Wirtschaft

Justiz sieht "bandenmäßigen Betrug" France-Télécom-Chef vor Anklage

Stéphane Richard wird zum prominentesten Beschuldigten der Tapie-Affäre.

Stéphane Richard wird zum prominentesten Beschuldigten der Tapie-Affäre.

(Foto: dpa)

In der Finanzaffäre um IWF-Chefin Lagarde ist gegen den Chef des Telekomriesen France Télécom/Orange, Stéphane Richard, ein formelles Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Der Freund von Ex-Präsident Sarkozy und einstige Anhänger von Strauss-Kahn überzeugt die Justiz nicht von seiner Unschuld.

Gegen den Chef des französischen Telefonriesen France Télécom-Orange, Stéphane Richard, ist ein Anklageverfahren wegen bandenmäßigen Betrugs eingeleitet worden. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, konnte der 51-Jährige bei einer zweitägigen Vernehmung zu einem umstrittenen Schlichtungsverfahren die Verdachtsmomente nicht ausräumen.

Hintergrund ist ein umstrittener Schiedsspruch, mit welchem dem französischen Unternehmer Bernard Tapie 2008 nach dem Verkauf des Sportartikelherstellers Adidas Schadenersatz in Höhe von 285 Mio. Euro - mit Zinsen rund 400 Mio. Euro - zugesprochen wurde. Richard wird vorgeworfen, die aus der Staatskasse finanzierte Entschädigungszahlung an den schillernden Geschäftsmann ermöglicht zu haben. Er war damals Büroleiter der damaligen Wirtschaftsministerin und heutigen IWF-Chefin Christine Lagarde. Lagarde selbst ist einem formellen Ermittlungsverfahren vorerst entgangen, sie hat in dem Verfahren den Status einer "Zeugin mit Rechtsbeistand". Die 57-Jährige betonte, stets im "Interesse des Staates und im Einklang mit dem Gesetz gehandelt" zu haben.

Stéphane Richard ist der bisher prominenteste Beschuldigte in der sogenannten Tapie-Affäre in Frankreich. Richard gilt als brillanter Manager und sowohl im linken wie rechten politischen Lager bestens vernetzter Finanzexperte. Durch das Ermittlungsverfahren gegen den 51-Jährigen, der ein guter Freund von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy ist, rückt die Affäre nun auch näher an den konservativen Ex-Staatschef heran.

Es besteht der Verdacht, dass Tapie diese Riesensumme vom Staat auch deshalb erhielt, weil er Sarkozy im Präsidentschaftswahlkampf 2007 unterstützt hatte. Nach Ansicht von Ermittlern hätte es das zu der Entschädigungszahlung führende Schiedsgerichtsverfahren nicht geben dürfen.

Was wusste man im Elysée-Palast?

Richard hatte damals wegen des Falles Tapie unter anderem den Generalsekretär des Elysée-Palastes und Sarkozy-Vertrauten Claude Guéant getroffen. Erst kürzlich versicherte er, dass es in dem Fall "weder Anordnung, noch Anleitung, noch besonderen Druck" aus dem Elysée-Palast gegeben habe. Mit Sarkozy war Richard zu dem Zeitpunkt allerdings schon seit Jahren gut befreundet. 2007 hatte der Konservative den Senkrechtstarter Richard sogar in die französische Ehrenlegion aufgenommen: "Du hast viel Erfolg, du bist reich, vielleicht schaffe ich das eines Tages wie du", sagte Sarkozy damals.

Ursprünglich kam der Protestant Richard, Enkel eines Schäfers und Sohn eines Bergbauingenieurs, eher aus dem linken Lager: Als Anhänger des 2011 über seine Sex-Affären gestürzten Dominique Strauss-Kahn beriet er den Hoffnungsträger der Sozialisten ab 1991 im Industrieministerium. Der Finanzdirektor und Absolvent mehrerer Elite-Unis, darunter der ENA, wechselte später in die Privatwirtschaft: Bei den staatlichen Wasserbetrieben machte Richard später bei deren Immobilienzweig ein Vermögen. Als führender Manager beim Umwelt- und Transportdienstleister Veolia soll er 2003 gesagt haben, sein Gehalt diene ihm nur dazu, "die Vermögensteuer zu bezahlen".

Nach der Wahl von Sarkozy zum Präsidenten wechselte Richard 2007 zurück in die Politik: Unter Wirtschaftsminister Jean-Louis Borloo, der bald durch Lagarde ersetzt wurde, leitete er das Ministerbüro. Als "intelligent, besonnen, diskret" wurde er damals im Ministerium beschrieben, wo er mit der Bewältigung der internationalen Finanzkrise konfrontiert war. "Er arbeitet viel", hieß es über den Vater von fünf Kindern, der Wanderungen und Musik liebt.

Sarkozy war es dann, der Richard vom Finanzministerium im Herbst 2009 zum Telefonkonzern France Télécom/Orange holte, wo er wenige Monate später zum Chef aufstieg. Eine Serie von Selbstmorden hatte den Telefonriesen erschüttert; unter der Leitung von Richard, der den Konzern wieder "humaner" machen wollte, fand der Konzern zum sozialen Frieden zurück. Seinen Führungsposten hat er dort bis Ende Juni nächsten Jahres und eigentlich will Richard auch weitermachen.

Dass er wegen der Vorwürfe seinen Chefposten bei Frankreichs größtem Telekommunikationskonzern aufgeben muss, galt bis zuletzt auch als unwahrscheinlich, da zahlreiche Anklageverfahren dieser Art im Sande verlaufen. Die Regierung teilte allerdings mit, dass das Aufsichtsgremium von France Télécom-Orange in den nächsten Tagen mögliche Konsequenzen prüfen werde. Der französische Staat ist Großaktionär des Unternehmens.

Quelle: ntv.de, sla/dpa/AFP

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