Wirtschaft

Das Herbstgutachten belegt Es knirscht in der Konjunktur

Sand hilft nur gegen Herbstlaub auf glitschigen Schienen.

Sand hilft nur gegen Herbstlaub auf glitschigen Schienen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Eurozone im "Krisenmodus", verunsicherte Verbraucher und wackelnde Banken: Die führenden deutschen Wirtschaftsforscher korrigieren ihre Wachstumserwartungen wie befürchtet kräftig nach unten. Die Schuldenkrise werde die Wirtschaftskraft "spürbar dämpfen". Vom Aufschwung muss sich Deutschland verabschieden. Eine Rezession sei jedoch nicht in Sicht, heißt es.

Nach zwei Jahren kräftiger Erholung muss sich die deutsche Wirtschaft 2012 auf einen harten Rückschlag einstellen. Die führenden Forschungsinstitute haben ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland deutlich nach unten revidiert.

Herbstgutachter in der Bundespressekonferenz (von links): Klaus Abberger (Ifo-Institut), Torsten Schmidt (RWI), Oliver Holtemoeller (IWH), Roland Doehrn (RWI) und Joachim Scheide (IWF Kiel).

Herbstgutachter in der Bundespressekonferenz (von links): Klaus Abberger (Ifo-Institut), Torsten Schmidt (RWI), Oliver Holtemoeller (IWH), Roland Doehrn (RWI) und Joachim Scheide (IWF Kiel).

(Foto: dapd)

Die Ökonomen erwarten nach 2,9 Prozent im laufenden Jahr für 2012 nur noch einen Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 0,8 Prozent. Das geht aus dem nun offiziell vorgestellten Herbstgutachten der Konjunkturforscher hervor. Erste Eckdaten des Gutachtens waren bereits am Vortag durchgesickert.

"Die Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum belastet zunehmend die deutsche Konjunktur", heißt es im Herbstgutachten der Konjunkturforscher. Als einen weiterer Grund für den Wachstumseinbruch nennen die Wirtschaftsforscher die Auswirkungen der weltweiten Konjunkturabkühlung. Im Frühjahr hatten die Experten für 2012 noch ein Wachstum von 2,0 Prozent vorhergesagt. Einer Rezession dürfte Deutschland demnach aber entgehen - obwohl die Wirtschaftsforscher mit einer schrumpfenden Wirtschaft im letzten Quartal 2011 rechnen.

Dax
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Auf dem Arbeitsmarkt soll das deutsche "Jobwunder" weitergehen: Im nächsten Jahr werde die Arbeitslosenquote im Jahresschnitt auf 6,7 Prozent sinken, erklärten die Experten. Im laufenden Jahr liegt die Quote derzeit noch bei 7,0 Prozent.

Die Aussichten für die Weltwirtschaft hätten sich insgesamt deutlich verschlechtert, warnten die Wirtschaftsforscher. Die Schuldenkrise könne sich durchaus zu einer Bankenkrise auszuweiten. Mit einer Eskalation der Bankenkrise wegen einer Umschuldung in Griechenland rechnen die Institute aber nicht; schließlich kämen die Turbulenzen nicht unerwartet und die Europäische Zentralbank habe bereits ihre weitere Bereitschaft zur Stützung des Geldmarktes signalisiert.

Die Richtung ist klar, die Geschwindigkeit lässt nach.

Die Richtung ist klar, die Geschwindigkeit lässt nach.

(Foto: picture alliance / dpa)

"Eine Ansteckung in dem Ausmaß wie nach der Insolvenz von Lehman Brothers ist wenig wahrscheinlich." Deshalb sei eine schwere Rezession wie 2009, als die Konjunktur wegen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise um 5,1 Prozent einbrach, nicht zu erwarten. Die Teuerungsrate soll nach durchschnittlich 2,3 Prozent im Jahr 2011 im kommenden Jahr auf 1,8 Prozent sinken.

Deutliche Kritik übten die Institute am Euro-Krisenmanagement der Politik. Sie fordern, endlich einheitliche Verfahren für den Umgang mit Staats- und Bankenpleiten durchzusetzen.

Die EZB "überdehnt ihr Mandat"

Eine weitere klare Ansage richteten die Wirtschaftsweisen an die Adresse der Europäischen Zentralbank (EZB): Wegen des Konjunktureinbruchs im Euroraum raten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute der EZB zu einer Zinssenkung. Die wirtschaftliche und monetäre Analyse der Lage und der Aussichten für den Euroraum sprächen dafür, den Schlüsselzins von 1,5 auf 1,0 Prozent zu senken, schrieben die Institute in ihrem Herbstgutachten.

Euro / US-Dollar
Euro / US-Dollar 1,17

Die EZB hatte die Zinsen in diesem Jahr im Kampf gegen die anziehende Inflation zwei Mal erhöht. Trotz der aufkommenden Rezessionssorgen hielt sie den Schlüsselzins Anfang des Monats konstant. Da aber nach Aussage des scheidenden EZB-Chefs Jean-Claude Trichet das Für und Wider einer Zinssenkung bereits eingehend besprochen wurde, schließen Experten eine geldpolitische Lockerung in den nächsten Monaten nicht aus.

Kritik wurde in dem Gutachten an der Praxis der EZB laut, Staatstitel von Schuldenländern aufzukaufen: "Die Mehrheit der Konsortien sieht in dem fortgesetzten Kauf von Staatsanleihen durch die EZB eine Überdehnung ihres Mandats." Dies gelte auch für andere unkonventionelle Maßnahmen. So akzeptiere die EZB Staatsanleihen Griechenlands, Portugals und Irlands trotz fehlender Bonität als Sicherheiten für Refinanzierungsgeschäfte. Mit ihrer unkonventionellen Geldpolitik verletze die Zentralbank "bisher gültige, zentrale geldpolitische Prinzipien".

Bonds im Nennwert von 160 Mrd. Euro

Zudem habe die EZB bisher nicht überzeugend argumentieren können, dass ihr Handeln unabweisbar gewesen sei, um einen Kollaps des Finanzsystems zu verhindern. "All dies hat die Berechenbarkeit und die bisher sehr hohe Glaubwürdigkeit der EZB beschädigt", urteilte die Mehrheit der Institute. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle, das mit Kiel Economics eine Bietergemeinschaft innerhalb der sogenannten Gemeinschaftsdiagnose bildet, widerspricht dieser Meinung: "Nach Ansicht des Konsortiums ergibt sich die Notwendigkeit für die Staatsanleihekäufe aus einer akuten Bedrohung der Stabilität des europäischen, möglicherweise sogar des weltweiten Banken- und Finanzsystems."

Da die schuldenbeladenen Eurozonen-Kernländer Italien und Spanien im Sommer ins Visier der Märkte geraten waren, hatte die EZB ihr Ankaufprogramm für Staatsanleihen wiederbelebt und damit die Zinskosten der beiden Südländer de facto gedrückt. Mittlerweile hat sie für mehr als 160 Mrd. Euro Staatstitel von Schuldenländern in ihren Büchern. Kritiker laufen Sturm gegen diese Käufe in der Grauzone zwischen Geld- und Fiskalpolitik. Die EZB hofft laut Vizepräsident Vitor Constancio darauf, diese Geschäfte einstellen zu können, sobald der Europäische Rettungsfonds (EFSF) mit den nötigen Kompetenzen zum Ankauf der Schuldenpapiere ausgestattet ist.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts

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