Aktionäre fürchten um das Geschäft Eon kämpft gegen den Ausstieg
05.05.2011, 12:15 Uhr
Große Rede vor versammelten Aktionärsrunde: Johannes Teyssen spricht.
(Foto: REUTERS)
Der Chef des größten deutschen Stromerzeugers hält auf der Hauptversammlung in Essen ein flammendes Plädoyer für die Atomkraft. Es könne nicht darum gehen, die Brücke der Kernenergie zu verkürzen oder zu verschmälern, sagt Johannes Teyssen vor rund 4000 Aktionären. Der Regierung droht er indirekt mit einer Klage. Vor der Tür fordern Atomkraftgegner die schnelle Energiewende.
Eon-Chef Johannes Teyssen hat für den Fall eines vorzeitigen Ausstiegs aus der Atomenergie eine härtere Gangart angekündigt. Bei einer langfristigen Neuausrichtung der Energiepolitik werde er die Ansprüche der Aktionäre auf den Schutz ihres Vermögens wahren, betonte der Manager auf der Hauptversammlung in Essen. Er machte deutlich, notfalls gegen die seit diesem Jahr geltende Brennelementesteuer der Bundesregierung vor Gericht zu ziehen. Eon erwartet durch die Abgabe jährliche Belastungen von rund einer Milliarde Euro, RWE von bis zu 700 Mio. Euro. Bei einem Aus von Meilern sieht Eon-Chef Teyssen die Gewinnprognose gefährdet.
"Alle unsere Aussagen müssen bis auf weiteres auf der Annahme beruhen, dass nach dem Moratorium der Weiterbetrieb unserer sicheren Kernkraftwerke möglich ist", erläuterte der 51-Jährige, der seit einem Jahr den größten deutschen Versorger führt. Konkurrent EnBW hat seinen Ausblick bereits gesenkt, RWE will seine Mittelfristziele auf den Prüfstand stellen. Teyssen bekräftigte unter Vorbehalt die Unternehmensplanungen, wonach Eon 2011 einen bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zwischen 11,2 bis 11,9 Mrd. Euro erwartet und 2013 in etwa das Ergebnisniveau von 2010. Im Vorjahr hatte Eon ein Vorsteuerergebnis von 13,3 Mrd. Euro erzielt.
Was bringt die AKW-Stilllegung?
Eon ist in Deutschland mit sechs Kernkraftwerken und mehreren Beteiligungen an weiteren Anlagen der größte Atomkraftbetreiber. Rund 45 Prozent der gesamten Stromerzeugung kommt in Deutschland aus der Kernenergie. Derzeit sind allerdings nur zwei Atommeiler von Eon am Netz: Zwei Kernkraftwerke befinden sich in planmäßiger Revision, die Atommeiler Isar I und Unterweser wurden im Zuge des Laufzeit-Moratoriums vorübergehend vom Netz genommen.

Vergleichsweise ruhig: Nach den Tumult artigen Szenen bei der RWE-Versammlung mussten sich die Ordnungshüter auf einen möglicherweise sehr stressigen Tag einstellen.
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Im Gegensatz zu RWE verzichteten die Düsseldorfer jedoch auf eine Klage gegen den angeordneten Stillstand. Teyssen hat sich seit der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima Mitte März auch in der öffentlichen Diskussion im Vergleich zu RWE-Chef Jürgen Großmann eher zurückhaltend geäußert. "Wir haben Verständnis, dass die Politik diese Denkpause verordnet hat, auch wenn die begleitende Stilllegung älterer Anlagen allenfalls die Gefühle verbessert hat", sagte der Manager nun vor 4000 Aktionären in der Grugahalle.
Großmann hat seinen Atomkurs vehement verteidigt und gilt für viele AKW-Gegner inzwischen als Hardliner. Der RWE-Chef war auf der Hauptversammlung des Konzerns vor zwei Wochen in Essen auf der Bühne von einem Bodyguard abgeschirmt worden. Tumult artige Proteste von AKW-Gegnern im Saal zwangen ihn mehrfach dazu, seine Rede zu unterbrechen. Im Gegensatz dazu konnte Teyssen seine Ansprache ruhig hinter sich bringen und auch die Proteste vor der Grugahalle mit Transparenten wie "Atomkraft abschalten. Stromkonzerne entmachten" fielen deutlich spärlicher als beim Wettbewerber aus.
