Börsenneulinge schlagen Dax Frische Kraft voraus
10.08.2010, 17:45 UhrNur zögerlich wagen sich in diesem Jahr neue Unternehmen an die Börse - nur fünf haben den Schritt gemacht. Anleger, die von Anfang an auf die Frischlinge gesetzt haben, sind damit jedoch mehrheitlich besser gefahren als mit dem Dax.
Gerade einmal fünf Unternehmen haben in diesem Jahr bislang den Gang an die Börse gewagt. Zu groß ist die Unsicherheit bei den Unternehmen, bei einem drohenden Ausverkauf mit unter die Räder zu geraten. Der Mut der jungen Parkett-Akrobaten hat sich jedoch unter dem Strich gelohnt, auch für Anleger.Während der Dax seit der ersten Neuemission des Jahres Ende März über weite Strecken bislang auf der Stelle getreten ist, konnten drei der fünf Neuemissionen stärker zulegen als der große Leitindex.
Der bislang größte Börsengang des Jahres ist aus Sicht von Anlegern zugleich auch der erfolgreichste: Der weltweit führende Chemie-Distributor Brenntag wagte sich am 29. März zu 50 Euro je Aktie auf das Parkett. Schon der erste Kurs lag mit 51,10 Euro solide 2,2 Prozent darüber. Seitdem hat die Aktie kräftig an Fahrt aufgenommen und bislang fast um ein Viertel zugelegt. Zum Vergleich: Der Dax ist im gleichen Zeitraum lediglich um rund zwei Prozent gewachsen.
An der Börse war Brenntag am Tag der Neuemission insgesamt 2,6 Mrd. Euro wert und damit mehr als die übrigen Börsenaspiranten. Mit weniger als 30 Prozent der Aktien im Streubesitz liegt Brenntag auch nach dem IPO noch immer mit deutlicher Mehrheit in Händen des bisherigen Alleineigners Brachem. Trotz dieses geringen so genannten Free Floats dauerte es keine drei Monate, bis die Papiere von Brenntag in den Auswahlindex MDax aufgenommen wurden. Das hat der Aktie zusätzlich Pfeffer gegeben - allein schon, weil große Fonds, die die Kursentwicklung wichtiger Aktienindizes abbilden, die einzelnen Aktien eines Index kaufen müssen.
Auch abseits der Finanzmärkte läuft es für Brenntag rund. Die anziehende Weltkonjunktur, insbesondere in Asien, treibt die Nachfrage nach Chemieprodukten nach oben und füllt so bei dem Chemikalienhändler die Kassen. Analysten erwarten, dass die Geschäfte im zweiten Quartal wegen der günstigen Wirtschaftsentwicklung und wegen positiver Wechselkurseffekte gut gelaufen sind und Brenntag einen kräftigen Umsatz- und Gewinnsprung verbucht hat. Im laufenden Jahr will der Konzern selbst seine Vorjahresergebnisse auch dank Kosteneinsparungen übertreffen.
Bedeutend kleiner, aber ebenfalls mit einer ordentlichen Kursentwicklung, präsentiert sich der chinesische Hersteller von Badarmaturen, Joyou. Das Unternehmen ging bereits einen Tag vor Brenntag an die Börse, war dabei jedoch nach dem Börsenwert gemessen mit rund 350 Mio. Euro Marktkapitalisierung nur ein Bruchteil so groß wie Brenntag.
Anleger erhielten die Papiere zu 13 Euro je Stück. Dieser Ausgabepreis lag nur knapp über dem unteren Rand der Bookbuilding-Spanne von 12,50 bis 17 Euro. Mit dem ersten Kurs von 14,75 Euro konnten Anleger jedoch aufatmen. Der Zeichnungsgewinn, also der Aufschlag des ersten Kurses auf den Ausgabepreis, war mit 13,5 Prozent so stark wie bei keiner anderen Neuemission in diesem Jahr. Zwischenzeitlich ging es für die Joyou-Papiere kurz nach der Neuemission zwar bis fast auf 18,50 Euro aufwärts, dieses Niveau konnten die Aktien jedoch nicht halten. Trotz Rücksetzern hat die Aktie den Zeichnern der ersten Stunde bislang ein Kursplus von rund 13 Prozent beschert.
Auch die Papiere von Joyou liegen mehrheitlich nicht in der Hand freier Aktionäre, sondern vor allem in den Portfolios einiger strategischer Investoren. Den größten Anteil von rund einem Drittel hält dabei Konzernchef Jianshe Cai, doch auch der deutsche Anbieter Grohe ist mit einem Anteil von rund 7 Prozent bei Joyou engagiert. In einem der großen Auswahlindizes sind die Papiere bislang nicht zu finden.
Im ersten Quartal des Jahres hatte Joyou rund 44 Mio. Umsatz erwirtschaftet, rund ein Viertel mehr als im Vorjahr. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 1,6 Mio. Euro nach 4,9 Mio. Euro im Vorjahr. Ohne Zinsen und Steuern kletterte das Ergebnis (Ebit) hingegen leicht auf 7,9 Mio. Euro.
