Weltbankchef kritisiert Euro-Rettung "Europa handelt immer zu spät"
17.06.2012, 10:52 Uhr
Europa muss bei der Euro-Rettung auf die Tube drücken, kritisiert Weltbank-Chef Robert Zoellick.
(Foto: picture alliance / dpa)
Vor dem G20-Gipfel wächst der Druck auf Angela Merkel: Europas Politiker handeln nicht schnellgenug, um die Euro-Krise zu lösen, kritisiert der Chef der Weltbank. Allen voran die deutsche Kanzlerin soll aufs Tempo drücken, meint Robert Zoellick – doch die steht mit ihrem strikten Sparkurs inzwischen ziemlich alleine da.
Kurz vor Beginn des G20-Gipfels in Mexiko hat Weltbankpräsident Robert Zoellick die Regierungschefs der Euro-Zone für ihr bisheriges Krisenmanagement gerügt. "Europas Politiker handeln immer einen Tag zu spät und versprechen einen Euro zu wenig", sagte Zoellick dem "Spiegel". Zur Bekämpfung der Schuldenkrise habe die Europäische Zentralbank zwar wiederholt für neue Liquidität gesorgt und dadurch Zeit erkauft. Die strukturellen Probleme würden dadurch aber nicht gelöst. Weiteres Zögern sei gefährlich, warnte der US-Amerikaner.
Die Euro-Schuldenkrise und der Streit um das richtige Krisenmanagement dürften auch den G20-Gipfel am Montag und Dienstag in Mexiko dominieren. Am Freitag sind in Rom zudem Beratungen der Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien geplant. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zuletzt verstärkt gegen Forderungen zur Wehr gesetzt, zur Bekämpfung der Schuldenkrise auch neue Instrumente wie etwa gemeinsame Anleihen der Euro-Länder oder einen Schuldentilgungsfonds einzusetzen. Frankreichs Präsident Hollande hat gefordert, den europäischen Fiskalvertrag durch einen Wachstumspakt zu ergänzen.
Merkel soll aufs Tempo drücken
"Wenn Europa weiter so schwächelt, wird es an globalem Einfluss verlieren. Dessen müssen sich Europas Führer bewusst sein", sagte Zoellick. Zur Finanzierung der Rettungspakete gebe es schließlich genug Ideen: "Es gibt den Vorschlag, Euro-Bonds für Schulden von bis zu 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auszugeben. Alles, was die Länder darüber hinaus ausgeben, ginge auf ihre eigene Rechnung." Europa könnte in diesem Fall von den USA lernen, fügte der gebürtige US-Amerikaner und ehemalige Goldman-Sachs-Manager hinzu. So hätten die Vereinigten Staaten nach dem Unabhängigkeitskrieg ein einziges Mal die Schulden aller Einzelstaaten übernommen, seitdem seien sie auf sich allein gestellt. "Europa könnte ein ähnliches System einführen", sagte Zoellick.
Der Weltbankchef betonte, letztlich sei vor allem das Tempo im Kampf gegen die Schuldenkrise entscheidend: "Es kommt mir nicht so sehr darauf an, welches Modell die Europäer wählen. Sie sollen sich nur für eines entscheiden. Und zwar schnell." Die deutsche Regierung solle dabei vorangehen, doch in anderer Form als bislang. "Deutschland muss weiterhin auf fiskalen und strukturellen Reformen in einem vereinigten Europa bestehen", sagte Zoellick. Aber die Regierung in Berlin müsse auch klar sagen, wie sie Staaten, die mitten in Reformen steckten, helfen wolle. "Deutschland leistet ja eigentlich sehr viel. Doch es stünde besser da, wenn es im Voraus genauer erläuterte, was für Hilfen es im Gegenzug für Reformen anbietet."
"Eurozone kann das Problem nicht lösen"
Auch der britische Finanzminister George Osborne ließ kein gutes Haar an der Krisenpolitik von Merkel. "Es ist ziemlich klar, dass die Euro-Zone nicht in der Lage gewesen ist, dieses Problem zu lösen - und es wird schlimmer", sagte Osborne. Mit der Wahl in Griechenland und den steigenden Zinsen für Spanien sei auch keine rasche Besserung in Sicht. Mit einer Lösung der Schuldkrise sei in den nächsten Monaten nicht zu rechnen. "Das wird uns den Sommer hindurch begleiten", sagte Osborne.
Mit Blick auf die griechische Parlamentswahl warnte er vor den Folgen eines unkontrollierten Austritts des hochverschuldeten Landes aus der Euro-Zone: "Das schlimmste für die Welt wäre ein griechischer Austritt ohne einen Plan, wie man mit den Ansteckungsgefahren umgehen will. Denn das wäre wie Lehman Brothers pleitegehen zu lassen und keinen Plan für den Tag danach zu haben."
Frankreich fordert einem Zeitungsbericht zufolge von der EU, bis Ende des Jahres ein 120 Mrd. Euro schweres Paket zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums auf den Weg zu bringen. Die Summe solle aus ungenutzten Mitteln des EU-Strukturfonds, aus projektgebundenen Anleihen und durch die Europäische Investitionsbank aufgebracht werden, berichtete die Zeitung "Journal du Dimanche" unter Berufung auf ein Papier der französischen Regierung. Hollande unterbreitete den EU-Partnern seine Vorschläge vor einigen Tagen.
Quelle: ntv.de, rts