Wirtschaft

Codename Omega Ex-HSH-Chef Nonnenmacher vor Gericht

Vor Gericht: Dirk-Jens Nonnenmacher, Ex-Chef der HSH Nordbank.

Vor Gericht: Dirk-Jens Nonnenmacher, Ex-Chef der HSH Nordbank.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Hamburg muss sich ein kompletter Bankvorstand wegen eines zweifelhaften Geschäfts in der Finanzkrise vor Gericht verantworten. Den ehemaligen Managern der HSH Nordbank drohen Haftstrafen - ob die Banker um Ex-Vorstandschef Nonnenmacher in dem Mammutverfahren aber verurteilt werden, ist alles andere als sicher.

Sechs Männer sind  in Hamburg vor ihre Richter getreten. Vor fünfeinhalb Jahren bildeten sie den Vorstand der HSH Nordbank, jetzt sind sie wegen Untreue in einem besonders schweren Fall angeklagt und müssen sich für einen Schaden im dreistelligen Millionenbereich verantworten.

Der prominenteste Angeklagte heißt Dirk Jens Nonnenmacher. Er stand vom November 2008 bis März 2011 an der Spitze der HSH Nordbank und polarisierte die Öffentlichkeit wie kaum ein zweiter Banker. Der Mathematik-Professor stand in der Kritik, weil er auf vereinbarten Bonuszahlungen bestand und eine Abfindung in Millionenhöhe kassierte. In seiner Amtszeit verstrickte sich die Bank in eine Reihe von Affären. Ein Vorstand wurde zu Unrecht entlassen, ein anderer hoher Mitarbeiter in New York mit falschen Kinderporno-Vorwürfen konfrontiert.

Am Ende musste Nonnenmacher auf Druck der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein gehen, obwohl Aufsichtsratschef Hilmar Kopper lange an ihm festhielt. In seiner Zeit als Vorstandschef konnte er die Bank wirtschaftlich stabilisieren. "Ohne Nonnenmacher würde es die HSH Nordbank wohl heute nicht mehr geben", sagt ein Spitzenmann aus der Hamburger Schifffahrtsszene. Hilmar Kopper ging noch weiter: "Nonnenmacher hat die Bank gerettet. Eigenhändig. Mit einem Minimum an barem öffentlichem Geld. Dafür hätten sie ihm ein Denkmal setzen können", sagte er der "Zeit". Der frühere Vorstandssprecher der Deutschen Bank war im Februar bei der Landesbank als Aufsichtsratschef abgelöst worden.

Millionenschweres Risiko

Vor Gericht ist der ehemalige Vorstand mit dem Kürzel "Dr. No" einer von sechs. Angeklagt ist der gesamte Vorstand für ein riskantes Geschäft aus dem Dezember 2007, als Nonnenmacher öffentlich noch unbekannt war und dem Gremium erst einige Wochen angehörte. Er rückte erst ein knappes Jahr später an die Spitze der Bank, als die Finanzkrise auf ihren Höhepunkt zusteuerte, und riesige Verluste das Institut fast in den Abgrund gerissen hätten. Die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg mussten die HSH Nordbank vor der Pleite retten.

Vorstandschef zur Zeit des sogenannten Omega-Geschäfts war Hans Berger, ein Landesbanker aus Kiel. Er trägt - ebenso wie die langjährigen Vorstände Peter Rieck und Hartmut Strauß - weit mehr Verantwortung für die Geschäftspolitik der HSH Nordbank in den Jahren vor der Finanzkrise. Die Bank pumpte sich voll mit günstiger Liquidität, so lange noch die Länder für die Bank hafteten. Das Geld wurde dann zum Teil nicht in das klassische Kreditgeschäft investiert, sondern in neuartige Finanzprodukte, die hohe Zinsen abwarfen – sich später aber als hochriskant und verlustreich erwiesen.

Nachdem die Bank schon einige Jahre auf diesem Weg vorangeschritten war, billigten die Vorstände im Umlaufverfahren, also ohne große Debatte, das umstrittene Geschäft "Omega 55". Damit gingen sie ein Risiko von mindestens 400 Mio. Euro ein.

