"Eine faire Chance auf Erfolg" Griechenland verändern, nur wie?
01.03.2012, 12:45 Uhr
Dieser Weg ist kein leichter. Die Griechen schleppen sich durch die Krise.
(Foto: picture alliance / dpa)
Noch ist Griechenland nicht gerettet. Die Wirtschaft braucht dringend Wachstumsimpulse, um auf die Beine zu kommen. Investitionen aus dem Ausland wären hilfreich, aber der Geldstrom kommt nicht in Fluss. Neben der Finanzhilfe ist auch die Aufbauhilfe schwieriger als erwartet. Wo soll man ansetzen? Der Euro könnte noch mal zum Thema werden.

Athen muss noch viel Eis brechen, um den Weg für Investitionen frei zu machen.
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Nach der Rettung ist wie immer vor der Rettung: Die Tatsache, dass Griechenland seine Schulden nach den Hilfspaketen besser schultern kann, ist leider keine Garantie für eine wirtschaftlich stabile Situation. Das Pleiteland braucht jetzt vor allem eine wettbewerbsfähige Privatwirtschaft, um zu überleben. Kaum ist das zweite Hilfspaket für Athen geschnürt, wird also lebhaft über Investitionsprogramme diskutiert. Das Problem ist, dass es für das Geld kaum Kanäle gibt, durch die es fließen könnte.
Auch Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker vollzog eine gedankliche Wende, indem er die Wiederaufbauhilfe in den Vordergrund stellte. Niemand solle denken, schwächere Länder könnten ohne Wachstumsimpulse wieder auf die Beine kommen, stellte der Luxemburger Regierungschef erst jüngst klar, und fordert deshalb jetzt auch einen Aufbaukommissar statt eines Sparkommissars für Athen. Es müsse jemand Hilfestellung bieten und in der griechischen Wirtschaftspolitik vorausdenken, kündigte er an.
EIB lotet Wachstumsförderungen aus
Eine Institutionen, die beim Aufbau einen wichtigen Part übernehmen wird, ist die Europäische Investitionsbank EIB. Die EU-Regierungschefs hatten die EIB bereits Ende Januar damit beauftragt, Möglichkeiten für die Wachstumsförderung in hochverschuldeten Euro-Staaten auszuloten. Ohne wirklichen Aufgabenbereich sei die Hausbank der Europäischen Währungsunion wie geschaffen für die Aufbauhilfe, loben Experten. Ihr neuer Präsident Werner Hoyer signalisierte bereits, sich an der Sanierung Griechenlands beteiligen zu wollen.
Hoyer fordert einen Marshallplan, um Griechenland auf Wachstumskurs zu bringen. "Nur so kann es gelingen die Strukturen des Landes von Grund auf zu erneuern", sagte er. Die EIB wird dieses Jahr wieder zwei Milliarden Euro für die griechische Realwirtschaft einbringen, so viel wie im vergangenen Jahr. Ein Sonderprogramm soll es den griechischen Banken erleichtern, Kredite an Unternehmen zu vergeben. Darüber hinaus will sie auch Infrastrukturprojekte starten, etwa beim Autobahnbau. Die EIB sieht auch durchaus noch Potenzial bei sich mehr zu tun, will dafür aber ihre Kapitalbasis um fünf bis zehn Milliarden Euro aufstocken. Sie schlägt vor, dass die EU-Kommission ihre nicht ausgegebenen Haushaltmittel, die sonst an die Länder zurücküberwiesen werden, an sie überträgt.
Auch in der deutschen Politik wird die Aufbauhilfe diskutiert. Den Grünen schwebt eine Task Force aus Vertretern der Investoren der griechischen Regierung, der regionalen Verwaltung, der Troika aus EZB, EU und IWF vor. Um die notwendigen Mittel aufzubringen, ist eine Finanztransaktionssteuer angedacht. Außerdem soll ein europäischer Schuldentilgungsfonds eingeführt werden.
"Baut endlich eure Wirtschaft auf!"
An Anregungen und Denkanstößen mangelt es nicht. Aber bis die Zuständigkeiten für deren Umsetzung einmal geregelt sind, die Behörden und Task Forces gegründet und berufen sind, wird wieder viel Zeit vergehen. Und trotzdem wird immer noch niemand beziffern können, wie viel Geld am Ende für die Sanierung Griechenlands nötig sein wird. Und das ist nicht das einzige Problem. Alle Initiativen brauchen einen entsprechenden Gegenpart auf der griechischen Seite.
Der BDI wettert bereits jetzt, dass die Bedingungen in Griechenland, in dem es noch nicht einmal ein Katasteramt gibt, für Investoren einfach nicht stimmen. BDI-Chef Hans-Peter Keitel legte den Finger auch noch in eine andere Wunde. Er warf den griechischen Eliten mangelnden Patriotismus vor. Diejenigen, die in der Lage seien, Griechenland in eine neue Zukunft zu führen, müssten sich auch einbringen, schimpfte er.
