Nach der Krise das Klein-Klein G20 ringen um Reform
24.04.2010, 15:07 UhrDie Welt war gerade knapp am Wirtschafts-Absturz vorbeigeschrammt, da schwor US-Präsident Obama: Nie wieder. Im September kündigte er auf dem G20-Gipfel in Pittsburgh konkrete Schritte zu einer harten Finanzregulierung an. Sieben Monate später hat die Wirklichkeit die Spitzen-Wirtschaftsmächte eingeholt. Die Konjunktur springt an, Banken schreiben wieder Milliardengewinne, die Börsenrally ist schon ein Jahr alt.
Statt großer Harmonie scheint um die gemeinsame Finanzreform das große Hauen und Stechen ausgebrochen, wie der Streit um eine globale Bankenabgabe zeigt. Die G20 - in Pittsburgh als neuer Machtzirkel der Top-Volkswirtschaften ausgerufen - muss noch beweisen, dass sie ihrer neuen Rolle gerecht wird und wirklich Lehren aus der Krise zieht.
Danach sieht es bisher nur in Teilbereichen aus - etwa bei den Vergütungsregeln für Top-Banker oder schärferen Regeln für Ratingagenturen. Bei Eigenkapitalregeln, der Beteiligung des Finanzsektors an den Krisenkosten und der Aufsicht über Hedgefonds und Finanzinvestoren dagegen streiten die G20 verbittert weiter.
Bankenabgabe wird nicht erwähnt
Der Zwist über eine Bankenabgabe wurde auch beim Treffen der G20-Finanzminister und -Notenbankchefs in Washington nicht entschärft. An der Gebühr scheiden sich die Geister. Deutschland, Frankreich, die USA, Großbritannien wollen sie, unter anderem Kanada, Japan, Indien und Australien lehnen sie ab. So tauchte das Wort "Bankenabgabe" in der gemeinsamen G20-Erklärung gar nicht erst auf.
Der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, drückte es diplomatisch aus. Es gebe das "Risiko", dass verschiedene Teile der Welt Vorschläge vorlegten, die zwar für sie selbst Sinn machten, insgesamt aber "irgendwie nicht übereinstimmen".
Die Konfliktlinie ist klar gezogen: Da gibt es Länder, die mussten Banken mit Milliarden-Steuergeldern vor der Pleite retten, und Länder, die das nicht mussten. Dann gibt es Länder, die mit der Strafgebühr einen Teil der Krisenkosten wieder reinholen wollen, und andere G20-Partner wie Deutschland, die Geld für künftige Schieflagen in einem Krisenfonds ansammeln und Risikogeschäfte eindämmen wollen.
Kanada schießt quer
Wortführer der Gegner ist Kanada - immerhin Gastgeber des G20- Gipfels Ende Juni. Er werde nicht heimische Banken bestrafen, die sich in der Finanzkrise bewundernswert gehalten hätten, wettert Kanadas Finanzminister Jim Flaherty. Kanada, vom "World Economic Forum" erneut zum "stabilsten Bankensystems der Welt" gekürt, sieht nicht ein, diesen Wettbewerbsvorteil aus der Hand zu geben.
Auch aufstrebende G20-Schwellenländer, die keine milliardenschweren Rettungsaktionen ergreifen mussten, sehen das so. "In unseren Ländern gibt es keine Finanzinstitutionen, die das Finanzsystem als Ganzes gefährden können", sagt der Inder Amar Bhattacharya von der Gruppe der G24, wo sich Entwicklungs- und Schwellenländer zusammengefunden haben. "Die Herausforderung in unseren Ländern ist, Finanzierung für Entwicklung sicherzustellen, oft für arme Menschen. Man sollte Institutionen nicht mit Gebühren belegen und so Entwicklung untergraben."
Berlin gibt sich dennoch optimistisch. Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, der Minister Wolfgang Schäuble in Washington vertrat, rechnet mit einem Kompromiss bis zum nächsten Welt-Finanzgipfel Ende Juni. Wie der aussehen könnte, ist unklar. Dass Gastgeber Kanada unter Druck gesetzt und vorgeführt wird, ist unwahrscheinlich.
Der nächste G20-Top-Termin steht dann im November in Südkorea auf der Tagesordnung. Die USA führen eine Abgabe auf jeden Fall ein, andere Regierungen scheuen einen Alleingang, um nationale Banken nicht zu benachteiligen. Und Deutschland will im Kampf gegen Zockerinstitute seine Abgabe gegebenenfalls an EU- und G20-Vorgaben anpassen.
Quelle: ntv.de, von André Stahl und Frank Brandmaier, dpa