Vertrag für Krisenfonds ESM Euro-Finanzchefs einigen sich
23.01.2012, 23:50 Uhr
Der Rettungsfonds steht - erstmal.
(Foto: dapd)
Die EU-Finanzminister verständigen sich EU-Diplomaten zufolge auf den Vertrag für den künftigen Euro-Rettungsfonds ESM. Die Ausleihkraft liegt bei 500 Milliarden Euro, soll aber bis zum Inkrafttreten noch einmal geprüft werden. Zuletzt hat unter anderem IWF-Chefin Lagarde eine Aufstockung gefordert. Eine Extra-Wurst gibt es für Finnland.
Die Finanzminister des Eurogebiets haben sich auf den Vertrag für den künftigen Euro-Rettungsschirm ESM geeinigt. Der Krisenfonds soll am 1. Juli - und damit ein Jahr früher als ursprünglich geplant - starten und einen Umfang von 500 Mrd. Euro haben. Das berichteten Diplomaten bei einem Treffen der Euro-Kassenhüter in Brüssel. Im März wollen die EU-Staats- und Regierungschefs prüfen, ob die ESM-Obergrenze reicht. Dieser Überprüfungstermin war schon im vergangenen Jahr beschlossen worden.
Der ESM löst den im Sommer auslaufenden Hilfsfonds für klamme Eurostaaten (EFSF) ab. Als wichtige Neuerung wird er über ein Barkapital von 80 Mrd. Euro verfügen und damit unabhängiger von Bewertungen der Ratingagenturen werden. Deutschland muss davon einen Barbetrag von rund 22 Mrd. Euro stemmen und übernimmt Garantien in Höhe von 167 Mrd. Euro.
Italiens Regierungschef Mario Monti und die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, hatten zuvor eine Aufstockung des ESM auf eine Billion Euro angeregt. Damit würden Deutschland und die anderen Eurostaaten noch mehr belastet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine Aufstockung ab.
Diskussionen um Konditionen
Im Poker mit den privaten Gläubigern um die Entschuldung Griechenlands haben die Euro-Länder den Diplomaten zufolge günstigere Konditionen gefordert. Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos habe ein Modell vorgelegt, nach dem die Banken oder Versicherungen auf einen großen Teil ihrer Forderungen an Staatsanleihen verzichten und diese gegen neue Papiere mit 30 Jahren Laufzeit und einem Zins von vier Prozent tauschen. Die Euro-Finanzminister hätten dies als unzureichend abgelehnt und einen niedrigeren Zins gefordert.
Der freiwillige Forderungsverzicht der Gläubiger ist Voraussetzung des zweiten öffentlichen Hilfspakets für Griechenland über 130 Mrd. Euro. Mit dem Schuldenschnitt soll das Land in die Lage versetzt werden, auf lange Sicht seine Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen. Im Oktober hatten die Euro-Länder deshalb beschlossen, dass die Privatgläubiger auf 100 Mrd. Euro oder etwa die Hälfte des Wertes der Staatsanleihen in ihrem Besitz verzichten sollen. Der Schuldenberg soll damit von derzeit mehr als 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 120 Prozent bis 2020 gesenkt werden.
In EU-Kreisen hieß es weiter, die Euro-Länder, Griechenlands Geberstaaten, hielten inzwischen auch eine Marke etwas über 120 Prozent noch für vertretbar. Insgesamt ist das Land mit rund 350 Mrd. Euro verschuldetet, darunter auch bei der EZB.
Extra-Wurst für Finnland
Finnland hat in den Verhandlungen über den ESM-Vertrag eine Sonderregel für sich ausgehandelt. Dabei geht es um die Abstimmungsmehrheiten für dringende Entscheidungen bei der Vergabe von Finanzhilfen an hochverschuldete Euro-Länder, wie ein finnischer Diplomat sagte.
Im Prinzip läuft dies demnach darauf hinaus, dass Finnland sich an künftigen Hilfsprogrammen für angeschlagene Euro-Länder nicht gegen seinen Willen beteiligen muss. In einem Entwurf für den Vertrag des im Sommer in Kraft tretenden ESM-Fonds, über den die Finanzminister am Montagabend berieten, heißt es in dem Kapitel "Struktur und Abstimmungsregeln" unter Punkt Vier, dass Eilentscheidungen nach einem besonderen Verfahren getroffen werden können, wenn EU-Kommission und Europäische Zentralbank (EZB) die Eurozone in Gefahr sehen.
Solche Eilentscheidungen sollen demnach nicht einstimmig, sondern mit einer Mehrheit von 85 Prozent gemessen an dem Beitragsschlüssel getroffen werden können. Dies soll vermeiden, dass kleine Länder wichtige Entscheidungen verhindern. Deutschland hat das größte Stimmgewicht und kann die Vergabe von Hilfsgeldern blockieren. Finnland, ebenso wie Deutschland eines der wenigen Länder mit besonders hoher Kreditwürdigkeit, jedoch nicht.
"Der wichtigste Punkt für uns war, dass eine 85-Prozent-Mehrheit nicht eine Entscheidung treffen kann, die unsere Verantwortung und unserer Risiko gegen unseren Willen fordert", sagte der finnische Diplomat. Die Einigung sieht demnach vor, dass Finnland sich nicht an Hilfseinsätzen für Schuldenländer beteiligen muss, wenn es im Zuge einer Eilentscheidung überstimmt wurde. "Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis", fügte er hinzu. Ein EU-Diplomat bestätigte, dass die Sonderregel gegen den Willen Finnlands beschlossene Hilfsprogramme für das Land "finanziell unbedeutend" mache.
Quelle: ntv.de, sla/AFP/dpa