Zweifel an der Euro-Rettung Experten zerlegen die Paris-Pläne
17.08.2011, 11:48 Uhr
Merkel und Sarkozy preschen vor: Was heißt das für die Märkte?
(Foto: AP)
Die deutsch-französischen Vorschläge in Richtung Wirtschaftsregierung sorgen für Aufsehen: Volkswirte werten die Pläne von Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy als ebenso überraschende wie vage Flucht nach vorn. Börsianer fürchten dagegen vor allem den geplanten "Straf-Zuschlag für den Finanzsektor". In einem Punkt scheinen sich die Experten einig: Sie vermissen ein klares Signal für Eurobonds.
Deutschland und Frankreich treiben den europäischen Einigungsprozess mit großen Schritten voran. Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlern Angela Merkel haben sich auf Vorschläge geeinigt, die weitreichende Veränderungen für alle Mitgliedsstaaten der Eurozone umfassen.
Die Einführung von Eurobonds schlossen beide zunächst aus. Ein solcher Schritt könnte höchstens am Ende der europäischen Integration stehen, betonte Sarkozy. Er erteilte zugleich der Aufstockung des Euro-Rettungsschirms EFSF eine Absage.
Die Ergebnisse des deutsch-französischen Krisentreffens in Paris rief unter Volkswirten, Beobachtern und Händlern ein geteiltes Echo hervor. "Die meisten Marktteilnehmer hatten vom Treffen keine signifikante Fortschritte in der Frage der Schuldenkrise erwartet, aber ebenso wenig das Wiederauftauchen der Idee einer Finanztransaktionssteuer", sagte Jonathan Sudaria, Händler beim Brokerhaus Capital Spreads, in einer ersten Reaktion. "Dieser Straf-Zuschlag wird den Finanzsektor wohl zusätzlich belasten", befürchtete der Marktteilnehmer. "Allein die Tatsache, dass dieses Thema im Rahmen eines Treffens vorgebracht wurde, dass dazu gedacht war, das Vertrauen wiederherzustellen, stellt das Krisenmanagement und die Strategie infrage."
Den Realitätssinn der Märkte überschätzt?
Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, lobte dagegen den Auftritt der Kanzlerin. "Frau Merkel blieb sich gestern treu", sagte Hellmeyer. "Eurobonds werden weiter abgelehnt." Sowohl Merkel als auch Sarkozy hätten betont, dass Eurobonds die Schuldenkrise nicht lösen würden, hob der Ökonom hervor. "Das ist faktisch richtig. Der Bond ist nicht die Lösung, da die Lösung nur durch Reformen in den Defizitländern erbracht werden kann." Die Einführung einer gemeinsamen Euro-Anleihe bezeichnete er als "geeignetes Mittel", die Reformpolitik der betroffenen Länder "von dem latenten Spekulationsdruck zu befreien, der seit 18 Monaten kontraproduktive Wellen erzeugt".
Dieser Effekt untergrabe den Erfolg der Reformen, warnte Hellmeyer. Eine klares Signal für Eurobonds hätte der Spekulation "unserer 'Freunde' den Spielplatz entzogen". Damit bezog sich Hellmeyer offensichtlich auf den Einfluss negativer Übertreibungen durch Spekulanten. Merkel und Sarkozy setzten mit ihrer Agenda dagegen auf einen Realitätssinn der Märkte, der die letzten 18 Monate nicht erkennbar gewesen sei.
Bei der HSH Nordbank konzentrierte man sich zunächst auf die unmittelbaren Marktreaktionen. "Das Bekenntnis zur gemeinsamen Währung wurde noch positiv aufgenommen", schrieben die HSH-Analysten in einem Marktkommentar. "Die Ideen einer aus den Staats- und Regierungschefs bestehenden Wirtschaftsregierung für die Eurozone und einer in den jeweiligen Verfassungen festgeschriebenen Schuldenbremse sind wichtige Grundlagen für eine einheitliche Fiskalpolitik." Das Ausbleiben mutiger und auch kurzfristig wirksamer Schritte gegen die Schuldenkrise werde für eine Kehrtwende am Rentenmarkt sorgen. "Gerade die Absage an die in den letzten Tagen überall diskutierten Eurobonds, keine Ausweitung des Rettungsfonds EFSF und der Wille, eine Finanztransaktionssteuer voranzutreiben, haben die Marktteilnehmer merklich verunsichert."
Dem Problem an die Wurzel
Ähnlich äußerte sich Aktienstratege Ralf Grönemeyer von Silvia Quandt Research. "Das war nicht die erwartete Erweiterung des EFSF bezüglich Volumen und Handlungsspielraum. Vielmehr war es ein Signal an die Märkte, dass man eine umsichtige Lösung für eine der Wurzeln der Krise sucht - die fehlende wirtschaftliche Integration. Eurobonds stünden bislang nicht auf der Agenda. "Wir betrachten die wirtschaftliche Koordinierung als eine unabdingbare Voraussetzung für eine politische Zustimmung zu Eurobonds."
Deutlich kritischer fiel der Devisen-Kommentar der Commerzbank aus. "Die Ergebnisse sind mau und dürften dem Euro kaum Rückenwind bringen", schrieben die Experten des zweitgrößten deutschen Kreditinstituts. Zwar hätten die beiden Regierungschefs einen der großen Schwachpunkte der Währungsunion adressiert und eine gemeinsame Wirtschaftsregierung im Euroraum vorgeschlagen. Doch aus den Vorschlägen sei nicht zu erkennen, was diese Wirtschaftsregierung anderes sein kann, als ein normaler EU-Gipfel. Schließlich sei bislang lediglich vorgesehen, dass sie sich aus den Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Länder zusammensetzen und planmäßig zweimal im Jahr zusammenkommen soll.
Kühner Vorstoß oder bloße Vision?
"Wie bisher also werden unterschiedliche Vorstellungen nur schwer in einen substanzvollen Kompromiss umgewandelt werden können", hieß es im Coba-Kommentar. "Auch die vorgeschlagene Aufnahme einer Schuldenbremse in die Verfassungen aller Euro-Mitgliedsländer erscheint zunächst sinnvoll, birgt aber umfangreiche Umsetzungsprobleme." Besonders negativ falle ins Gewicht, dass Merkel und Sarkozy "die kurzfristigen Probleme der Währungsunion" nicht angesprochen hätten.
In dieselbe Kerbe schlägt Devisenanalyst Ralf Umlauf. "Das Treffen von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy endete ohne Bekenntnis zur schnellen Einführung von europäischen Gemeinschaftsanleihen", fasst er das in seinen Augen wichtigste Ergebnis zusammen. "Man konzentrierte sich auf die laufenden Hilfs- und Rettungsmaßnahmen, und letztlich scheint nur eine Intensivierung der europäischen Zusammenarbeit ein möglicher weiterer Schritt in der Krisenbekämpfung zu sein." Die Finanzmärkte bleiben verunsichert, hält Umlauf fest. "Nicht zuletzt auch wegen der Konjunktursorgen."
Quelle: ntv.de, mmo/rts