Brandherd im Dreamliner-Heck Experten prüfen 787-Notfallsender
16.07.2013, 14:58 Uhr
Vorzeigemaschine des US-Flugzeugbaus in den Farben der Ethiopian Airlines: Die neue Feuergefahr beunruhigt Kunden und Aktionäre.
(Foto: dpa)
Nach dem mysteriösen Dreamliner-Brand in London nehmen Ermittler ein bislang unauffälliges Bauteil im Heck der Prestigemaschine ins Visier. Wenn die Verdachtsmomente sich bestätigen, dürften bei Boeing nicht nur die Ingenieure aufatmen.

Die "Queen of Sheba" auf dem Schaumteppich der Flughafenfeuerwehr in Heathrow: Das Feuer hinterließ auf der Außenhaut deutliche Brandflecken.
(Foto: Reuters)
Auf der Suche nach der Brandursache an Bord einer Maschine der Ethiopian Airlines vom Typ Boeing 787 "Dreamliner" in London konzentrieren sich die Untersuchungen offenbar auf ein Gerät des US-Konzerns Honeywell. Das Hauptaugenmerk der Ermittler liege mittlerweile auf einem im hinteren Flugzeugrumpf eingebauten Notfallsender, verlautete aus dem Umfeld der Untersuchungen.
Bei der fraglichen Notfunkbake handelt es sich um einen sogenannten "Emergency Locator Transmitter" (ELT) mit einer unabhängigen Stromversorgung. Das kompakt gebaute Gerät soll dazu dienen, Rettungskräften im Krisenfall die Ortung der Maschine zu erleichtern.
Honeywell wurde nach eigenen Angaben zur Mitarbeit bei den Ermittlungen in London aufgefordert. Es sei aber noch zu früh, um über eine Brandursache zu spekulieren. Boeing lehnte eine Stellungnahme ab. Honeywell erklärte nur, es habe bislang keine Probleme mit dem in der 787 verwendeten Peilsender gegeben.
Die US-Luftfahrtbehörde FAA hatte allerdings bereits im Jahr 2009 Fluggesellschaften empfohlen, einen bestimmten Honeywell-Notsender auszutauschen, weil er in Erprobungen versagte. Eine Feuergefahr wurde damals nicht festgestellt. Honeywell erklärte nun, man überprüfe, ob es sich bei den Sendern von damals und heute um die gleichen Geräte handele.
Brandgefährliche Akku-Chemie?
Die Stromversorgung der Notfunkbake an Bord der 787 basiert auf einer Lithium-Mangandioxid-Batterie, hieß es aus London weiter. In Fachkreisen und am Aktienmarkt dürfte das Befürchtungen mildern, Boeing könne auf neue Schwierigkeiten mit den Bordstromakkus im Dreamliner gestoßen sein. Bei diesen Hochleistungsstromspeichern handelt es sich um Lithium-Ionen-Batterien.
Der Luftfahrtexperte John Hansman vom Massachusetts Institute of Technology sagte, theoretisch könne das fragliche Bauteil von Honeywell tatsächlich in Brand geraten. Es sei aber unwahrscheinlich, dass es eine Fehlfunktion gegeben habe. Genauso gut könne ein Passagier in einer Toilette geraucht haben. Die Glut der Zigarette könnte sich dann über Stunden ausgebreitet haben, sagte der Experte.
Mit Blick auf den bislang mysteriösen, jüngsten Kabinenbrand hatte die britische Verkehrsbehörde AAIB bereits am Wochenende erklärt, der Brand der 787 auf dem Flughafen Heathrow sei nicht durch die Bordstrom-Batterien verursacht worden. Es dürfte Tage oder Wochen dauern, bis die Ursache endgültig feststeht, hieß es. Aus Ermittlerkreisen verlautete allerdings, ein Zwischenbericht könnte noch in dieser Woche veröffentlicht werden.
Feueralarm in Heathrow
Die parkende Maschine der Ethiopian Airlines hatte am vergangenen Freitag Feuer gefangen. Anders als in den vorherigen Fällen befand sich die Maschine weder in der Luft noch in Betriebsbereitschaft, sondern stand vorübergehend abgestellt in Parkposition. Deutliche Brandspuren am Kabinendach im Heckbereich des betroffenen Dreamliners der Ethiopian Airlines deuteten bereits auf eine bislang unbekannte Fehlerquelle abseits der Hauptbatterien hin. Diese befinden sich in robusten Stahlbehältern im Bug und kurz hinter der Rumpfmitte des Flugzeugs.
Passagiere befanden sich während des Brands nicht an Bord. Die Flughafenfeuerwehr konnte das Feuer schnell ersticken. Aus Sicherheitsgründen wurde das Rollfeld unter der Maschine mit einem Schaumteppich abgedeckt, um ein etwaiges Überspringen der Flammen auf die Treibstofftanks im vorderen Rumpfteil und in den Flügeln zu verhindern.
Angst vor der Zwangspause
Zu Jahresbeginn hatten mehrere Zwischenfälle mit Lithium-Ionen-Batterien an Bord verschiedener Dreamliner für erhebliche Unruhe gesorgt - und Boeing-Kunden eine mehrmonatige, überaus kostspieligen Zwangspause eingebrockt. Der Betreiber der betroffenen Maschine Ethiopian erklärte vorsorglich, ihre 787-Maschinen trotz des aktuellen Vorfalls weiter im Flugbetrieb halten zu wollen. Die Fluggesellschaft mit Sitz in Addis Abeba betreibt derzeit insgesamt vier Maschinen vom Typ 787-8 - neun weitere Dreamliner sind bereits fest bestellt.
Investoren zeigten sich zu Wochenbeginn von den Entwicklungen beruhigt: Der Börsenkurs der Boeing-Aktie konnte bereits im europäisch geprägten Handel seine Verluste vom vergangenen Freitag fast komplett wieder ausgleichen. Neben Ethiopian kündigten die Tui-Tochter Thomson Airways, die US-Gesellschaft United Continental und die polnische Lot an, ihre Dreamliner weiter in der Luft lassen zu wollen.
Boeing setzt bei seinem spritsparenden Prestigemodell 787 zahlreiche neuartige Bauteile ein. Nach umfangreichen Ermittlungen im Zusammenhang mit den offenbar brandgefährlichen Lithium-Ionen-Akkus wurden die Stromspeicher ausgetauscht. Im April erneuerten die Aufsichtsbehörden die Betriebserlaubnis. Erst im Mai wurden nach der mehrmonatigen Unterbrechung wieder Dreamliner an Kunden ausgeliefert.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts