Wirtschaft

Umstrittene Eurobonds Europa im Streit vereint

Erst war es der milliardenschwere Rettungsfonds, jetzt sind es gemeinsame europäische Staatsanleihen. Die EU streitet über die richtigen Mittel, um die Schuldenkrise zu bekämpfen. Deutschland wehrt sich nach Kräften gegen Eurobonds. Einigkeit in der Union? Fehlanzeige.

Angela Merkel und Jean-Claude Juncker

Angela Merkel und Jean-Claude Juncker

(Foto: REUTERS)

In der Krise zeigt sich der wahre Charakter. Und blickt man derzeit auf die Europäische Union, dann muss einem angst und bange um ihre Zukunft werden. Denn während einige Länder unter der Schuldenkrise taumeln und verzweifelt versuchen, das Vertrauen der Finanzmärkte zu gewinnen, streiten sich Regierungschefs, EU-Kommissare und EZB-Banker nach Kräften – derzeit um europäische Anleihen.

Im Moment geben alle Euro-Länder einzeln Staatsanleihen aus, um sich mit Geld zu versorgen. Je nach Haushaltslage und Stärke ihrer Wirtschaft zahlen sie dafür unterschiedlich hohe Zinsen. Während Deutschland in Europa die niedrigsten Zinsen zahlt, müssen Krisenländer wir Irland, Spanien, Portugal oder Griechenland ein Vielfaches des deutschen Satzes bezahlen.

Diese Zinsen sind für einige Länder mittlerweile so hoch, dass sie die Schuldenproblematik dieser Krisenstaaten extrem verschärfen. Aus diesem Grund wurde der milliardenschwere EU-Rettungsfonds ins Leben gerufen, den Irland jüngst in Anspruch genommen hat.

Ein Blick auf den Anleihenmarkt zeigt allerdings, dass dieser Rettungsschirm nicht ausreicht, um die Märkte zu beruhigen. Stattdessen wächst die Angst, dass nach Irland weitere Staaten in den Strudel aus steigenden Zinsen und Schulden geraten. An den Finanzmärkten wird spekuliert, der Bürgschaftsrahmen von noch knapp 700 Mrd. Euro werde nicht ausreichen, wenn auch ein großer Euro-Staat wie Spanien in die Klemme gerät.

Auch Deutschland soll bürgen

Und so schlagen Juncker und andere vor, so genannte Eurobonds einzuführen. Mitglieder der Eurozone könnten sich damit nicht nur über eigene, sondern auch über gemeinsame europäische Anleihen finanzieren.

Hinter diesen Bonds würden alle Länder der Eurozone stehen, also auch die finanziell soliden Staaten wie Deutschland. Deshalb läge der Zinssatz wahrscheinlich etwa beim Mittelwert der anderen europäischen Staatsanleihen. Für Länder wie Portugal, Spanien oder Irland würde das eine große Erleichterung bedeuten.

Das Problem ist allerdings, dass die Ausgabe von Eurobonds auch negative Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit finanziell solider Länder hätte, die dann für einen Großteil der Schulden anderer Länder haften. Auch Deutschland müsste deshalb sehr wahrscheinlich höhere Zinsen für Bundesanleihen zahlen als bisher. Wie hoch diese wären, ist zwar nicht zu sagen. Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass dies Deutschland Milliarden kosten würde.

In Berlin trifft die Einführung von Eurobonds deshalb auf wenig Gegenliebe. Gegen diese Anleihen sprächen ökonomische und juristische Gründe. Außerdem würde der Anreiz verschwinden, national die Haushaltsdisziplin einzuhalten.

Schäuble bringt politische Union ins Spiel

Die Befürworter von Eurobonds weisen darauf hin, dass nicht die gesamten nationalen Schulden, sondern nur ein Teil davon auf europäischer Ebene gebündelt und durch gemeinsame Anleihen refinanziert werden. Juncker spricht von höchstens 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Für den überwiegenden Teil ihre Staatsschulden sollen die Länder wie bisher alleine bürgen. Doch die Bundesregierung fürchtet, dass dies zu einem ständigen Streit über die Aufteilung zwischen "nationalen Schulden" mit hohen Zinsen und "Gemeinschaftschulden" mit niedrigeren Zinsen führen dürfte.

Für die Bundesregierung kommen Eurobonds nicht in Frage, weil es zwar bürgen müsste, aber keinen Einfluss auf die Haushaltsdisziplin der Schuldner hätte. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble betont, da in der Währungsunion die Finanzpolitik in nationaler Zuständigkeit blieb, seien Zinsunterschiede auf Staatsanleihen das einzige wirksame Instrument, um die Haushaltspolitik der Regierungen zu disziplinieren. Eine gemeinsame Schuldenfinanzierung der Euro-Länder könne es deshalb erst im Rahmen einer künftigen politischen Union in Europa geben. In dem Fall müssten nationale Parlamente ihr Budgetrecht an die EU abgeben.

Doch ob es jemals soweit kommt, ist ungewiss. Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz schlägt deshalb vor, den Stabilitätspakt zu verschärfen und Sanktionen bei finanzpolitischen Fehlverhalten zu verhängen.

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger unterstützt dagegen Junckers Vorstoß. Eurobonds würden die Differenzierung zwischen starken und schwachen Ländern aufheben, lautet sein Argument. Nur so könne man die Währungsunion erhalten. Gerade Deutschland habe ein vitales Interesse daran, dass der Euro bestehen bleibt. "Und deswegen sollten wir auch bereit sein, im Zweifelsfall dafür etwas zu bezahlen und über den einen oder anderen Schatten zur springen".

Ob das durch Eurobonds oder auf andere Weise geschieht, ist nebensächlich. Derzeit geht es um nichts weniger als die Zukunft des Euro und der Europäischen Union. Auch die Bundesregierung muss sich schnellstens die Frage beantworten, ob es sich dafür nicht zu kämpfen lohnt.

Quelle: ntv.de, mit rts/dpa

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