Wirtschaft

"Das nächste große Ding" Grenzmärkte locken

Wem Anlagen in Schwellenländern zu langweilig oder besser gesagt, nicht mehr renditestark genug sind, dem bieten die sogenannten Frontier States Abhilfe. Experten zufolge gehören den "Grenzmärkten" die Zukunft. Aber wo liegen sie?

Afrika könnte das neue China werden, wenn es nach Finanzexperten geht.

Afrika könnte das neue China werden, wenn es nach Finanzexperten geht.

(Foto: REUTERS)

Sierra Leone, Westjordanland, Irak: Stimmt die alte Finanzweisheit, wonach Kapital das Herz eines Hasen und die Beine eines Rennpferds hat, müsste es dort schleunigst Reißaus nehmen. Doch Lars Thunell winkt ab. Stimmt so nicht, sagt der Chef der Internationalen Finanz-Corporation (IFC) in Washington, einem Mitglied der Weltbank-Gruppe. "Das nächste große Ding werden die Kapitalströme in Frontier States (Grenzmärkte) sein", sagt der Schwede.

In altbekannte Schwellenländer wie Brasilien, Indien oder China seien schon gewaltige Mittel geflossen. "Die Leute halten Ausschau nach Rendite" - was geschundene und arme Staaten ins Visier von Anlegern rückt, auch großen.

"Wir helfen den Armen"

Thunell muss es wissen: Die IFC investiert in Privatunternehmen in den ärmsten Ländern der Erde - um wie im Auftrag der Weltbank vorgesehen Menschen aus dem Elend zu helfen. "Wir gehen dahin, wo niemand anderes hingeht", sagt er. Und das profitabel: "In diesen Ländern kommen wir durchaus auf anständige Erträge." Bei den Beteiligungen in Afrika seien es pro Jahr im Schnitt 20 Prozent. Und ein im April aufgelegter Fonds der Organisation für Investitionen in Firmen in Afrika, Lateinamerika und der Karibik lockte schon 950 Mio. Dollar (683 Mio. Euro) von sonst eher konservativen Staats- oder Pensionsfonds an.

Auf der Jagd nach höheren Gewinnen und Alternativen zu etablierten Börsen schleusten Anleger allein bis zum Sommer die Rekordsumme von 1,1 Mrd. Dollar in Grenzmarkt-Fonds, zitiert das "Wall Street Journal" das US-Institut EPFR Global, das Investmentströme verfolgt. Der bisherige Höchststand: rund 443 Mio. Dollar 2007. Über die vergangenen zehn Jahre ließen Aktienindizes der Grenzmärkte im Durchschnitt die der Schwellenländer klar hinter sich.

Afrika lockt mit hohen Erträgen

"Viele institutionelle Investoren sehen Afrika dort, wo die Schwellenländer vor 20 Jahren waren - als Orte, die Investoren zu Tode ängstigen, aber die sich rapide ändern und in denen Erträge hoch sind", urteilt das einflussreiche US-Finanzmagazin "Barron's", das den Grenzmärkten und vor allem Afrika unlängst eine Titelstory widmete. Nach Schätzung des Internationalen Währungsfonds IWF können die Länder südlich der Sahara in diesem und im nächsten Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von um 5 Prozent rechnen. Trotz aller Armut legen dort die Einkommen zu, dank der Globalisierung und des Rohstoffhungers des Wirtschaftsgiganten China.

Das massive Engagement des Reichs der Mitte in Afrika ist längst bekannt, aber auch andere sehen Chancen in lange vergessenen Winkeln der Welt. Vier Milliarden Menschen leben von weniger als 3000 Dollar im Jahr. "Das ist ein Markt von 5 Mrd. Dollar, und Unternehmen entwickeln Produkte gezielt dafür", sagt IFC-Chef Thunell. Als Beispiele fallen ihm Technologien aus Indien zur Abwicklung von Kleinstkrediten ein, revolutionäre Preismodelle, die dort Millionen Armen den Weg zum Handy ebnen.

38 Prozent rauf, 55 Prozent runter

Und die Risiken für Investoren? Die Schwankungen können in der Tat enorm sein: So ging es für den MSCI Frontier-Market-Aktienindex 2007 um 38 Prozent nach oben und ein Jahr später um 55 Prozent steil bergab. Die Märkte sind klein und wenig liquide, häufig lauern politische Unwägbarkeiten, wackelige Währungen, Korruption. Oft mangelt es an Rechtssicherheit und behördlicher Aufsicht. IFC-Chef Thunell rät indes zur ruhigen Betrachtung: "Es ist nicht so gefährlich, wie es scheint", sagt er und verweist auf die durchschnittliche 20-Prozent-Rendite der IFC-Beteiligungen auf dem Schwarzen Kontinent.

Arme Nationen und Schwellenländer werden derweil schon nervös angesichts des wachsenden Interesses. Die Kapitalströme sorgten bei Währungen für Aufwertungsdruck, die Gefahr einer Überhitzung der Märkte steige und das Risiko wachse, dass all das Geld schnell wieder den Rückzug antrete, mahnte die G24-Staatengruppe unlängst auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank. Fast hilflos klang ihr Appell an den Währungsfonds, den Geldfluss besser zu beobachten - und Ideen zu entwerfen, um Gefahren zu bändigen.

Quelle: ntv.de, dpa

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