Proteste zum Auftakt
Allerdings hatten Atomkraftgegner auch das Eon-Aktionärstreffen in Essen begleitet. Vor Beginn der Veranstaltung forderte eine Gruppe von rund 50 Demonstranten Konzernchef Johannes Teyssen mit Transparenten und Rufen zum sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie und zu massiven Investitionen in erneuerbare Energien auf. Einige Demonstranten begrüßten die Aktionäre mit Trillerpfeifen, Pappnasen und Luftschlangen.
Teyssen warnte anschließend davor, dass ein Aus der Meiler die Profite gefährdet. "Käme es zu Veränderungen, so könnten diese beträchtliche Auswirkungen haben, die sich heute schlechterdings nicht abschätzen lassen." Die erwarteten Belastungen von rund 250 Mio. Euro aus dem dreimonatigen Atom-Moratorium allein änderten an der Gewinnprognose für 2011 jedoch noch nichts. Ohne positive Effekte aus einer Laufzeitverlängerung dürfe es aber auch keine negativen geben.
Kohle und Uran "für eine beachtliche Zeit"
Teyssen nutzte die Hauptversammlung des größten deutschen Energiekonzerns für ein flammendes Plädoyer gegen den schnellen Ausstieg aus der Atomkraft. Es könne nicht darum gehen, die Brücke der Kernenergie zu verkürzen oder zu verschmälern, sagte er vor rund 4000 Aktionären. Jede Alternative zum Energiekonzept der Bundesregierung aus dem vergangenen Jahr werde Nachteile haben. Wer die Brücke jetzt nicht mehr wolle, der könne auch keine Maut dafür verlangen, sagte er mit Blick auf die Brennelementesteuer.
Noch für eine beachtliche Zeit würden Atommeiler sowie auch die Flotte von Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen von Eon zu einer sicheren, umweltverträglichen und wirtschaftlichen Energieversorgung beitragen, sagte Teyssen. Eon habe aber in Folge der Reaktorkatastrophe in Japan Verständnis dafür, dass die Regierung eine Denkpause verordnet habe. "Wir beteiligen uns ohne Klagedrohungen an dem öffentlichen Diskurs während des dreimonatigen Moratoriums", betonte Teyssen und bezog sich damit allerdings nur auf den genannten Zeitraum. Auch im Lichte der Erkenntnisse aus Japan genügten die Atomkraftwerke von Eon den höchsten Sicherheitsansprüchen.
Schneller Ausstieg "unrealistisch"
Einen Atomausstieg vor dem Jahr 2025 hält Teyssen für unrealistisch. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Ausstieg vor 2025 mit Blick auf Klimaziele und volkswirtschaftliche Konsequenzen realistisch ist", sagte der Manager im Vorfeld des Aktionärstreffens dem "Handelsblatt". Teyssen plädiert dafür, nicht nur ein Mindestdatum für den Ausstieg festzulegen, sondern auch einen definierten, "ein Stück weit aber auch flexiblen Pfad mit verschiedenen Kontrollstationen".
"Ich fände es sinnvoll, wenn wir nicht nur ein Ziel formulieren, sondern auch einen Pfad dorthin. Und wenn wir auf halber Wegstrecke einen Boxenstopp machen, um zu prüfen, ob wirklich alles wie geplant läuft", sagte Teyssen weiter. So könnte beispielsweise im Jahr 2016 geprüft werden, wie viele der 4000 Kilometer, die zusätzlich an Stromleitungen benötigt werden, um die erneuerbaren Energien auszubauen, schon gebaut seien, oder wie die Strompreise bis dahin reagiert haben. Bei Bedarf könnte der Weg dann angepasst werden.
Ein festes Ausstiegsdatum ist nach Teyssens Worten problematisch. "Dass damals kein festes Datum vereinbart wurde, sondern jeder Reaktor Strommengen zugeteilt bekommen hat, war schon durchdacht", sagte er. Teyssen zeigte sich zwar kompromissbereit, betonte aber, dass er notfalls seine Rechtsposition geltend machen werde, wenn das Gesamtpaket nicht in seinem Interesse sei. "Das geltende Gesetz ist in Kraft, und wir haben Anspruch auf Vertrauensschutz", sagte er. Der Vorstand sei verpflichtet, im Interesse der Aktionäre auf den Schutz des Vermögens zu achten.
Quelle: ntv.de, sla/AFP/dpa/rts