Konkurrenz informiert FTD-Mitarbeiter G+J lässt warten
22.11.2012, 16:46 Uhr
Die Mitarbeiter wünschen sich ein Ende der Hängepartie.
(Foto: dpa)
Noch vor dem Wochenende will Gruner+Jahr Betriebsräte und Mitarbeiter des Konzerns über die Zukunft der Wirtschaftsmedien informieren. Keinen Tag zu früh für die Belegschaft, die bisher so gut wie alle Informationen den Konkurrenzmedien entnehmen musste. In die Wehmut über das mögliche Aus mischt sich zunehmend auch Ärger über verpasste Gelegenheiten.
Jetzt soll reiner Wein eingeschenkt werden: Der Zeitschriftenkonzern Gruner+Jahr will an diesem Freitag Betriebsräte und Mitarbeiter in seine Pläne für die angeschlagenen Wirtschaftsmedien einweihen. Am Vormittag würden zunächst die Arbeitnehmervertreter in Kenntnis gesetzt werden, sagte ein Verlagssprecher. Anschließend sollten die Mitarbeiter informiert werden.
Bei den Wirtschaftstiteln arbeiten nach Verlagsangaben rund 350 Menschen. Zu den Publikationen gehören neben der Tageszeitung "Financial Times Deutschland" die Magazine "Capital", "Impulse" und "Börse Online". Die Verhandlungen über die Zukunft gingen nach Angaben des Konzerns am Donnerstag weiter. Auch der mögliche Verkauf der "FTD" stehe weiter zur Diskussion, hieß es. Neue Details nannte das Unternehmen zunächst nicht. Verlagskreisen zufolge ist das Aus der "FTD" jedoch bereits beschlossene Sache. Die lachsfarbene Zeitung solle nur noch bis zum 7. Dezember erscheinen, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus Kreisen.
Der Verlag versuche, einen Käufer für die Abonnentenkartei der "FTD" zu finden, so die "FAZ". Laut IVW-Statistik hatte die "FTD" zuletzt 41.600 Abonnenten. Für die Magazine "Impulse" und "Börse Online", die ebenfalls zu den G+J-Wirtschaftsmedien gehören, gebe es zahlreiche Interessenten, darunter auch Fachverlage, berichtete die Zeitung weiter. Der G+J- Aufsichtsrat habe den Plänen im Grundsatz zugestimmt, hieß es. Offiziell ließ G+J wissen, der Aufsichtsrat habe den Vorstand ermächtigt, "einen Verkauf, Teilschließung oder Schließung der G+J-Wirtschaftsmedien vorzunehmen". "Es laufen aktuell letzte Gespräche zu einem potenziellen Verkauf der 'FTD', ein endgültiger Beschluss des Vorstandes ist damit noch nicht gefasst", betonte der Konzernsprecher. Weitere Angaben wollte der Verlag nicht machen.
Hinhaltetaktik verunsichert
Die zögerliche Informationspolitik des Konzerns bringt die Verlagsmitarbeiter und die Arbeitnehmervertreter auf die Palme. Der Gesamtbetriebsrat der Wirtschaftsmedien AG zeigte sich "entsetzt" über das Vorgehen des Verlagsmanagements. "Das Problem ist, dass keiner etwas Genaueres weiß. Die Medien draußen wissen offenbar mehr als die eigenen Leute im Haus. Es muss ein Leck geben, sonst würde eine ehrwürdige Zeitung wie die 'FAZ" nicht das Aus der 'FTD' melden", sagte Thomas Thielemann vom G+J-Betriebsrat im NDR-Medienmagazin "Zapp".
Selbst der Chefredakteur der G+J-Wirtschaftsmedien Steffen Klusmann entschuldigte sich via Mail bei seinen Mitarbeitern, dass auch er nur über die "FAZ"-Informationen verfüge. Dass sich G+J selbst verärgert zeigt über die fortlaufende Berichterstattung durch Konkurrenzmedien, tröstet die Mitarbeiter nicht – sie zweifeln daran, dass über die Zukunft der Wirtschaftsmedien tatsächlich noch nicht entschieden wurde.
Zur Wehmut, mit der "Financial Times Deutschland" ein "großartiges Blatt" zu verlieren, kommt zunehmend Ärger über Managementfehler hinzu – besonders auch bei den anderen Wirtschaftstiteln. Gerade im Online-Bereich hätte es viele Versäumnisse gegeben, heißt es hinter vorgehaltener Hand. "Mit einem Namen wie 'Börse Online' war G+J doch in der Pole-Position, um das Internet zu erobern", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter gegenüber n-tv.de. Gerade für börseninteressierte Leser hätte man noch mehr Tempo machen müssen. Wer orientiere sich heutzutage noch an abgedruckten Aktienkursen in einer Tageszeitung oder gar einem Wochenmagazin? Auch von dem mit der Finanzkrise einhergehenden gesteigerten Interesse an Wirtschaftsthemen hätte G+J nicht ausreichend profitiert.
Dass es für "Börse Online" und "Impulse" zahlreiche Interessenten geben soll, tröstet die Redakteure kaum. Denn die würden sich nur für die Markenrechte und Abonnentenstämme interessieren. Gelingt der Verkauf der Titel zudem nicht bis Ende Januar, sollen die beiden Magazine zudem laut "gut informierten Kreisen" auch eingestellt werden.
Befürchtet wird nun, dass rund 320 der 350 Mitarbeiter der G+J– Wirtschaftsmedien AG & Co KG ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Ihnen solle bis Ende Januar betriebsbedingt gekündigt werden, schreibt die "FAZ". Wenn dem so ist, ist es Freitag nicht zu früh, um die Mitarbeiter zu informieren.
Quelle: ntv.de, mit dpa/rts