Dritter im Bunde mit ebenfalls einem Kursgewinn oberhalb der Dax-Performance ist der Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland. Mit dem Börsengang am 22. März eröffnete das Unternehmen den diesjährigen IPO-Reigen. Zwei Mrd. Euro schwer war Kabel Deutschland bei der Neuemission - genug, um es Brenntag gleich zu tun und einen Platz im MDax zu sichern. Noch etwas haben die beiden Milliarden-Unternehmen gemeinsam: Auch Kabel Deutschland gehört mehrheitlich nicht freien Akionären, sondern einem kleinen Stab fester Anteilseigner. Knapp 40 Prozent der Papiere sind frei handelbar, die restliche Mehrheit liegt beim Finanzinvestor Providence. Dieser kassierte auch den gesamten Emissionserlös des Börsengangs, da mit dem Börsengang keine Kapitalerhöhung mit einher ging.
Auf den Emissionspreis von 22 Euro verdienten Aktionäre der ersten Stunde schon einen kleinen Zeichnungsgewinn von 50 Cent oder rund 2 Prozent. Diesen konnte die Aktie von Kabel Deutschland in den darauffolgenden Monaten noch ausbauen. Aktuell verbuchen Zeichner ein Kursplus von rund acht Prozent. Zur Erinnerung: Im gleichen Zeitraum seit der Neuemission von Kabel Deutschland hat der Dax rund fünf Prozent zugelegt.
Für die Geschäfte von Kabel Deutschland sind Marktexperten zuversichtlich, Analysten heben reihenweise die Daumen. In diesem und dem kommenden Jahr erwarten Analysten zweistelliges Wachstum beim bereinigten Gewinn. Im abgelaufenen Geschäftsjahr (bis Ende März) hatte Kabel Deutschland den Umsatz um rund 10 Prozent auf 1,5 Mrd. Euro gesteigert. Das bereinigte Ergebnis (Ebitda) kletterte um 15 Prozent auf 659 Mio. Euro. Unter dem Strich schrieb der deutsche Marktführer jedoch rote Zahlen.
Zwei Börsengänge im Schatten
Wo Licht ist, da ist der Schatten nicht weit. Leicht hinter der Dax-Performance hinken die Papiere des Außenwerbers Ströer her. Der Marktwert zum IPO liegt mit rund 850 Mio. Euro im Mittelfeld. Für den Aufstieg in einen Auswahlindex ist es noch zu früh, nach dem Willen von Ströer darf es jedoch gerne ein Platz im MDax sein. Dank einer Kapitalerhöhung ist das meiste Geld aus der Neuemission an das Unternehmen geflossen, ein zweistelliger Millionenbetrag ging an Finanzinvestor Cerberus. Auch nach dem Börsengang bleibt die Mehrheit an Ströer mehrheitlich in Händen der Firmengründer und -lenker, ihr Anteil liegt bei 55 Prozent.
Mit einem Ausgabepreis von 20 Euro emittierte das Unternehmen seine Anteile in etwa in der Mitte der zuvor festgelegten Preisspanne von 17 bis 24 Euro. Der erste Kurs lag 60 Cent darüber, womit ein Zeichnungsgewinn von 3 Prozent drin war. Diesen Kurs konnte Ströer jedoch nicht halten und rutschte nach dem IPO zum Ausgabepreis ins Minus. Aktuell bescheren die Papiere ihren Anteilseignern ein Minus von rund 3 Prozent. Der Dax hat in der gleichen Zeit hingegen knapp 2 Prozent zugelegt.
2009 setzte Ströer rund 470 Mio. Euro um, ein Rückgang zum Vorjahr von rund 5 Prozent. Das Betriebsergebnis (Ebit) sank um 19 auf 39 Mio. Euro, unter dem Strich schaffte das Unternehmen knapp die Rückkehr in die schwarzen Zahlen.
Die schwächste Figur unter den Börsengängen des Jahres machte bislang die Mode-Kette Tom Tailor, die am 26. März das Börsenparkett betrat. Mit 214 Mio. Euro Marktkapitalisierung zum Börsenstart war es das kleinste Unternehmen, das bislang in diesem Jahr an die Börse ging. Für einen Sprung in den SDax reichte es, das gab der Aktie jedoch keinen rechten Rückenwind.
Über den Ausgabepreis von 13 Euro kam die Aktie als einzige Neuemission im Prime Standard beim ersten Kurs nicht hinaus. Daran änderte sich auch in den darauffolgenden Monaten nicht substanziell etwas. Nur kurz erklommen die Papiere zwischenzeitlich ihr Allzeithoch bei 14,25 Euro. Aktuell weist die Kursstatistik für Anleger der ersten Stunde ein Minus von rund 6 Prozent aus - bei einem Dax-Plus im gleichen Zeitraum von 2,5 Prozent.
Fundamental ist Tom Tailor jüngst auf dem richtigen Weg. Der Umsatz im zweiten Quartal kletterte um 13,6 Prozent auf rund 70 Mio. Euro, das bereinigte Ergebnis (Ebitda) verbesserte sich auf 3,6 Mio. Euro nach einem Minus von 0,6 Mio. im Vorjahreszeitraum. Netto schrieb Tom Tailor jedoch Miese. Kleiner Trost für unzufriedene Aktionäre: Analysten raten bislang ausschließlich zum Kauf und halten einen Kurs von 20 Euro für fair.
Quelle: ntv.de