Karstadt-Karte im Ärmel Goldman Sachs pokert
22.04.2010, 13:02 UhrDie US-Großbank Goldman Sachs steht von allen Seiten unter Feuer: Politiker n Washington, London und Berlin gehen demonstrativ auf Distanz. In München kündigt die BayernLB ihre Zusammenarbeit auf. Das Geldhaus wehrt sich mit aller Kraft. Noch vor dem Wochenende könnten die Amerikaner zum Retter deutscher Arbeitsplätze aufsteigen: Zur Not will die Bank die insolvente Warenhauskette Karstadt selbst übernehmen.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs erwägt Zeitungsberichten zufolge den Kauf der insolventen Kaufhauskette Karstadt. In der Deutschland-Zentrale der Bank in Frankfurt am Main gebe es entsprechende Pläne, berichtete die "Welt". "Wir schauen uns das an. Aber es gibt noch keine Entscheidungen", zitierte das Blatt aus dem Management der Bank. Auch das "Handelsblatt" zitierte Manager von Goldman Sachs, denen zufolge es "erste Überlegungen" gebe, das Warenhausgeschäft selbst zu übernehmen, sollte sich niemand anderes finden.
Interessenten für Karstadt können bis Freitagnachmittag Angebote für Karstadt machen. Nach Angaben des Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg waren vor zehn Tagen noch sechs Investoren im Rennen. Namen nannte er nicht. Görg will alle 120 Karstadt-Häuser an einen Bieter verkaufen und so eine Zerschlagung des Unternehmens vermeiden. Die Bieterfrist kann noch verlängert werden.
Für Goldman Sachs käme der Kauf von Karstadt einer Schadensbegrenzung gleich. Die Investmentbank ist über ihre Fondstochter Whitehall rund zur Hälfte am Vermieterkonsortium Highstreet beteiligt, dem ein Großteil der Karstadt-Immobilien gehört. Highstreet ist also einer der größten Gläubiger. Sollte sich kein Käufer finden, müsste Highstreet für fast alle 120 Häuser einen neuen Mieter suchen und voraussichtlich deutliche Einnahmeverluste in Kauf nehmen, berichtete das "Handelsblatt".
Middelhoffs langer Schatten
Der ehemalige Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor, Thomas Middelhoff, hatte die Immobilien für eine hohe Summe von 4,3 Mrd. Euro verkauft und im Gegenzug "erheblichen Mieterhöhungen" zugestimmt, hieß es das im "Handelsblatt". Zu den weiteren Highstreet-Eigentümern gehören demnach die Deutsche Bank, Pirelli und der italienische Warenhausbetreiber Borletti. Sie unterstützen offenbar die diskutierten Übernahmepläne von Goldman Sachs, wie die Zeitung schrieb.
Die "Welt" verwies darauf, dass die US-Investmentbank 2005 die marode Drogeriemarktkette "Ihr Platz" übernommen, durch die Insolvenz gebracht, Sanierer engagiert und das Unternehmen einige Monate später an Schlecker verkauft hatte. So könne es beim Kauf von Karstadt ebenfalls laufen. Karstadt war 2009 zusammen mit seinem Mutterkonzern Arcandor Pleite gegangen.
Mitte der Woche war bekannt geworden, dass die Bayerische Landesbank (BayernLB) ihre Geschäftsbeziehungen zu Goldman Sachs mit sofortiger Wirkung kappt. Die außergewöhnliche Entscheidung steht im direkten Zusammenhang mit der Betrugsklage der US-Börsenaufsicht SEC gegen die US-Bank.
BayernLB kappt die Taue
Die BayernLB habe Goldman Sachs über den Abbruch der Geschäftsbeziehungen unterrichtet, bestätigte ein Sprecher der BayernLB. Weitere Details nannte der Sprecher jedoch nicht. Wie aus Finanzkreisen verlautete, geht es der mit staatlichen Milliardenhilfen geretteten Landesbank vor allem um ihr Bild in der Öffentlichkeit. Bei Geschäften mit Goldman Sachs verloren nach Angaben der US-Börsenwächter auch öffentliche Investoren viel Geld. Die Trennung sollen die Münchner per Brief vollzogen haben, war aus übereinstimmenden Quellen zu vernehmen.
In einem Schreiben an die Amerikaner habe der neue BayernLB-Chef Gerd Häusler den Schritt mit den Ermittlungen der Börsenaufsichts SEC begründet - "auch wenn es sich um ein schwebendes Verfahren handelt", wie die "FTD" aus dem einem Brief Häuslers zitierte. Die BayernLB konnte in der Finanzkrise nur durch ein zehn Milliarden Euro schweres Rettungspaket vor dem Zusammenbruch bewahrt werden.
Die US-Börsenaufsicht hatte in der vergangenen Woche ein Betrugsverfahren gegen Goldman Sachs ins Rollen gebracht. Die SEC wirft der Großbank vor, Kunden weltweit bei Finanzgeschäften "wesentliche Informationen" vorenthalten zu haben. Die US-Investmentbank habe sogenannte verbriefte Hypothekenkredite mit Hilfe eines Hedgefonds aufgelegt, der gleichzeitig auf den Wertverlust der Papiere spekuliert haben soll. Investoren sollen rund eine Milliarde Dollar verloren haben.
Blankfein muss nach Washington
Die schweren Vorwürfe der Börsenaufsicht sorgen auch im politischen Washington für anhaltende Debatten: Das US-Parlament will nun das Verhalten der Bank selbst unter die Lupe nehmen. Sowohl Bankchef Lloyd Blankfein als auch der direkt angeklagte Manager Fabrice Tourre müssen sich Berichten zufolge einem Ausschuss des Senats stellen. Die Anhörung solle am 27. April stattfinden, hieß es aus den USA.
Der Bank-Jungstar steht im Mittelpunkt der Affäre: Er war verantwortlich für das fragliche Hedgefonds-Geschäft. Deshalb hat die SEC den 31-Jährigen als einzigen Goldman-Banker auch direkt angeklagt. Das Wall-Street-Haus bestreitet die Vorwürfe vehement. Auch Tourre werde jegliche Schuld bestreitet, hieß es. Mittlerweile tauchen allerdings auch Zweifel an der Darstellung der SEC auf.
Einer der Kernpunkte der Anklage ist, dass Goldman Sachs den Investoren verheimlicht habe, das ein mächtiger Hedgefonds gegen sie wettet. Nach Angaben des US-Wirtschaftssenders CNBC liegt nun jedoch eine Zeugenaussage eines Managers des Hedgefonds vor. Demnach hat dieser einen der Hauptbetroffenen - die Finanzfirma ACA - im Vorfeld über seine Pläne informiert.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts