Große Nähe zur Politik EZB dreht und windet sich
06.03.2013, 13:31 Uhr
Helfen ist immer gut gemeint, aber manchmal kann es auch zu viel sein.
(Foto: picture alliance / dpa)
Europas Währungshüter sind zunehmend in der Rolle der Krisenfeuerwehr. Sie bügeln überall dort Fehler aus, wo die Politik nicht schnell genug handelt. Damit rutscht die Notenbank jedoch in eine gefährliche Abhängigkeit. Wie kommt die EZB da wieder raus?
Da ist sie wieder die europäische Schuldenkrise. Und prompt geht der Blick wieder in Richtung Europäischer Zentralbank (EZB). Schuld ist die politische Lähmung in Italien. Zuletzt war die europäische Schuldenkrise dank klarer Worte und viel billigem Geld etwas aus dem Fokus geraten. Seit der Italien-Wahl ist sie aber wieder voll drin. Und vor der Ratssitzung am morgigen Donnerstag drängen sich einige schwierige Fragen auf: Hat sich EZB-Präsident Mario Draghi mit seiner Zusage, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, in die Sackgasse manövriert? Und wie hoch ist der Preis, den die Notenbank dafür bezahlen muss, dass sie den Krisenstaaten immer wieder Zeit kauft?
Ökonomen sehen die EZB in einer schweren Bredouille. Das Versprechen, den Euro um jeden Preis zu retten, könnte schon bald auf eine harte Probe gestellt werden: Nachdem die jüngsten Parlamentswahlen in Draghis Heimatland Italien statt klaren Mehrheiten den politischen Stillstand brachten, droht die drittgrößte Wirtschaftsmacht im Euroraum wieder ins Visier der Investoren zu geraten. Der Weg an den Anleihemarkt, um frisches Geld zu tanken, könnte verbaut werden.
Wenn Anleger vom Glauben abfallen
Bislang reichte Draghis bloße Ankündigung aus, um die Märkte zu beruhigen. "Nach dem Wahlpatt in Italien könnten Anleger den Glauben verlieren, dass die EZB im Notfall tatsächlich Anleihen eines Landes kauft, das offensichtlich nicht zu den notwendigen wirtschaftlichen Reformen bereit ist", befürchtet Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Doch ohne Aussicht auf EZB-Hilfen würden Anleger für italienische Staatsanleihen deutlich höhere Renditen verlangen. Das könnte die Schuldenkrise wieder auflodern lassen und die EZB zum nächsten Feuerwehreinsatz zwingen, glaubt der Ökonom.
Eigentlich setzen die Stützungskäufe im Kampf gegen hohe Zinsen voraus, dass eine Regierung einen Hilfsantrag bei den Euro-Partnern stellt - und Reformauflagen akzeptiert. Doch nicht nur Krämer ist überzeugt, dass die Notenbank im Zweifel dem Euro-Schwergewicht Italien helfen würde, um den Zusammenbruch der Währungsunion zu vermeiden: "Am Ende würde die EZB wohl die Staatsanleihen eines reformunwilligen Italiens kaufen." Damit würde die EZB die "Büchse der Pandora" öffnen, warnt Moritz Kraemer, Chefanalyst der Ratingagentur Standard & Poor's für die Länderbewertung in Europa.
Notenbanken nur noch Getriebene?
Zu den großen Kritikern der EZB-Krisenstrategie zählt der frühere Chefvolkswirt der Notenbank, Jürgen Stark. In einem Beitrag für das "Handelsblatt" warnte er Anfang März vor "riskanten Experimenten": "Zentralbanken haben im Zuge des Krisenmanagements zunächst ihr Mandat flexibel interpretiert, dann gedehnt und letztlich überschritten, wie das Beispiel der EZB zeigt. Sie sind zu Getriebenen der Politik und der Märkte geworden."
In den Augen vieler Marktteilnehmer und Politiker sei die EZB nicht mehr der Garant stabiler Preise, sondern habe sich gewandelt, schreibt Stark: "In einen potenziellen Superfonds zur Rettung von Ländern in Schwierigkeiten."
Inzwischen schleicht sich wohl auch bei einigen Notenbankern das Gefühl ein, zu nahe an die Politik herangerückt zu sein. Nach Medienberichten gibt es im Frankfurter Eurotower heftige Diskussionen über die Rolle der EZB bei den Beobachtermissionen der Euro-Retter. "Das Unbehagen geht soweit, dass es bei einigen namhaften EZB-Mitgliedern Überlegungen gibt, die Troika ganz zu verlassen", erfuhr die Tageszeitung "Die Welt" aus Finanzkreisen.
Wie fest steht die Troika?
Allerdings seien die Befürworter eines Rückzugs aus den gemeinsamen Beobachtermissionen mit Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission nur eine "kleine Minderheit" bei der EZB, schreibt das "Handelsblatt". EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen wies die Berichte umgehend zurück. Die Notenbank sehe ihre Unabhängigkeit durch die Teilnahme an der Troika in keiner Weise bedroht. Vorerst wird die EZB also weiter als Berater von Kommission und IWF tätig bleiben. Doch der Unmut scheint zu wachsen.
Schließlich ist die Krise trotz all der Feuerwehreinsätze der EZB, der milliardenschweren Rettungstöpfe aus Brüssel und der Reformen in Europas Hauptstädten nicht überwunden. Auch die Ursachen sind längst nicht behoben: Die Krisenländer leiden weiter unter hohen Haushaltsdefiziten und unflexiblen Arbeitsmärkten. Dass die Politik dennoch das Ende der Krise herbeiredet, könne den Reformeifer der Regierungen bremsen, warnt sieht S&P-Analyst Kraemer: "Es besteht das Risiko, dass sich Selbstgefälligkeit einschleicht." Einen leichten Ausweg für die Notenbanker gibt es aus der Bredouille also nicht.
Keine Zinssenkung erwartet
Der Zinsentscheid am Donnerstag dürfte dagegen einfach vonstatten gehen. Die meisten Volkswirte gehen davon aus, dass die EZB ihre Zinsen in diesem Jahr nicht mehr senken wird. Auch wenn einige Beobachter meinen, dass die anhaltende Rezession im Euroraum und die weiter rückläufige Inflation durchaus für noch niedrigere Zinsen sprechen würden.
Das mag mit der Einschätzung zusammenhängen, dass die EZB derzeit selbst nicht an die Wirksamkeit noch niedrigerer Zinsen glaubt, weil sie die Übertragung des geldpolitischen Signals für gestört erklärt.
Quelle: ntv.de, dpa/DJ