Wirtschaft

"Chaos-Tage" in Detroit GM verwirrt Berlin

Der US-Konzern General Motors sorgt mit seinem Vorgehen bei Opel weiter für Missstimmung. GM Europe will zur Sanierung deutsche Steuergelder beantragen. Im Wirtschaftsministerium ist man da ganz anderer Meinung: Berlin verlässt sich auf den Detroiter Verwaltungsrat.

In der Konzernmühle gefangen: Hilflos müssen die Menschen bei Opel mitansehen, wie das Sanierungsdurcheinander hoch über ihren Köpfen seinen Lauf nimmt.

In der Konzernmühle gefangen: Hilflos müssen die Menschen bei Opel mitansehen, wie das Sanierungsdurcheinander hoch über ihren Köpfen seinen Lauf nimmt.

(Foto: dpa)

Die Opel-Mutter General Motors hat Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle zurückgewiesen, wonach GM zur Sanierung von Opel keine Staatshilfen beantragen wolle. Für die Restrukturierung der Europatochter brauche GM die finanzielle Unterstützung von Regierungen und Arbeitnehmern, sagte eine GM-Europe-Sprecherin. Zugleich habe GM aber auch die Bereitschaft für nötige Investitionen in Opel klar gemacht.

Am Donnerstag hatte Brüderle erklärt, der GM-Verwaltungsrat wolle die Opel-Sanierung ohne Staatshilfe aus Deutschland erreichen. Die Bundesregierung blieb auch am Freitag bei dieser Haltung. Regierungskreise beriefen sich dabei auf Aussagen von GM-Verwaltungsratschef Edward Whitacre. Whitacre hatte zuvor in einem Interview mit der "Kölnischen Rundschau" erklärt, dass der wiedererstarkte US-Autobauer Opel wohl aus eigener Kraft sanieren könne.

GM bleibe mit den betroffenen Regierungen weiter in Kontakt, um deren Unterstützung zu erhalten, hieß es dagegen bei GM Europe. Bei der zuvor geplanten Übernahme von Opel durch Magna hatte die Bundesregierung in Aussicht gestellt, zur Not die gesamten von Magna beantragten 4,5 Mrd. Euro an Staatshilfen zu übernehmen. GM hatte aber jüngst den Opel-Verkauf überraschend platzen lassen.

Betriebsrat auf Hendersons Seite

Angesichts der Verwirrung um mögliche Staatshilfen für die Opel-Sanierung wirft der Betriebsrat dem Mutterkonzern General Motors (GM) gravierende Abstimmungsprobleme vor. "Wir erleben Chaos-Tage bei GM. Das ist mehr als ein Bermuda- Dreieck, da weiß der Verwaltungsratschef nicht, was der Vorstandsvorsitzende macht", sagte Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz.

Hatte nach eigenen Angaben bis vor kurzem noch keine Ahnung von Autobau: Ed Whitacre.

Hatte nach eigenen Angaben bis vor kurzem noch keine Ahnung von Autobau: Ed Whitacre.

(Foto: REUTERS)

Die Angaben der Bundesregierung konnte Franz bestätigen: "Whitacre sagt, sie haben alles im Griff und brauchen keine Staatshilfen." Im Gegensatz zu den Aussagen Whitacres hatten GM-Sprecher zuvor keinen Zweifel daran gelassen, dass der US-Konzern trotz der abweisenden Haltung Berlins weiterhin fest mit deutscher Staatshilfe für die Sanierung der angeschlagenen Tochter rechnet.

Damit setzt sich die Zwietracht zwischen Verwaltungsratschef Edward Whitacre und dem GM-Vorstandsvorsitzenden Fritz Henderson fort. Henderson hatte sich für einen Opel-Verkauf an Magna ausgesprochen, wurde aber vom Verwaltungsrat unter Führung Whitacres überstimmt. "Henderson wird von Whitacre blamiert", sagte Opel-Betriebsrat Franz dazu. "Es gibt keine abgestimmte Kommunikationsstrategie und keine abgestimmte Unternehmenspolitik."

Welche Rolle spielt Washington?

Unterdessen nehmen offizielle Stellen in den USA die Rolle der amerikanischen Regierung bei der General Motors-Entscheidung gegen einen Verkauf von Opel unter die Lupe. Der Einfluss der US-Regierung als wichtiger Anteilseigner in einer Reihe staatlich geretteter Firmen werde durchleuchtet, erklärte der Chefaufseher für das 700 Mrd. Dollar schwere Rettungsprogramm Tarp, Neil Barofsky. Dazu zähle auch die Entscheidung des GM-Managements gegen einen Verkauf der Opel-Tochter und die mögliche Einflussnahme der Politik darauf.

Kämpft mit der Dynamik eines offensichtlich zerstrittenen Verwaltungsrats: Fritz Henderson.

Kämpft mit der Dynamik eines offensichtlich zerstrittenen Verwaltungsrats: Fritz Henderson.

(Foto: dpa)

Die überraschende Absage des Opel-Verkaufs durch den US-Mutterkonzern GM hatte in Deutschland für erhebliche Entrüstung gesorgt. US-Präsident Barack Obama hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat persönlich bestätigt, er sei nicht in die Entscheidung des GM-Verwaltungsrats eingebunden gewesen.

Nach monatelangen Verhandlungen hatte der GM-Verwaltungsrat am Dienstag vor einer Woche völlig unerwartet den Verkauf von Opel an den kanadisch-österreichischen Zulieferer Magna abgeblasen. Stattdessen will der lange Zeit größte Autobauer der Welt die deutsche Tochter nun selbst sanieren.

Milliardenschwerer Wettbewerbsvorteil

GM hatte zusammen mit dem Rivalen Chrysler vor der Insolvenz mehr als 20 Mrd. Dollar US-Hilfen aus dem Troubled Asset Relief Program (Tarp) erhalten. Tarp war im vergangenen Jahr auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ins Leben gerufen worden. Nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers sollte damit vor allem die ins Wanken geratene Bankenbranche stabilisiert werden.

Tarp-Chefprüfer Barofsky wies darauf hin, dass gerade die Steuergelder für die GM- und Chrysler-Hilfen kaum jemals in die Kassen des Finanzministeriums zurückfließen würden. Barofsky erklärte, das Tarp-Programm werde "praktisch sicher" insgesamt mit einem Minus für die Steuerzahler enden.

Die US-Regierung erwägt unterdessen, Mittel aus dem Fonds für die Reduzierung der US-Staatsschulden einzusetzen. In dem Hilfstopf stehen noch 210 Mrd. Dollar zur Verfügung - davon 70 Mrd. Dollar, die Banken bereits zurückgezahlt haben.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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