Wirtschaft

"Für alle Beteiligten keine ganz glückliche Situation" HSH-Vorstände schweigen zu Prozessbeginn

Der frühere Bankchef Dirk Jens Nonnemacher vor Gericht.

Der frühere Bankchef Dirk Jens Nonnemacher vor Gericht.

(Foto: REUTERS)

Es ist einer der größten Prozesse zur Finanzkrise: In Hamburg stehen sechs frühere HSH-Nordbank-Manager vor Gericht, darunter der Ex-Chef Nonnenmacher. Sie sollen durch ein kompliziertes Geschäft die Bank an den Abgrund geführt haben. Noch ist allerdings unklar, ob der Vorwurf der Kredituntreue überhaupt anwendbar ist.

Zum Auftakt eines der größten Prozesse zur Aufarbeitung der Finanzkrise in Europa haben die sechs angeklagten früheren Manager der HSH Nordbank geschwiegen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen gemeinschaftlich begangene Untreue in einem besonders schweren Fall vor. Der ehemalige Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher sowie der frühere Kapitalmarktvorstand Joachim Friedrich werden zudem der Bilanzfälschung beschuldigt. Die sechs Ex-Vorstände sehen sich zu Unrecht verfolgt.

Es ist der erste Prozess überhaupt, in dem ein kompletter Bankvorstand wegen der Ereignisse während der Finanzkrise auf der Anklagebank sitzt. Im Kern geht es um ein komplexes Wertpapiergeschäft, mit dem die HSH ihr Kapitalpolster aufhübschen wollte - rechtzeitig vor einem für 2008 geplanten, aber nie vollzogenen Börsengang. Doch damit holte sie sich Risiken ins Haus, die sie beinahe in die Pleite getrieben hätten. Hamburg und Schleswig-Holstein mussten die Landesbank mit einem 13 Milliarden Euro schweren Rettungspaket vor dem Kollaps bewahren.

Verteidigung scheitert mit Antrag

Der frühere Vorstandschef der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher (2.v.r), sein Vorgänger Hans Berger (4.v.l) und weitere Angeklagte mit ihren Anwälten stehen vor dem Landgericht in Hamburg im Sitzungssaal.

Der frühere Vorstandschef der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher (2.v.r), sein Vorgänger Hans Berger (4.v.l) und weitere Angeklagte mit ihren Anwälten stehen vor dem Landgericht in Hamburg im Sitzungssaal.

(Foto: dpa)

Bislang hat das Landgericht Hamburg 40 Verhandlungstage bis 2014 festgesetzt. Platz auf der Anklagebank in dem überhitzten Saal mit Stuckdecke und Kronleuchterattrappen nahmen auch Nonnenmachers Vorgänger an der Bankspitze, Hans Berger, sowie der ehemalige Risikomanager Hartmut Strauß.

Die Verteidigung beantragte zu Beginn erfolglos, einen Teil der Anklageschrift nicht zu verlesen, weil sie zu wertend sei und die Angeklagten damit vorverurteile. Ein Anwalt rügte die Besetzung des Gerichts in einem mehr als einstündigen Vortrag, bei dem er minutenlang Datums-Listen über Beschlüsse zur Verteilung der Verfahren auf die Richter vorlas. Später trug die Staatsanwaltschaft detailliert die Vorwürfe gegen die sechs früheren Bankmanager vor.

Bei einem Schuldspruch drohen Nonnenmacher und seinen Ex-Kollegen Haftstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Doch werden solche Verfahren nicht selten gegen Geldauflagen eingestellt. Nach einer Verurteilung kämen auf die Angeklagten womöglich auch Schadenersatzansprüche ihres Ex-Arbeitgebers zu. Für Nonnenmacher, der als kühler Mathematikprofessor auf dem Höhepunkt der Finanzkrise an die Spitze der Bank geholt worden war, geht es auch um seine Abfindung von vier Millionen Euro. Sie dürfte er wohl nur dann behalten, wenn er straffrei aus der Sache herauskommt.

"Omega 55" ist kompliziertes Überkreuzgeschäft

Im Zentrum des Prozesses steht ein Überkreuzgeschäft unter dem Codenamen "Omega 55", das 2008 eine halbe Milliarde Euro an Abschreibungen verursachte, Vorstandschef Berger das Amt kostete und Staatshilfen nötig machte. Laut Staatsanwaltschaft diente "Omega 55" nur dazu, die Eigenkapitalquote vor dem Börsengang zu optimieren.

Dazu lagerte die HSH Immobilienkredite im Volumen von zwei Milliarden Euro in die Zweckgesellschaft Omega aus und versicherte sie bei der französischen Bank BNP Paribas gegen Ausfall. Das entlastete die Bilanz.

HSH-Nordbank-Zentrale in Kiel

HSH-Nordbank-Zentrale in Kiel

(Foto: dpa)

Doch das Geschäft hatte eine Kehrseite: Die HSH musste für sechs Jahre Risiken eines Wertpapierportfolios von BNP Paribas übernehmen, das unter anderem isländische Anleihen und Zertifikate der US-Bank Lehman Brothers enthielt. Die Papiere verloren in der Finanzkrise massiv an Wert. Letztlich blieb die HSH auf einem Verlust von 158 Millionen Euro sitzen.

"Der Vorstand hat gegen Prüfungspflichten bewusst verstoßen und nahm billigend ein unüberschaubares Risiko in Kauf", sagte Staatsanwalt Karsten Wegerich. Die internen Systeme hätten eine vollständige Bewertung gar nicht erlaubt. Das überhastet vereinbarte Geschäft habe vom ersten Tag an Verluste abgeworfen und keinen Zweck gehabt, da sich die erhoffte Kapitalentlastung durch die kurze Laufzeit am Ende nicht habe realisieren lassen. Zudem habe der Deal im krassen Widerspruch der einige Monate zuvor beschlossenen Strategie gestanden, keine strukturierten Wertpapiere mehr zu kaufen.

Prozess ist juristisches Neuland

Mit dem Prozess wird nach Angaben der Wirtschaftsstrafkammer des Hamburger Landgerichts juristisches Neuland betreten. Ob der Vorwurf der Kredituntreue auf Finanzprodukte wie "Omega 55"übertragbar ist, sei ungeklärt, sagte der Vorsitzende Richter Marc Tully. "Die Strafkammer betritt Neuland", ergänzte er. "Das ist für alle Beteiligten keine ganz glückliche Situation." Der Prozess wird am Montag (29.7.) fortgesetzt.

Die juristische Aufarbeitung der Finanzkrise steht noch am Anfang. Der Ex-Chef der mit zehn Milliarden Euro Staatshilfe geretteten Mittelstandsbank IKB, Stefan Ortseifen, war 2010 zu einer Bewährungsstrafe wegen Marktmanipulation verurteilt worden. In München läuft ein Schadenersatzprozess der BayernLB gegen frühere Vorstände wegen des Kaufs der österreichischen Krisenbank Hypo Alpe Adria.

In Spanien laufen Ermittlungen gegen hundert Banker, deren Institute beinahe zusammenbrachen, als die Immobilienblase platzte. In Großbritannien blieb die strafrechtliche Verfolgung bislang aus. Nur einige Bankmanager erhielten Berufsverbot, anderen wurden ihre Adelstitel entzogen.

Quelle: ntv.de, jwu/rts/dpa

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