Wirtschaft

Etappensieg vor EuGH Generalanwalt nickt VW-Gesetz ab

Das wird der EU-Kommission nicht gefallen: Der EuGH-Generalanwalt schließt sich der deutschen Sicht auf das VW-Gesetz an.

Das wird der EU-Kommission nicht gefallen: Der EuGH-Generalanwalt schließt sich der deutschen Sicht auf das VW-Gesetz an.

(Foto: picture alliance / dpa)

Deutschland kann im Streit um das VW-Gesetz zuversichtlicher auf die Urteilsverkündung schauen. Vor dem Europäischen Gerichtshof schloss sich der Generalanwalt der deutschen Sicht an. Demnach ist die Sperrminorität zulässig. Ein endgültiges Urteil steht indes noch aus.

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In der jahrelangen Debatte über das VW-Gesetz hat der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Deutschland den Rücken gestärkt. Seiner Ansicht nach muss die umstrittene Regelung mit der Sperrminorität für das Land Niedersachsen nicht geändert werden. Die Klage der EU-Kommission gegen Deutschland wegen einer unvollständigen Umsetzung des EuGH-Urteils zum VW-Gesetz von 2007 sei zurückzuweisen, sagte Generalanwalt Nils Wahl. Die Meinung des Generalanwalts ist für das Gericht zwar nicht bindend, die Richter folgen der Empfehlung aber in den meisten Fällen. Das Urteil soll in einigen Monaten fallen. Es ist bereits das zweite Verfahren.

Er teile die Auffassung der Bundesregierung, dass die von der Kommission monierte Sperrminorität von 20 Prozent nur in Kombination mit einer anderen, jedoch bereits abgeschafften Regel, ein Verstoß gegen EU-Recht sei, sagte Nils Wahl weiter. "Deutschland ist dem ursprünglichen Urteil des Gerichtshofs von 2007 vollständig nachgekommen." Die Bundesregierung habe es anders als die Kommission völlig richtig interpretiert. Sollte das Gericht jedoch nicht der Empfehlung folgen, droht Deutschland eine empfindliche Geldstrafe.

Im Kern begrenzt das Gesetz den Einfluss der Aktionäre auf den Wolfsburger Autohersteller. Bis zum ersten EuGH-Urteil 2007 konnte kein privater Einzelaktionär mehr als 20 Prozent der Stimmrechte ausüben. Das an Europas größtem Autobauer beteiligte Land Niedersachsen sicherte sich so Einfluss und zudem eine Sperrminorität, die auch nach dem ersten EuGH-Urteil Bestand hat.

Übernahmeschutz für mehr als 50 Jahre

Die EU-Kommission sieht durch die Regelung indes europäisches Recht verletzt und besteht darauf, dass Deutschland ein früheres EU-Urteil aus dem Jahr 2007 umsetzt. Es verpflichtete Deutschland zu Änderungen an dem Gesetz, darunter auch bei der sogenannten Sperrminorität. Nach Ansicht der Bundesrepublik ist diese Regel vom Gericht nicht infrage gestellt worden.

Das VW-Gesetz hat den Autohersteller 53 Jahre vor einer feindlichen Übernahme geschützt. Doch die Sonderrolle Niedersachsens als Aktionär von Volkswagen ist der EU-Kommission ein Dorn im Auge, da sie den Staatseinfluss auf Unternehmen zurückdrängen will.

Das Gesetz ist ein Überbleibsel aus der VW-Privatisierung. Das in der Nazi-Zeit gegründete Volkswagenwerk war von 1949 an zunächst treuhänderisch vom Bund und dem Land Niedersachsen geführt worden. Als das Unternehmen 1960 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, verabschiedete der Bundestag das VW-Gesetz. Bund und Land behielten zunächst je ein Fünftel der Anteile. Während der Bund seine Beteiligung später verkaufte, sicherte sich Niedersachsen seine Machtposition bei dem mit Abstand größten Arbeitgeber in dem Bundesland mit 20 Prozent weiter.

Deutschland änderte bereits zwei von drei beanstandeten Regeln

Für wichtige Unternehmensentscheidungen bei VW verlangt das Gesetz eine Mehrheit von über 80 Prozent der Stimmen auf der Hauptversammlung, während nach dem Aktienrecht dafür lediglich mindestens 75 Prozent erforderlich sind. 2007 verurteilte der Europäische Gerichtshof Deutschland, das Gesetz zu ändern, da es den freien Kapitalverkehr einschränke und feindliche Übernahmen unmöglich mache. Investoren könnten durch die Sonderstellung Niedersachsens abgeschreckt werden, urteilten die Richter. Im Anschluss strich die Bundesregierung zwei der drei beanstandeten Regeln aus dem Gesetz - das Entsenderecht in den Aufsichtsrat und das Höchststimmrecht von 20 Prozent. Sie behielt die Sperrminorität Niedersachsens aber bei. Die EU-Kommission beharrt jedoch darauf, dass auch diese Hürde abgeschafft wird. 

Sollte der Gerichtshof indes erneut zu dem Schluss kommen, dass das VW-Gesetz gegen EU-Recht verstößt, soll Deutschland 282.725,10 Euro für jeden Tag zahlen, den die Regierung zur regelkonformen Neufassung des Gesetzes benötigt. Zudem soll Deutschland nach Vorstellung der Kommission 31.114 Euro pro Tag für den Zeitraum zwischen dem ersten Urteil am 23. Oktober 2007 bis zum Urteil im laufenden Verfahren berappen.

Quelle: ntv.de, rts/dpa/DJ

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