Umstrittene Zweckgesellschaft

Omega ist der Name einer Zweckgesellschaft, die von der HSH Nordbank gemeinsam mit der französischen Großbank BNP Paribas gegründet worden war. In dieses Finanzvehikel hatte die HSH Immobilienkredite im Volumen von zwei Mrd. Euro eingebracht und musste sie dadurch nicht mehr mit Eigenkapital unterlegen - nach Ansicht von Finanzexperten ein nicht unübliches Geschäft.

Die Staatsanwaltschaft vermutet dahinter die Absicht, die Eigenkapitalquote der HSH vor einem für 2008 geplanten Börsengang "zu optimieren". Dafür sei die Bank bereit gewesen, hohes Risiko einzugehen. Denn das Geschäft mit der BNP hatte noch eine andere Seite: Im Gegenzug zu den Immobilienkrediten musste die HSH das Risiko für ein Wertpapierportfolio der französischen Bank übernehmen, das unter anderem isländische Anleihen und Zertifikate der US-Bank Lehman Brothers enthielt, die die BNP loswerden wollte. Die Papiere verloren in der Finanzkrise massiv an Wert, woraufhin die HSH eine halbe Milliarde Euro abschreiben musste. Die Belastungen hatten beinahe zur Pleite der Hamburger Bank geführt und kosteten den damaligen HSH-Chef Hans Berger den Job. An seine Stelle rückte im Herbst 2008 Nonnenmacher, der zuvor Finanzvorstand war und Teile der Transaktion gegengezeichnet hatte.

"Das konnte nur passieren, weil die Kultur der Bank zu diesem Zeitpunkt das zuließ", heißt es aus Kreisen des Aufsichtsrats mit Blick auf das Geschäft. Soll heißen: Das Risikomanagement hat versagt. Die regionale norddeutsche Bank drehte ein viel zu großes Rad. In dem Prozess dürfte es allerdings auch darum gehen, wie stark der Druck der Anteilseigner war, die Bank an die Börse zu bringen.

Angeklagte wehren sich

Werden die ehemaligen Vorstände verurteilt, drohen ihnen Strafen von bis zu zehn Jahren Haft. Allerdings werden Verfahren nicht selten gegen Geldauflagen eingestellt, weil Untreue juristisch oft unterschiedlich bewertet wird. Für die Angeklagten hätte der Fall womöglich auch dann weitere Folgen: Denn ihr früherer Arbeitgeber will den Ausgang des Verfahrens genau verfolgen und prüfen, ob sich Ansatzpunkte für Schadenersatzansprüche ergeben.

Alle sechs weisen den Vorwurf zurück und betonen, ihre Pflichten als Vorstände gewissenhaft erfüllt zu haben. Es habe sich um bankübliche Geschäfte gehandelt, argumentiert Nonnenmachers Anwalt Heinz Wagner. Im Zentrum des Prozesses werde die Frage stehen, ob die Angeklagten ein unvertretbares wirtschaftliches Risiko eingegangen seien. Davon könne nicht die Rede sein, betont der Rechtsanwalt.

Das Gericht wird monatelang verhandeln, ehe es ein Urteil fällt. Mehr als 40 Prozesstermine bis in den Januar sind schon festgelegt. Anfang 2010 wurden die Omega-Geschäfte aufgelöst. Bis dahin hatten die Papiere ihre Verluste zum Teil aufgeholt, wodurch sich die Abschreibungen etwa auf die Hälfte reduzierten. Den Schaden beziffert die Staatsanwaltschaft auf 158 Mio. Euro.

Das Verfahren ist einer der wenigen Prozesse in Deutschland, in dem sich Bankvorstände für ihr Verhalten in der Finanzkrise verantworten müssen. Der Ex-Chef der beinahe Pleite gegangenen Mittelstandsbank IKB, Stefan Ortseifen, wurde 2010 wegen Marktmanipulation zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf wurde 2011 vom Bundesgerichtshof bestätigt. In München läuft ein Schadenersatzprozess der BayernLB gegen frühere Vorstände wegen des Kaufs der österreichischen Krisenbank Hypo Alpe Adria. Ein Strafprozess wegen Untreue könnte folgen. Über die Zulassung einer Anklage hat das Münchener Landgericht noch nicht entschieden.

Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa

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