Keine "harte Landung" in China Europäern droht der Rückfall
24.10.2011, 14:04 Uhr
Die USA darben, Europa kämpft, China wächst.
(Foto: REUTERS)
Eine Routinebefragung unter europäischen Einkaufsmanagern sorgt unter Ökonomen für Unruhe: Experten zufolge verheißen die Antworten aus der Praxis nichts Gutes: Gestützt auf die Oktober-Daten sehen sie die Eurozone bereits auf dem Weg in die Rezession. In China dagegen verströmt die Industrie Zuversicht. Die Inflationsrate sinkt. Die Zeit der Zinssenkungen rückt näher.
Die Wirtschaft in der Eurozone stehen schwierige Zeiten bevor: Die Stimmung in den beiden wichtigsten Sektoren Industrie und Dienstleistungen trübt sich im Oktober so deutlich ein wie seit über zwei Jahren nicht mehr.

Europa ringt mit der Schuldenkrise: Zinssenkungen sollen den Konjunkturknoten lösen.
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Der Einkaufsmanagerindex für die gesamte Privatwirtschaft fiel um 1,9 auf 47,2 Zähler, teilte das Markit-Institut mit. Damit rutschte das stark beachtete Barometer weiter unter die Marke von 50 Punkten, ab der Wachstum signalisiert wird. "Die meisten Indikatoren deuten an, dass es in den kommenden Monaten eher schlechter als besser werden wird", sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. Als Hauptgrund nannte er die Verunsicherung durch die Schuldenkrise. Viele Kunden stellten ihre Investitionen vorsichtshalber zurück.
Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie fiel um 1,2 auf 47,3 Punkte und damit auf den schlechtesten Wert seit Juli 2009. Die Aussichten auf eine rasche Besserung stehen nicht gut: Die Aufträge gingen so stark zurück wie seit knapp zweieinhalb Jahren nicht mehr.
Das Barometer für die Dienstleistungsbranche gab um 1,6 auf 47,2 Punkte nach. Keiner der im Vorfeld befragten Analysten hatte damit gerechnet, dass dieser Wert so deutlich unter die wichtige 50-Punkte-Marke abrutschen würde.
"Zunehmend düster"
Viele Experten rechneten deshalb mit einer Rezession in der Eurozone, erklärte der Markit-Ökonom. "Für das Schlussquartal sieht es zunehmend düster aus", bestätigte Commerzbank-Analyst Christoph Weil. Sein Haus rechnet mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent. Für 2012 sei eine Stagnation zu befürchten. "Doch selbst dies setzt voraus, dass die Staatsschuldenkrise nicht eskaliert", sagte Weil. "Kommt es zu einem Unsicherheitsschock wie nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers, würde die Euro-Wirtschaft wohl auch im Jahresdurchschnitt 2012 deutlich schrumpfen."
Am Markt stellen sich daher immer mehr Beobachter auf eine baldige Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) ein. Der neue Notenbankpräsident Mario Draghi werde nach seinem Amtsantritt im November wohl versuchen müssen, Investitionen und Konsum in der Eurozone mit billigerem Geld durch eine Zinssenkung anzuschieben. "Wir gehen davon aus, dass die EZB ihren Leitzins Anfang kommenden Jahres auf 1,0 Prozent senken wird", sagte Ben May von Capital Economics. Derzeit liegt er bei 1,5 Prozent.
Einen Lichtblick hatten zuvor allerdings Konjunkturindikatoren aus der chinesischen Wirtschaft geliefert: Die Wachstumslokomotive China hat im Oktober wieder Fahrt aufgenommen. Die chinesische Industrie steigerte nach drei schwächeren Monaten in Folge erstmals wieder ihre Geschäftstätigkeiten, nachdem die Nachfrage auf dem Heimatmarkt ebenso angezogen hatte wie die Nachfrage aus weiteren Schwellenländern.
Zuversicht in China
Der HSBC-Einkaufsmanagerindex kletterte um 1,2 auf 51,1 Punkte, teilte die Großbank mit. Das Konjunkturbarometer der HSBC funktioniert ähnlich wie der Markit-Index: Ab 50 Zählern signalisiert das Barometer zur Lage in der Industrie Wachstum. "Die Daten bestätigen unsere Einschätzung, dass China keine harte Landung droht", sagte HSBC-Ökonom Qu Hongbin.
China steht aufgrund seiner Größe und seiner Bedeutung für die Weltwirtschaft unter verschärfter Beobachtung: Das hatte im dritten Quartal auf 9,1 Prozent nachgelassen, nachdem es zu Jahresbeginn noch 9,7 Prozent waren. Der Exportweltmeister bleibt aber anfällig, weil die wichtigsten Kunden des Landes in Schwierigkeiten stecken: Die USA kämpfen gegen eine Konjunkturflaute und die hartnäckig hohe Arbeitslosigkeit, während die Eurozone um einen Ausweg aus der Schuldenkrise ringt.
Dafür ließ in China der Inflationsdruck etwas nach: Die steigenden Prise für Energie und vor allem Nahrungsmittel belastet die Kaufkraft der Verbraucher und bereitet den Machthabern in Peking erhebliche Sorgen: Seit Monaten versuchen die Wirtschaftslenker der Kommunistischen Partei gegenzusteuern.
Im September fiel die Teuerungsrate auf 6,1 Prozent. Experten rechnen für November und Dezember mit einem Rückgang auf unter 5 Prozent. Damit steigen die Chancen, dass die Zentralbank ihren Leitzins senkt und der Wirtschaft mit billigerem Geld neue Impulse verleiht. "Wir müssen aber voraussichtlich bis Jahresende abwarten, bis wir eine Lockerung der Geldpolitik sehen werden", sagte der Chefvolkswirt von Citic Securities, Zhu Jianfang.
Quelle: ntv.de, mmo/rts