Resterampe Europa GM räumt auf
14.12.2009, 15:59 UhrBei General Motors macht man sich daran, das Europa-Geschäft neu zu ordnen. Erste Maßnahme ist das Verscherbeln von alter Saab-Technik. Aber auch die Firmenzentrale von GM Europe in der Schweiz wird aufgelöst. Entgegen ursprünglicher Pläne kommt sie aber nicht nach Rüsselsheim.
Nicht alles, was derzeit aus der Detroiter Zentrale von General Motors zu hören ist, hat eine lange Halbwertszeit. Das betrifft vor allem die Nachrichten zum Europa-Geschäft. Weiter verwunderlich ist das nicht, denn einerseits hat man dort immer noch ernste Probleme, während sich das US-Geschäft auf wundersame Weise fürs Erste regeneriert hat. Auch die Umsetzung der Pläne diesseits des Atlantiks läuft nicht wie gewünscht. Angesichts der Umstände zeigt man sich in Detroit daher flexibel.

Der einst größte Autobauer der Welt, General Motors, steht weiter unter Druck. Der Verkauf schwacher Marken will nicht gelingen.
(Foto: dpa)
Bausstelle Saab: Der Verkauf des schwedischen Autobauers ist geplatzt. Die Verhandlungen mit Koenigsegg wurden vor wenigen Wochen abgebrochen. GM will Saab aber auf jeden Fall loswerden. Die Schweden fahren dauerhaft Verluste ein. Allein, es fehlt an weiteren Interessenten. Niemand will Saab als Ganzes haben. Offenbar nicht einmal die Chinesen, denen GM jetzt die Technik alter Saab-Modelle an den chinesischen Hersteller BAIC verkauft hat. Die Fabriken samt der daran geknüpften Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern wollten sie nicht haben. Also hat GM genommen, was es kriegen konnte. Zwei Milliarden Euro wird das Geschäft wohl einbringen.
Für Saab an sich sieht es hingegen wohl düster aus. Die Technik der Modelle 9-3 und des bisherigen 9-5 sind das Tafelsilber des Unternehmens. Der neue 9-5 wurde in diesem Herbst vorgestellt und stellt so das letzte Hoheitswissen der Schweden dar. Aber allzu viel ist auch das nicht, denn technisch basieren die Saab-Modelle schon länger auf GM-Plattformen. So teilt sich das Mittelklassemodell die Basis mit dem Opel Insignia.
Über die Zukunft der Werks in Trollhättan kann derzeit nur spekuliert werden. Im Verlauf dieses Jahres hat GM sämtliche Saab-Aktivitäten dort konzentriert. So wurde zum Beispiel auch die Entwicklung aus dem gemeinsamen Entwicklungszentrum in Rüsselsheim abgezogen. Vornehmlich natürlich im Lichte des bevorstehenden Verkaufs. Das könnte jetzt aber auch praktisch sein, wenn Saab einfach geschlossen werden sollte. Die Verkaufsaktion an BAIC könnte ein erster Hinweis für ein mögliches Ende mit Schrecken sein. Bei GM hingegen geht man davon aus, Saab weiterhin in einem Stück verkaufen zu können und gibt sich optimistisch.
Baustelle GM Europe: Die Hoffnungen, dass Opel die Leit-Marke für Europa wird, drohen sich in Luft aufzulösen. Entgegen der Versprechungen im November wird Rüsselsheim nicht neuer Sitz des Euro-Ablegers aus Detroit. Der neue Opel-Chef Reilly wird zwar kommen, aber eine neue Zentrale wird es nicht geben. Auch der Posten des ehemaligen GM-Europe-Chefs Carl-Peter Forster ist bisher nicht besetzt. Künftig sollen die einzelnen Marken in Europa mehr Spielraum haben. Das kann Gutes, aber auch Schlechtes für Opel bedeuten.
"Die Zentrale für Opel ist selbstverständlich Rüsselsheim, von hier aus wird das Geschäft künftig weltweit gesteuert", heißt es aus Detroit. Opel darf künftig weltweit verkaufen. Auch die Zukunftsmärkte wie China und Indien sind nicht mehr tabu. Die bisherigen Probleme zwischen GM und Opel stammten aber vornehmlich aus dem Bereich der Produktion. Der Optimierungszwang aus Detroit trieb zahlreiche, ziemlich schädliche Blüten. So wurden kleinste Teile wegen Preisvorteilen von wenigen Cents oft vom anderen Ende der Welt her beschafft. Die Qualität blieb dabei nicht selten auf der Strecke, was den Konzern speziell in den Neunzigerjahren in existenzielle Schwierigkeiten brachte.
Baustelle Detroit: Auch die jüngsten Erfolge auf dem US-Markt können nicht darüber hinwegtäuschen: General Motors ist noch lange nicht über den Berg. Auch wenn sich der Absatz in den USA im letzten Quartal stabilisierte, kann von einer nachhaltigen Trendwende nicht die Rede sein. Erst im Verlauf des kommenden Jahres wird sich zeigen, ob sich das Geschäft wirklich wieder aufwärts entwickelt.
Dabei drücken den Konzern nach wie vor Schulden in Milliardenhöhe. Daran hat auch die rekordverdächtig kurze Zeit von 40 Tagen, in der GM das Insolvenzverfahren verlassen konnte, nichts nachhaltig geändert. 59 Milliarden Dollar haben die USA und Kanada dem Auto-Giganten zur Verfügung gestellt. In Washington wird dieses Geld unter der Hand als Abschreibung verbucht. Zudem ist Bargeld immer noch ein knappes Gut. Daher dürfte beim Verkauf der Saab-Technik auch die Zeit gedrängt haben, denn der Cash-Flow ist für ein Unternehmen dieser Größe erschreckend niedrig.
Das liegt auch daran, dass GM keine seiner Marken bisher an den Mann bringen konnten. Einzig der Geländewagenhersteller Hummer konnte bisher nach China verkauft werden, allerdings für den zu vernachlässigenden Preis von 150 Millionen Euro, den der neue Besitzer Tengzhong bezahlte. Ein Klacks angesichts der Milliardensummen, die man in Detroit stemmen muss.
Wesentlich wertvoller wäre da Pontiac, aber für die traditionsreiche Marke konnte sich bisher kein Interessent finden. Das gilt auch für Saturn. Eigentlich wollte der US-Autohändler Penske die Marke haben, doch vor wenigen Wochen platzte der Deal. In Kombination mit dem gescheiterten Verkauf von Saab an Koenigsegg entstand eine prekäre Lage, da trotz besserer Verkaufszahlen auch aus dem laufenden Geschäft keine Gewinne fließen.
Der neue GM-Chef Ed Whitacre hat keine leichte Aufgabe vor sich. Bei GM hakt es noch an so mancher Ecke. Experten gehen davon aus, dass 2010 ein entscheidendes Jahr für General Motors werden wird. Gelingt die Restrukturierung und wird die Modellpalette erfolgreich umgekrempelt, dann könnte der Gigant aus Detroit wieder in die Erfolgsspur zurückfinden. Wenn nicht, dann ist keine Option unmöglich. Auch nicht die endgültige Abwicklung.
Quelle: ntv.de