Inflation gegen Wachstumssorgen EZB steht vor der Zinswende
08.09.2011, 10:35 Uhr
Sieht Trichet noch starke Inflationsgefahren?
(Foto: AP)
Europas Währungshüter werden heute die Leitzinsen nach einhelliger Meinung von Volkswirten nicht antasten. Die Märkte spitzen jedoch die Ohren, ob EZB-Präsident Trichet auf seiner vorletzten Sitzung Hinweise darauf gibt, dass die Inflationsgefahren im Euroraum schwinden. Dann nämlich fiele der erwartete Zyklus von Zinserhöhungen aus.
Der EZB-Rat hat am Morgen mit Beratungen über seine Antwort auf die Verschärfung der Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise begonnen. Es ist die vorletzte Sitzung des Gremiums unter Vorsitz von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, der Anfang November von dem Italiener Mario Draghi abgelöst wird. Und es ist nach Ansicht vieler Fachleute zugleich eine der wichtigsten Sitzungen des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) unter der Ägide des scheidenden Notenbankchefs. Denn immerhin geht es um die Frage, welchen Kurs die EZB in den nächsten Monaten im Kampf gegen eine befürchtete Flaute der Weltwirtschaft, gegen immer neue Turbulenzen an den Börsen und gegen eine neue Bankenkrise steuern wird.
Zwar glaubt nicht ein einziger der vor wenigen Tagen befragten Ökonomen, dass die EZB dieses Mal ihren Leitzins von aktuell 1,5 Prozent antastet. Zuletzt hatten jedoch immer mehr Volkswirte Trichet & Co. zu prophylaktischen Zinssenkungen aufgefordert. Zunächst dürften die Notenbanker den Schlüsselzins aber wohl für einige Zeit unverändert lassen, um im Zweifelsfall nachlegen zu können. Viel dürfte davon abhängen, welchen Kurs die US-Notenbank Federal Reserve in den nächsten Monaten steuert. An den Finanzmärkten fiebern die Investoren und Spekulanten bereits jetzt der auf zwei Tage verlängerten nächsten Zinssitzung der Fed am 20. und 21. September entgegen. Die EZB-Spitze kann einstweilen auch nur mutmaßen, was Fed-Chef Ben Bernanke gegen den drohenden Rückfall der USA in die Rezession zu tun gedenkt.
Antworten auf die Schweiz
Überhaupt wird sich Trichet bei seiner vorletzten EZB-Ratssitzung in Amt und Würden zu einem nicht geringen Teil mit Entwicklungen außerhalb der Euro-Zone beschäftigen müssen. So geht der Blick beispielsweise in die Schweiz, die am Montag den Franken an den Euro koppelte. Die Schweizer Nationalbank (SNB) versucht mit diesem fast schon verzweifelt anmutenden Schritt, die rasante Aufwertung der heimischen Währung zu stoppen.
Zugleich stellt sich die Frage, wie die SNB die ihr durch die Devisenmarktinterventionen zufließenden Mittel wieder investiert. Kauft sie zum Beispiel Bundesanleihen verstärkt sie indirekt über steigende Risikoaufschläge (Spreads) den Druck auf die Problemländer in der Europäischen Währungsunion. Das kann der EZB wiederum überhaupt nicht gefallen. Zur Diskussion über die Schuldenkrise und die umstrittenen Staatsanleihenkäufe der EZB ist damit eine weitere Facette hinzugekommen, die für eine rege Debatte im EZB-Rat sorgen dürfte.
Quelle: ntv.de, nne/rts