Mauscheleien vor Börsengang? Anleger verklagt Facebook
23.05.2012, 16:21 Uhr
Statt anfänglicher Begeisterung am Facebook-Börsengang beginnt nun ein juristischer Schlagabtausch.
(Foto: AP)
Kein anderer Börsengang der vergangenen Jahre beschert Anlegern so dicke Verluste wie der von Facebook. Viele fühlen sich vom Internetriesen und US-Banken abgezockt, weil ihnen Informationen unterschlagen wurden. Ein Anleger reicht nun Klage ein, auch die US-Börsenaufsicht ermittelt bereits. Für Facebook-Gründer Zuckerberg geht der Börsengang damit wohl vor Gericht weiter.
Der verpatzte Börsengang von Facebook wird zum Fall für Aufsichtsbehörden und Gerichte. Die Kanzlei Glancy Binkow & Goldberg aus Los Angeles reichte Klage vor einem kalifornischen Gericht ein. Die Anwälte werfen Facebook und den Banken im Namen ihres Mandanten vor, die Börsenunterlagen schlampig zusammengestellt und wichtige Informationen zum Geschäft und dessen Aussichten verschwiegen zu haben. Die Kanzlei fordert Wiedergutmachung im Namen aller Geschädigten. Die US-Börsenaufsicht SEC will die Umstände der Aktienplatzierung nun untersuchen. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg muss sich demnach auf einen juristischen Schlagabtausch einstellen.
Die Anwälte werfen der Gegenseite insbesondere vor, verheimlicht zu haben, dass die beteiligten Banken kurz vor dem Börsengang ihre Gewinnprognosen für das Soziale Netzwerk gesenkt hatten. Namentlich werden Morgan Stanley, JP Morgan Chase und Goldman Sachs aufgeführt. Das sind die drei sogenannten "Lead Underwriter", also die wichtigsten Organisatoren des Börsengangs.
Warnung nur an ausgewählte Kunden
Bei ihren Vorwürfen stützen sich die Anwälte auf US-Medienberichte. Demnach haben nur eine Handvoll ausgewählter Kunden der Banken von den gesenkten Erwartungen an das künftige Facebook-Geschäft erfahren. Entsprechend vorsichtig seien diese Kunden dann beim Kauf von Facebook-Aktien gewesen. Alle anderen Anleger waren dagegen von der Einschätzung der betreuenden Banken ausgeschlossen. Die Facebook-Hauptbank Morgan Stanley erklärte, alle Regularien eingehalten zu haben.
Das Blog "Business Insider" ging in seiner Kritik sogar noch einen Schritt weiter: Ein Facebook-Manager habe den Analysten dazu geraten, ihre Vorhersagen nach unten zu korrigieren, hieß es unter Berufung auf eine ungenannte Quelle.
Damit wirkt der Vorwurf, die Banken hätten sich bei der Nachfrage verschätzt und zu viele Papiere auf den Markt geworfen, noch am harmlosesten. Ursprünglich hatte Facebook einen Stückpreis zwischen 28 und 35 Dollar angepeilt. Dann jedoch stockte das Unternehmen den Ausgabepreis und die Zahl der Aktien kräftig auf - was sich nun als fataler Fehler herausstellt. Nach Informationen des "Wall Street Journal" war es die Entscheidung von Facebook-Finanzchef David Ebersman, die Zahl der angebotenen Aktien um ein Viertel zu erhöhen. Zuvor habe ihm Morgan Stanley allerdings versichert, dass die Nachfrage sehr hoch sei.
Weitere Kursverschlechterung in Aussicht
Die Aktie setzte indes ihre Talfahrt weiter fort: Am dritten regulären Handelstag sackte sie um rund 9 Prozent auf 31 Dollar ab. Während Facebook und die Alteigentümer beim Börsengang 16 Mrd. Dollar einnahmen, verlor ein Investor, der ihnen die Aktien zum Ausgabepreis von 38 Dollar abgekauft hatte, bislang 18 Prozent seines Geldes.
Das weltgrößte Online-Netzwerk mit seinen inzwischen mehr als 900 Mio. Mitgliedern legte somit einen der übelsten Börsengänge der vergangenen Jahre hin. Nach Daten des Anbieters Dealogic ist kein anderer US-Börsengang im Milliardenbereich seit fünf Jahren so miserabel gelaufen. Lediglich der Vermögensverwalter Och-Ziff, der 2007 innerhalb von drei Handelstagen auf ein Kursminus von 13 Prozent gekommen war, reicht in die Nähe des Facebook-Absturzes. Der Spieleentwickler und enge Facebook-Partner Zynga verlor 8 Prozent.
Die Technologiebörse Nasdaq gestand nun auch noch ein, sie hätte den Börsengang lieber abgeblasen, wenn ihr vorher das gesamte Ausmaß der technischen Probleme bewusst gewesen wäre. Wegen der Fehlfunktion wussten Anleger am Tag des Börsengangs zum Teil über Stunden nicht, ob ihre Aufträge erfüllt worden waren.
Quelle: ntv.de, dpa