Wirtschaft

Zweifel an Deutschlands Stärke Forscher erwarten Dämpfer

Containerterminal  in Hamburg: Wie weit trägt der Aufschwung?

Containerterminal in Hamburg: Wie weit trägt der Aufschwung?

(Foto: picture-alliance / dpa)

Die unerwartet starke Erholung der deutschen Wirtschaft wird sich im kommenden Jahr wohl deutlich abschwächen. Darin sind sich die Ökonomen der beiden Wirtschaftsforschungsinstitute DIW und IMK weitgehend einig. Mit ihren Ratschlägen an die Adresse der Bundesregierung stehen sich die Experten aber unversöhnlich gegenüber.

Legt Hand an die Mehrwertsteuer: DIW-Präsident Klaus Zimmermann.

Legt Hand an die Mehrwertsteuer: DIW-Präsident Klaus Zimmermann.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der Aufschwung in Deutschland setzt sich nach Ansicht des DIW-Instituts im kommenden Jahr fort, verliert dann aber deutlich an Kraft. Für 2012 sagen die Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ein Anziehen der Konjunktur um 1,3 Prozent voraus. Im laufenden Jahr rechnen die DIW-Ökonomen mit einem Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent.

Etwas optimistischer fällt die Prognose des IMK-Instituts aus. Die Forscher des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) rechnen für 2011 mit einem Wachstum von 2,5 Prozent. Trotz der nur leicht abgeschwächten Erholung bleibe Deutschland jedoch besonders anfällig für Erschütterungen aus der Eurokrise, warnten die IMK-Forscher. Das Wachstum sei nach wie vor nicht selbsttragend, schätzen sie die Lage ein. Die starke deutsche Konjunkturerholung sei lediglich ein Effekt der weltwirtschaftlichen Belebung. Der Aufschwung basiere auf Konjunkturprogrammen, deren Wirkung auslaufe. Zudem schwäche sich auch die Weltkonjunktur leicht ab.

Krisenherd Staatsverschuldung

Zur Lösung der Eurokrise fordern die Experten des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts unter anderem eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirms und einen stärkeren Ankauf von Euro-Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Zugleich müssten aber auch Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen wie Deutschland Investitionsprogramme auflegen, um die Binnennachfrage zu stärken. "Die beste Konsolidierungsstrategie unterstützt im ersten Schritt ein nachhaltiges Wachstum und profitiert dann von höheren Einnahmen und geringeren Ausgaben", sagte IMK-Direktor Gustav Horn.

Glaubt an die Kraft des Geldbeutels: IMK-Diirektor Gustav Horn.

Glaubt an die Kraft des Geldbeutels: IMK-Diirektor Gustav Horn.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die DIW-Forscher sehen die bisherigen Maßnahmen zur Lösung der Eurokrise kritisch. Durch die Hilfen würde der Druck auf die Regierungen der Krisenländer gelockert, endlich ihre strukturellen Probleme anzugehen. Wichtig wäre deshalb, sie mit harten Auflagen zu verbinden, sagte DIW-Präsident Klaus Zimmermann. "Dazu gehört eine strenge Kontrolle der Fiskalpolitik der europäischen Staaten durch eine unabhängige europäische Institution und eine Umschuldung der bedrängten Staaten, die nicht nur den Steuerzahler, sondern vor allem die beteiligten privaten Kreditgeber ins Boot nimmt."

"Nicht so günstig, wie es aussieht"

Nach der Rezession hätten 2010 Aufholeffekte eine große Rolle gespielt, beschrieb DIW-Konjunkturexperte Ferdinand Fichtner die Lage der deutschen Wirtschaft. "Die wird es in den nächsten Jahren so nicht mehr geben." Impulsgeber 2011 seien aus seiner Sicht der Außenhandel, Investitionen am Bau und in Maschinen und Anlagen sowie der private Konsum.

Die heimische Wirtschaft sei zwar ohne Massenentlassungen durch die Krise gekommen. "Die Lage ist aber nicht so günstig, wie sie aussieht", sagte Fichtner. "Von der Krise betroffen waren vor allem die Vollzeitbeschäftigten." Dieser Bereich erhole sich nur langsam. Der kräftige Anstieg der Erwerbstätigenzahl 2010 auf das Rekordhoch von rund 40,5 Millionen sei vor allem dem Zuwachs von Teilzeitstellen zu verdanken.

Für 2011 erwartet das DIW, dass die Beschäftigung wächst, allerdings mit geringerem Tempo. Die Arbeitslosigkeit werde im Jahresdurchschnitt aber bei mehr als drei Millionen liegen. Beim IMK geht man dagegen davon aus, dass die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt unter die Drei-Millionen-Marke sinken dürfte.

Das vergangene Jahr war für den Arbeitsmarkt das beste seit 1992, heißt es beim DIW. Im Jahresdurchschnitt gab es 3,244 Millionen Arbeitslose. Im Jahr zuvor waren es 3,423 Millionen.

Wo liegt die beste Sparschraube?

Wegen der allgemein guten Konjunkturlage geht das DIW davon aus, dass Deutschland in diesem und im nächsten Jahr eine der Maastricht-Kriterien wieder einhalten kann: Die Neuverschuldung dürfte 2011 mit 2,4 und 2012 mit 2,1 Prozent jeweils unter der Drei-Prozent-Grenze liegen. DIW-Präsident Zimmermann warnte aber vor Euphorie: "Die Staatsschulden steigen weniger als befürchtet, aber sie steigen."

Die Konsolidierung komme nicht so gut voran, wie es dank des starken Wirtschaftswachstums sein sollte. "Einen Spielraum für Steuerentlastungen gibt es nicht. Stattdessen müssen alle Ausgaben auf den Prüfstand." Zimmermann nannte etwa die Subventionen für Steinkohle und Landwirtschaft und die Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit. Einsparungen an dieser Stelle dürften bei den IMK-Ökonomen gar nicht gut ankommen. Eine Kürzung bei den Einkommen auf der Arbeitnehmerseite hätte allerdings aller Voraussicht nach Auswirkungen auf den privaten Konsum, den man beim IMK eigentlich gesondert fördern sehen möchte.

Die Regierung, so DIW-Chef Zimmermann weiter, müsse über Möglichkeiten zu Mehreinnahmen nachdenken: "Die Umsatzsteuer braucht eine grundlegende Reform." Der ermäßigte Steuersatz sollte überprüft werden. Zudem plädierte der DIW-Präsident erneut für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Damit stehen sich zwei verschiedene volkswirtschaftliche Ansätze direkt gegenüber: Auf der einen Seite das Plädoyer für niedrigere Steuern zur Belebung der privaten Nachfrage, auf der anderen Seite die Forderung nach höheren Steuern zur Sanierung der Staatsfinanzen.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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