Neues Selbstbewusstsein GM setzt Opel unter Druck
17.11.2010, 16:05 UhrWie Phoenix aus der Asche scheint der Autobauer General Motors zurück an die Börse emporzuschnellen. Für die Tochter Opel brechen damit schwierige Zeiten an, denn sie beschert weiterhin Verluste. Das wird sich die Mutter nicht lange anschauen.
Opel gerät durch den Börsengang seiner Mutter General Motors in Zugzwang. Der chronisch defizitäre Rüsselsheimer Autobauer muss nun den neuen Investoren beweisen, dass er nicht ein Klotz am Bein des US-Konzerns ist. Mit der Rückkehr aufs Parkett erhöht sich zudem für Opel die Gefahr, dass sich die Amerikaner wieder als Nabel der Welt betrachten. Dieses Risiko ist nicht dadurch gebannt, dass der Konzern nach seiner im Schnellverfahren überstandenen Insolvenz seinen Namen in "new GM" erweiterte. Die Manager in der Detroiter Zentrale müssten auch erkennen, dass sie mit Opel eine Chance hätten, forderte jüngst der Frankfurter IG-Metall-Vorsitzende Armin Schild, der auch im Opel-Aufsichtrat sitzt.
Bisher ist das Europageschäft unter Führung von Opel der einzige Verlustbringer auf der Weltkarte der Amerikaner. Die neuen Eigner werden darauf dringen, dass sich das rasch ändert. Denn in China und den USA fährt der einst größte Autobauer der Welt Gewinne ein. Das veranlasst Investoren dazu, GM die Aktien bei dem bevorstehenden Börsengang aus den Händen zu reißen. Die US-Regierung, die GM vor einem Jahr mit Milliardenhilfe vor dem Aus rettete, will ihre Anteile möglichst bald komplett in private Hände abgeben. Für Opel-Chef Nick Reilly erhöht sich damit der Druck, Opel bereits im nächsten Jahr in die schwarzen Zahlen zu führen. "Mit Lippenbekenntnissen geben sich die Amerikaner nicht, die wollen Zahlen sehen", sagt Autoprofessor Stefan Bratzel vom Center of Automotive in Bergisch Gladbach.
Opel läuft die Zeit davon
Nach jahrelangen Verlusten braucht die Wende jedoch Zeit. Rüsselheim ist zwar inzwischen Ideenschmiede für den Weltkonzern - die US-Mutter lässt in Deutschland die Kompaktmodelle weltweit entwickeln. Gebaut werden die Autos aber dort, wo GM sie auch verkauft. Das ist beim Konkurrenten Volkswagen nicht anders. Auch die Wolfsburger ziehen neue Werke nur in Wachstumsregionen hoch. Europa verliert auch für andere Autobauer seit langem an Gewicht. Anders als bei Europas größtem Autobauer, der der Konkurrenz mit Verkaufsrekorden davonfährt, nimmt Opel aber nur langsam Fahrt auf - der Marktanteil, der unlängst auf das niedrigste Niveau sei 40 Jahren geschrumpft war, berappelt sich mühsam. Für 2010 wird abermals ein Milliardenverlust erwartet, weil Abfindungen für den laufenden Personalabbau zu Buche schlagen. Abzüglich der Sanierungskosten will Opel 2011 die Gewinnschwelle erreichen und ab 2012 dauerhaft schwarze Zahlen schreiben. Der Autobauer, der viele Monate Spielball von Verkaufsabsichten der Mutter GM war, streicht europaweit 8000 der 48.000 Arbeitsplätze und will ein Werk im belgischen Antwerpen schließen, nachdem kein Käufer gefunden wurde.
Die starke Abhängigkeit vom Europageschäft will Opel durch Exporte in andere Länder abstreifen. Bis 2015 sollen jährlich 100.000 Einheiten an Kunden weltweit losgeschlagen werden. Bis dahin tickt die Uhr - denn vom Erfolg der Expansion hängt ab, ob die GM-Tochter seine vier Werke in Deutschland erhalten kann. Als besonders gefährdet gilt die Fabrik in Bochum.
Der Druck könnte sich noch erhöhen, wenn sich der größte chinesische Autobauer SAIC wie geplant an GM beteiligt. "Das ist kein gutes Zeichen für Opel in Europa", sagt Frank Schwope von der NordLB. Der Autoanalyst geht davon aus, dass das Europageschäft wegen mangelnder Perspektive weiter an Bedeutung verlieren wird und GM Kompetenzen zunehmend in Wachstumsregionen verlagern werde. Davon könnten auch Entwicklungsaufträge betroffen sein. "Das ist ein schleichender Prozess", meint Schwope.
Sein Kollege Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht davon aus, dass die Freude über den unerwartet erfolgreichen Börsengang der Konzernmutter die Probleme bei Opel vorerst in den Hintergrund treten lässt. "Spätestens in ein, zwei Jahren werden wir die Diskussion über die Zukunft von Opel aber wieder haben", ist Pieper überzeugt.
Quelle: ntv.de, rts