Es gehe nicht, "dass die deutschen Investoren an der Grenze feststellen, dass die griechischen Investoren auf der Gegenspur entgegenkommen". "Marschiert zurück und baut endlich eure Wirtschaft auf!" Die Probleme liegen, so gesprochen, auf der Straße, die Lösungen dagegen noch nicht.
"Offenbar keine Priorität"
Selbst die EIB räumte ein, dass ihr die Griechenland-Hilfe Probleme bereitet. Sie klagt, dass es nicht ganz so einfach sei, "neue Projekte zu finden, die solide finanziert werden können". Zuletzt gab es auch noch ernüchternde Rückmeldungen aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Wie aus einem internen Arbeitspapier, das der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt, hervorgeht, soll Griechenland von der deutschen Initiative zur Wirtschaftshilfe bislang kaum Gebrauch machen. Die mit der Europäischen Union vereinbarte Wachstums- und Investitionsoffensive für Griechenland genieße auf Athener Regierungsseite "offenbar keine Priorität", heißt es darin.
Dass die Chance in Form dieser Mittel nicht ergriffen wird, steht im krassen Gegensatz zur jüngsten Anzeigenkampagne führender griechischer Unternehmen in überregionalen deutschen Tageszeitungen, in der sie eindringlich um Unterstützung für das Euro-Krisenland baten. "Unsere Partner in Europa haben zu uns gestanden. Wir benötigen diesen Beistand, ebenso wie die Luft zum Atmen, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen", ließen die Unternehmer die deutsche Öffentlichkeit wissen. "Und wir verdienen die Gewissheit, dass hierbei eine faire Chance auf Erfolg besteht", appellierten sie.
Fest steht, Griechenland kann es aus eigener Kraft nicht schaffen, produktiv zu werden. Karl Brenke vom Berliner Forschungsinstitut DIW attestiert dem Land nach einem Vergleich seiner Unternehmenslandschaft mit der von anderen Eurostaaten, dass Griechenlands Wirtschaftsstruktur nur der eines Schwellenlandes entspricht. Die Branchen- und Beschäftigtenstruktur zeigen klar dieselben Merkmale. Der Anteil der Ein- oder Zweimannbetriebe ist rekordverdächtig hoch innerhalb der EU, und die wichtigsten Produkte der einheimischen Industrie sind Nahrung- und Baumittel. Bei den Dienstleistungen dominieren einfache Tätigkeiten vor allem im Tourismus.
Keine guten Voraussetzungen, um Anschluss an die Eurozone zu finden. Eine Einsicht, die nach allen Finanzhilfen, die nach Athen geflossen sind, bitter ist. Überraschend kommt sie nicht. Jahrzehntelang wurde der Staatssektor gnadenlos aufgebläht, während die Privatwirtschaft sträflich vernachlässigt wurde.
Thema Doppelwährung
Die Ausgangslage für weitere Rettungsmanöver ist schwierig. Solange es nicht die nötigen Strukturen in Griechenland gibt, wird Wirtschaftshilfe kaum möglich sein. Ansätze, wie die Rettung Griechenlands weiter vorangetrieben werden kann, sind erkennbar. Aber die Diskussion um Maßnahmen, um Griechenland wettbewerbsfähig zu bekommen, wird die Fachwelt noch eine Weile umtreiben. Die Skepsis, dass Griechenland mit dem Euro dauerhaft nicht zurechtkommen wird, wächst während Investitionsprogramme und Marshallplan-artige Hilfen diskutiert werden. Die Währungsfrage dürfte deshalb durchaus noch einmal Thema werden.
Die Löhne sollen sinken, aber die Steuereinnahmen steigen. "Das passt nicht zusammen", äußerte sich zuletzt der Präsident des Bundesverbands mittelständischer Wirtschaft, Mario Ohoven. Seiner Meinung nach könnte eine Doppelwährung helfen. So tritt Ohoven dafür ein, neben dem Euro parallel eine neue Drachme einzuführen. In dieser sollten Zahlungen von Griechen untereinander abgewickelt werden, also beispielsweise Renten, Mieten oder Löhne. Für Geschäfte mit dem Ausland schlägt er weiterhin den Euro vor. Auch Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) plädiert für das Modell Euro plus Drachme.
Andere, wie der Jenaer Wissenschaftler Christian Fahrholz, favorisieren dagegen eine Doppellösung mit einer neuen Euro-Währung (NECU) für die stärksten Länder. Sie hätte einige Vorteile, zum Beispiel, dass die Schulden Griechenlands in "alten" Euro bestehen bleiben würden. Außerdem muss niemand aus dem Euro "hinauskomplimentiert" werden, was sowieso nicht möglich ist.
Darüber hinaus gäbe es einen hohen Anreiz für alle in der alten Euro-Währung verbleibenden Staaten, schnellstmöglich zur neuen Euro-Währung NECU aufzuschließen. Alle Diskussionen über eine Rettung Griechenlands zeigen klar, eine Lösung ist nach lange nicht in Sicht.
Quelle: ntv.de