Fiats Werben um Opel Glücksritter aus Turin
06.05.2009, 13:42 UhrEs ist schon eine denkwürdige Geschichte, die sich da rund um den traditionsreichen Autobauer Opel abspielt. Die Rüsselsheimer sind zum Spekulationsobjekt und Wahlkampfthema verkommen mitten in der größten Autokrise, die es jemals gab. Und scheinbar auch zum Objekt der Begierde von Glücksrittern. Sie begreifen die Krise als Chance. Aber ob sie sie auch richtig wahrnehmen, ist fraglich.
Die Pläne von Fiat-Boss Sergio Marchionne scheinen auf den ersten Blick sinnvoll, sind aber beim zweiten Hinschauen weit mehr als tollkühn. Da sichert sich ein Unternehmen, das selbst vor einigen Jahren erst dem Tod von der Schippe gesprungen ist, zwei Konzerne nahezu gleicher Größe in existenziellen Schwierigkeiten. Und dass, ohne einen einzigen Cent in die Hand zu nehmen, sondern lediglich mit warmen Worten und Versprechungen. Alles, was Fiat einsetzen will, ist Technologie und Knowhow.
Chrysler ist nicht Opel
Das mag bei Chrysler nicht verkehrt sein. Im Nachhinein war es ein Kardinalfehler der Daimler-Regentschaft, dass man wieder zur alten Strategie zurückkehrte und großvolumige, PS-starke Autos bauen ließ, anstatt den Kunden ein zeitgemäßes Produktportfolio zu bieten. Chrysler als schmuckes US-Accessoire zu verstehen, erwies sich als fataler Fehler. Dafür ist der Konzern zu groß und die Altlasten wiegen zu schwer.

Pokert hoch: Fiat-Chef Sergio Marchionne.
Bei Opel scheint sich Fiat aber eher auf der Jagd nach einer attraktiven Marke zu befinden. Opel braucht keinen Technologietransfer von Fiat. In Rüsselsheim steht das Entwicklungszentrum des gesamten General-Motors-Konzerns für Vierzylinder-Motoren. Das Wissen für kleine, spritsparende Antriebe ist dort gebündelt, weshalb sich GM wohl auch nicht zur Gänze aus dem Technologiezentrum zurückziehen wird. Welche Technologien also sollen da transferiert werden? Deshalb will man auch die Endmontagewerke erhalten, während die Komponenten- und Motorenfertigung abgewickelt werden wird. Diese sollen wohl künftig aus den Fiat-Werken stammen. Nur das macht unternehmerisch Sinn. Ob das aber den Kunden von Opel gefällt?
Das Image ist der Gewinn
Es geht vielmehr um ein hochwertiges Image mit guter Aufstellung in Zukunftsmärkten. GM Europe verkaufte bereits 2007 mehr Autos in Russland als in Deutschland. Auch in Asien hat die Marke eine gute Reputation, durfte sich aber aufgrund der Politik von General Motors dort bisher nicht entfalten. Einzig Südamerika und die USA sind fast totes Land für die Autos mit dem Blitz. Unbekannt sind sie aber auch da nicht.
Bei Saab ist Fiat bereits mit den tollkühnen Plänen vom Markenimperium durchgefallen und auch die deutsche Politik wäre gut beraten, sich den Versprechungen aus Turin nicht vorbehaltlos hinzugeben. Was Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg einen "interessanten Plan" nennt, könnte sich für die Beschäftigten auf lange Sicht als Katastrophe erweisen.
Gigantomanie als Prinzip
Denn der Plan von Fiat-Chef Marchionne beruht im Wesentlichen darauf, groß zu werden. Er sieht die Marke von 5,5 bis 6 Millionen zu produzierenden Einheiten als Mindestmaß an, um die Autokrise zu überstehen. Diese Zahl wurde vor einigen Jahren von Experten herausgegeben. Nur damit, so die Theorie, ließen sich die enormen Entwicklungskosten ordentlich refinanzieren. Deshalb will Fiat zukaufen, denn derzeit baut man gerade mal 2,2 Millionen Autos. Weshalb das so sein sollte, bleibt allerdings offen. Die Probleme der Branche basieren derzeit vor allem auf Überkapazitäten, die mit schmerzhaften Kürzungen abgebaut werden müssen.
Könnte sein, dass der waghalsige Plan aufgeht und mit Fiat ein neuer Autogigant entsteht. Mit rund 19 Milliarden Euro Schulden im Rücken und einem Quartalsverlust von 410 Millionen im ersten Quartal 2009 kann die Offerte nicht anders als gewagt bezeichnet werden. Darüber kann auch das Ergebnis von 2008 in Höhe von 3,4 Milliarden nicht hinwegtäuschen. Damals war die Auto-Welt noch in Ordnung.
Es ist aber ebenso wahrscheinlich, dass der Fiat-Chrysler-Opel-Konzern an ähnlichen Problemen scheitert wie einst General Motors. Auch da hat man zugekauft, um über die eigenen Schwierigkeiten hinwegzutäuschen. Doch dieses Konzept endet bald. Und wer wird Sergio Marchionne auf seine blumigen Versprechungen festnageln können, wenn der Wahlkampf vorbei ist und sich Fiat in einer existenziellen Krise befindet?
Quelle: ntv.de, null