein Grund, sich mit Blick auf die Risiken für das Wachstum zurückzulehnen, warnte Stark.
Der finnische Notenbankchef Erkki Liikanen sprach in Helsinki davon, dass auch die hohe Inflation in China ein "umfangreiches Problem" sei. Zudem werde der Höhenflug der Energiepreise an den Weltmärkten wohl auch im nächsten Jahr anhalten. Doch die Auswirkungen auf die Inflation könnten "mit den richtigen Maßnahmen" vermieden werden. Liikanen betonte, dass die Markterwartungen an die Zinsentwicklung nach einem kurzzeitigen Absinken infolge des Japan-Schocks nun wieder "auf einem normalen Niveau" angelangt seien.
Die EZB hält den Zinssatz bereits seit Mai 2009 auf dem rekordniedrigen Niveau von 1,0 Prozent. Trichet hat zwar keine Serie von Erhöhungen in Aussicht gestellt, doch rechnen Experten mit mehreren Schritten noch in diesem Jahr.
Quelle: ntv.de, rts