Hauptversammlung dauert an HRE-Aktionäre im Zorn
02.06.2009, 20:32 UhrDer Weg zur ersten Verstaatlichung einer Bank in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg ist frei. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung des angeschlagenen Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) kam der Bund in München mit seinem Anteil von 47,3 Prozent des Grundkapitals auf die einfache Mehrheit der anwesenden Stimmen.
Angesichts einer Präsenz von 74,11 Prozent war damit klar, dass die geplante Kapitalerhöhung der Bank, durch die der Anteil des Bundes auf 90 Prozent steigen soll, durchgesetzt werden kann. Der Beginn der Abstimmung allerdings verzögerte sich. Am Abend lag noch rund ein Dutzend Wortmeldungen von aufgebrachten Kleinaktionären vor, die die geplante Verstaatlichung als "Raubüberfall des Staates auf unser Privateigentum" kritisierten. Bis spätestens Mitternacht sollte das Treffen abgeschlossen sein.
Der Bund will eine Kapitalerhöhung von bis zu 5,6 Mrd. Euro durchdrücken. Vom Kauf der neuen Aktien sollen alle anderen Aktionäre ausgeschlossen sein, so dass der Bund einziger Käufer wäre und sich somit eine Mehrheit von mindestens 90 Prozent sichern kann. Damit kann er dann die restlichen Aktionäre ohne größere juristische Probleme durch ein sogenanntes Squeeze Out herausdrängen.
Die frustrierten und wütenden Kleinaktionäre des ums Überleben kämpfenden Immobilienfinanzierers nutzten das Treffen für eine Generalabrechnung mit dem früheren Management und den Verstaatlichungsplänen der Bundesregierung. "Wir sind am Anfang des Endes dieser Gesellschaft", sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Die Aktionäre begleiten dieses Schauspiel mit einem Gefühl der Resignation und der Wut." Der alte Vorstand unter Georg Funke habe die Bank leichtfertig und fahrlässig gegen die Wand gefahren. "Zocken mit eigenem Geld mag erlaubt sein, aber nicht mit dem Vermögen der Aktionäre."
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sprach von der schwärzesten Stunde des deutschen Kapitalmarktrechts. US-Großaktionär J.C. Flowers war nicht persönlich bei dem Treffen anwesend. Er ist einer der schärfsten Kritiker der vollständigen Verstaatlichung und bislang nicht bereit, seine Aktien zu verkaufen. Die von Flowers angeführten Investoren kontrollieren derzeit noch rund 14 Prozent der HRE-Anteile.
"Keine realistische Alternative"
HRE-Chef Axel Wieandt warb für die Verstaatlichung. "Es gibt für die Hypo Real Estate keine realistische Alternative zur Beteiligung des Bundes." Die HRE sei von der Finanzkrise voll erwischt worden und alleine schlicht nicht überlebensfähig. "Ohne Unterstützung des Bundes gäbe es keine Basis für eine Fortführung der Gesellschaft und der Gruppe. Wir hätten bereits Insolvenz für die Gesellschaft beantragen müssen."
Die Hypo Real Estate habe bereits Garantien und Bürgschaften in Höhe von gut 100 Mrd. Euro in Anspruch genommen, sei aber noch nicht über den Berg. Auch in den kommenden Monaten seien weitere Hilfen notwendig. Die Sanierung werde voraussichtlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Die HRE will zu einer Spezialbank für Immobilien- und Staatsfinanzierung schrumpfen.
Der Chef des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin), Hannes Rehm, kündigte an, die HRE so rasch wie möglich wieder privatisieren zu wollen. Dies könne in zwei bis drei Jahren der Fall sein, wenn die Bank wieder in der Lage sei, sich komplett über den Kapitalmarkt zu refinanzieren, sagte Rehm der "Süddeutschen Zeitung".
Weitere Voraussetzungen für die Privatisierung seien ein funktionierendes Geschäftsmodell sowie Erfolg im Neugeschäft. Auf der Hauptversammlung verteidigte Rehm nochmals die Pläne des Bundes zu einer vollständigen Übernahme. Dies sei notwendig, um schnell handeln zu können.
Bild- und Tonaufnahmen verboten
Hohe Wellen schlug auch das Verbot von Bild- und Tonaufnahmen bei der außerordentlichen Hauptversammlung. "Es kann nicht sein, dass die Bank im Hinterzimmer verstaatlicht wird", sagte ein Aktionär unter dem Beifall der Anleger. Kamerateams und Radioreporter durften nur vor Beginn des Aktionärstreffens Aufnahmen machen und mussten den Raum dann verlassen.
Gerade wegen der Brisanz der Hauptversammlung hatten Aktionäre auf eine elektronische Übertragung gedrängt. "Auch die anderen sollten wissen, was der Staat mit uns macht", sagte Harald Petersen von der SdK. Zuvor hatte auch der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) das Verbot verurteilt.
Quelle: ntv.de, dpa