Großkonzern in Kauflaune Gazprom drängt sich vor
21.11.2009, 13:01 Uhr
"Wenn die Versorger ihre Netze verkaufen, verlieren sie für Investoren wie uns an Wert."
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Der russische Energiekonzern Gazprom will seinen Einfluss auf den deutschen Gasmarkt ausbauen. Man beobachte den deutschen Markt für mögliche Zukäufe, sagte Gazprom-Deutschland-Chef Hans-Joachim Gornig der "Wirtschaftswoche". Unter anderem wollen die Russen auch ihre Anteile an dem ostdeutschen Gashändler VNG verdoppeln.
"Wir arbeiten seit fast 20 Jahren daran, bei VNG eine angemessene Stellung zu bekommen. Ich hoffe, dass das nun gelingt", so Gornig im Interview. Gazprom ist bislang mit fünf Prozent beteiligt. Seine Handels- und Beteiligungsaktivitäten in Europa hat der Mutterkonzern bei der Tochter Gazprom Germania mit Sitz in Berlin gebündelt.
Der Energiekonzern will die VNG-Beteiligung von GdF Suez übernehmen, im Gegenzug soll der französische Wettbewerber an der Nord-Stream-Pipeline beteiligt werden. "Aber das entscheidet nicht allein Gazprom. Auch die anderen Aktionäre im Nord-Stream-Konsortium müssen einverstanden sein", sagte Gornig dem Blatt.
Andrang in Ostdeutschland
Gazprom ist nicht das einzige Unternehmen, das bei der VNG mehr Einfluss will. Größter Aktionär des ostdeutschen Gashändlers ist die EnBW mit 48 Prozent. Der Anteil ist EnBW-Chef Hans-Peter Villis zu wenig, um die Kontrolle über das Unternehmen auszuüben. Medienberichten zufolge gibt es gegen eine Aufstockung von EnBW bei VNG aber Widerstand der anderen Aktionäre, neben Gazprom und GdF gehören dazu Kommunen und die BASF-Tochter Wintershall. Auch Wintershall hat Interesse an einer Erhöhung seiner VNG-Anteile signalisiert.
Gazprom und Wintershall kontrollieren auch Wingas, die Nummer drei auf dem deutschen Gasmarkt. Platzhirsch im deutschen Gasgeschäft ist bisher Eon Ruhrgas vor RWE.
Im laufenden Jahr rechnet der russische Energieriese bei seinen europäischen Aktivitäten mit einem Gewinnrückgang. Der Umsatz der Tochter Gazprom Germania dürfte 2009 zwar um acht Prozent auf 16,6 Mrd. Euro steigen, sagte Gornig. Der Gewinn dürfte demnach aber "nur bei etwas über 400 Mio. Euro liegen, also 70 bis 90 Millionen niedriger als 2008". Zur Umsatzsteigerung trügen unter anderem Übernahmen, Beteiligungen und weitere Aktivitäten bei, die Absatzverluste in Deutschland abfederten.
Kritik an der "Liberalisierungswut"
Pläne zum Kauf von regionalen Versorgern habe Gazprom auf Eis gelegt, sagte Gornig dem Magazin. "Wenn die Versorger ihre Netze verkaufen, verlieren sie für Investoren wie uns an Wert." Was in Europa vorgehe, sagt der Manager, "grenzt an Liberalisierungswut".
Rund zwei Milliarden Euro habe Gazprom in den vergangenen 20 Jahren in die Infrastruktur seiner Tochter Wingas investiert. "Dieses Geld ist jetzt nicht mehr dasselbe wert wie vor ein paar Jahren. Ich glaube auch nicht, dass die Trennung von den Netzen die Versorgungssicherheit erhöht. Als Käufer sind schon reine Finanzinvestoren im Gespräch", kritisierte Gornig.
Quelle: ntv.de, dpa/rts