Wirtschaft

Schwere Krawalle in Athen Griechenland nimmt Bedingungen an

Polizisten vor einem brennenden Gebäude in Athen.

Polizisten vor einem brennenden Gebäude in Athen.

(Foto: REUTERS)

Das griechische Parlament stimmt den harten Sparauflagen von EU und IWF zu. Damit ist die Pleite des Landes vorerst abgewendet. Auf den Straßen von Athen kämpfen derweil Vermummte gegen Polizisten, zahlreiche Gebäude stehen in Flammen. Mindestens 80 Menschen werden verletzt.

Begleitet von schweren Krawallen hat das griechische Parlament die umstrittenen Sparauflagen von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds gebilligt und damit den Weg für ein weiteres Milliarden-Hilfspaket freigemacht. Die Einschnitte sehen unter anderem kräftige Lohnkürzungen im Privatsektor sowie Entlassungen von 150.000 Staatsbediensteten bis 2015 vor.

Bei der Abstimmung im 300 Mitglieder zählenden Parlament votierten 199 Abgeordnete der Sozialisten und der Konservativen sowie einige unabhängige Abgeordnete für die von den internationalen Geldgebern erzwungenen Maßnahmen. Es gab 74 Gegenstimmen von kommunistischen und linken Abgeordneten sowie zahlreichen Abweichlern aus den Reihen der Konservativen und der Sozialisten. 5 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Anwesend waren 278 Abgeordnete.

Die Zustimmung aus Athen ist Voraussetzung dafür, dass die EU-Finanzminister am kommenden Mittwoch ein weiteres Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro Athen bewilligen. Die griechische Übergangsregierung wird von Sozialisten und Konservativen getragen.

Gebäude stehen in Flammen

Die Entscheidung des griechischen Parlaments wurde von stundenlangen Ausschreitungen im Zentrum von Athen überschattet: Vermummte Randalierer im Zentrum der Hauptstadt warfen mit Brandsätzen und Steinen; zahlreiche Gebäude gingen in Flammen auf - so auch das 1870 erbaute Attikon-Kino sowie ein Lichtspielhaus, in dem die Gestapo während des Zweiten Weltkriegs politische Gegner folterte.

Tränengas vor dem Parlament.

Tränengas vor dem Parlament.

(Foto: REUTERS)

Bei den Krawallen wurden mindestens 80 Menschen verletzt, darunter 30 Polizisten. Der Sprecher der Feuerwehr, Nikos Tsongas, sagte im Fernsehen: "Wir haben viele Brände und versuchen sie unter Kontrolle zu bringen."

Dem staatlichen Fernsehen zufolge griff die Gewalt auch auf die Inseln Korfu und Kreta über. In der Hauptstadt wurden Geschäfte geplündert. Es waren die schlimmsten Unruhen seit 2008, als Griechenland nach tödlichen Polizeischüssen auf einen 15-jährigen Schüler in wochenlangen Unruhen versank.

Bereits am frühen Abend hatten etwa 200 mit Knüppeln bewaffnete Vermummte versucht, Absperrungen vor dem Parlament zu durchbrechen. Sie warfen Steine und Feuerwerkskörper auf die Polizei. Das von der Polizei eingesetzte Tränengas drang bis ins Parlamentsgebäude, wo die Abgeordneten über das Reformpaket berieten.

Zehntausende demonstrieren friedlich

Vor den Ausschreitungen waren Zehntausende Griechen friedlich gegen die geplanten Einschnitte auf die Straße gegangen. Die Demonstranten kritisierten, die Griechen hätten bereits genügend Kürzungen und Steuererhöhungen hingenommen, um den Schuldenberg des Landes abzubauen.

Die Angaben über die Teilnehmerzahl insgesamt gehen weit auseinander: Während die Polizei von 55.000 Demonstranten sprach, gaben Gewerkschafter die Zahl von 200.000 an.

Hitzige Debatte im Parlament

Der Abstimmung im griechischen Parlament war eine hitzige Debatte vorausgegangen, Parlamentspräsident Filippos Petsalnikos musste mehrmals einschreiten, weil einzelne Abgeordnete die Aussprache mit Schreien und Beschimpfungen störten.

Der parteilose Ministerpräsident Lucas Papademos warb vor den Abgeordneten eindringlich für die Zustimmung zum umstrittenen Sparpaket. Es sei eine "Entscheidung von historischer Bedeutung", sagte Papademos.

"Staat muss neu gegründet werden"

Papademos zeigte zugleich Verständnis für die Widerstände in der Gesellschaft gegen das Spardiktat der internationalen Geldgeber. "Die fehlende Anerkennung der Bemühungen der Griechen und die ständige Kritik einiger Partner erzeugt Empörung unter den Griechen." Der Regierungschef kündigte ein neues Steuersystem an. "Der ganze Staat soll neu gegründet werden."

Der kommunistische Abgeordnete Giorgos Mavrikos wirft mit dem kompletten Gesetzentwurf.

Der kommunistische Abgeordnete Giorgos Mavrikos wirft mit dem kompletten Gesetzentwurf.

(Foto: dpa)

Sozialisten-Chef Giorgos Papandreou rief zu einer Abkehr vom Schuldenmachen auf. "Wir können nicht mehr einen Klientelstaat haben. Wir müssen uns davon befreien", rief der frühere Regierungschef.

Auch der Parteichef der Konservativen, Antonis Samaras, warb eindringlich für eine Zustimmung. "Uns bleibt nichts anderes übrig, als dem Sparprogramm zuzustimmen. Wir werden dann versuchen, die Glaubwürdigkeit unseres Landes zurückzugewinnen."

Schäuble will Taten sehen

Das pleitebedrohte Land steht unter massivem Druck der Geldgeber. Deutschland will nach den Worten von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nur noch helfen, wenn Athen Sparpakete nicht nur beschließt, sondern auch in die Tat umsetzt. "Deswegen reichen uns jetzt die Versprechen von Griechenland nicht mehr", sagte er der "Welt am Sonntag".

Das Land dürfe nicht zu einem Fass ohne Boden werden: "Deswegen müssen die Griechen endlich den Boden einziehen. Dann können wir auch etwas reintun." Bisher ist Deutschland mit 15 Milliarden Euro an der Stabilisierung des Landes beteiligt. Auf die Frage, ob auch ein Austritt Griechenlands aus dem Euro denkbar sei, antwortete Schäuble: "Das haben die Griechen alles selber in der Hand."

Griechenland hängt seit fast zwei Jahren am Tropf seiner Geldgeber IWF und EU. In Deutschland sind nur noch 27 Prozent der Menschen überzeigt, die Griechen bemühten sich ernsthaft, die im Gegenzug vereinbarten Sparmaßnahmen umzusetzen. CSU-Chef Horst Seehofer regte Volksabstimmungen über deutsche Hilfen für die Währungsunion an.

Der US-Multimilliardär und Spekulant George Soros warf Kanzlerin Angela Merkel vor, sie wiederhole die Fehler, die Amerika 1929 in die große Depression gestürzt hätten. Die Konjunktur in den Krisenstaaten müsse mit Finanzspritzen belebt werden, anstatt die Regierungen zum Sparen zu zwingen, sagte er dem "Spiegel".

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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