Dioxin-Skandal verunsichert Kunden Händler bleiben auf Eiern sitzen
07.01.2011, 13:15 UhrDer Skandal um Dioxin-Funde in Lebensmitteln schlägt im Einzelhandel hohe Wellen. Obwohl mehrere tausend Betriebe nicht liefern dürfen, herrscht bei den empfindlichen Hühnerprodukten weiterhin kein Mangel. Offenbar machen mehr und mehr Bundesbürger einen großen Bogen um das Eier-Regal.
Viele Verbraucher lassen Eier angesichts des Dioxin-Skandals in den Regalen liegen. Ein Absatzrückgang sei "deutlich spürbar", sagte Margit Beck von der Bonner Marktberichterstattungsstelle MEG. Die Preisnotierungen an den Lebensmittelbörsen seien "über den Jahreswechsel etwa doppelt so stark zurückgegangen wie im Vorjahr".
Um 8 Prozent ging beispielsweise ein von der MEG festgestellter Preis zurück, den Bauern für Eier aus Bodenhaltung verlangen können. Im Vorjahr sei derselbe Wert kurz nach dem Jahreswechsel um lediglich zwei Prozent gesunken. Ein schwacher Rückgang beim Eier-Absatz ist laut MEG zu Jahresbeginn üblich, weil sich viele Verbraucher gewöhnlich vor den Feiertagen mit Eiern eindecken. Die Bonner MEG Marktinfo Eier & Geflügel ist ein Anbieter für Markt- und Preisberichterstattung. Unter anderem befragt sie Eiervermarkter zur Marktlage.
Obwohl inzwischen mehr als 4700 Betriebe in Deutschland wegen Dioxinverdachts gesperrt sind, sei "von einer Verknappung des Eier-Angebots nichts zu spüren", betonte Eiermarkt-Expertin Beck. Auch dies sei ein Indiz für die Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Die Eier-Nachfrage der Verbraucher ist damit stärker eingebrochen als das durch die Sperrungen verknappte Angebot.
In welchen Ausmaßen dioxinverseuchtes Tierfutter die Konsumenten verunsichert, ließ sich auch aus den Ergebnissen einer ARD-Umfrage ablesen. Bei der Mehrheit der deutschen Verbraucher führt der Skandal demnach zu keiner Änderung im Kauf- und Ernährungsverhalten.
Zittern beim Geflügel
Bei der Untersuchung gaben zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) an, sie seien von dem Skandal unbeeinflusst. Nur 14 Prozent wollten demnach weniger Eier essen, vier Prozent vorerst ganz auf Eier verzichten. Weitere 13 Prozent der Befragten gaben an, ihre Lebensmittel künftig woanders einkaufen zu wollen als bisher.
Der Zentralverband Geflügelwirtschaft konnte diesen Eindruck bestätigten. Bei der Nachfrage nach Geflügelfleisch waren nach Angaben der Geflügelexperten bislang wenige Veränderungen feststellbar. Erkenntnisse, ob der Dioxin-Skandal die Fleischpreise generell drücken wird, gibt es auch laut MEG-Analystin Beck derzeit noch nicht. Wegen längerfristigen Preisbindungen sei der Geflügelmarkt wenig dynamisch.
Schweinepreis stabil
Parallel dazu war bekannt geworden, dass die Behörden in einem Thüringer Schlachthof mehrere Tonnen Fleisch Dioxin-Verdachts sichergestellt hatten. Ein Teil davon stamme von Schweinen aus einem Mastbetrieb in Sachsen-Anhalt, wo die Tiere vermutlich dioxinbelastetes Futter erhalten haben.
Die Preise für Schweinefleisch dürften laut Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) in den kommenden Tagen dennoch stabil bleiben. "Nach dem jetzigen Stand ist von Preissenkungen nicht die Rede", sagte eine Verbandssprecherin. In der ersten Kalenderwoche lag das Schlachtgewicht für ein Kilo vom Schwein bei rund 1,35 Euro.
Milch von Natur aus weniger bedenklich
Beim Milchkonsum sahen Experten trotz des Dioxin-Skandals keinen Anlass zur Unruhe. "Die Milch-Problematik ist nicht zu vergleichen mit der Eier-Problematik", sagte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Das liege unter anderem daran, dass Milch einen wesentlich geringeren Fettgehalt hat als Eier. Da sich Dioxin in Fett ablagert, sei die Gefahr einer Grenzwertüberschreitung bei Milch geringer.
Einige Milchbauern haben Kühen unwissentlich dioxinbelastetes Futter gegeben. Sie dürfen ihre Milch derzeit nicht verkaufen. Es steht aber noch nicht fest, ob die Milch den Grenzwert tatsächlich überschreitet. Mit ersten Labor-Ergebnissen rechnen die Verbraucherschützer erst in etwa einer Woche.
Branchenweite Krise
Weitaus deutlichere Reaktionen auf den Skandal zeigten sich Beobachtern zufolge bei Tierfutterherstellern. "Man erkennt eine gewissen Verunsicherung in der Branche", sagte Martin Schaar, Marktanalyst für Futtermittel bei der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI). "Die Hersteller sind derzeit vorsichtig beim Neubezug und beim Abschluss von Neuverträgen."
Beim Fetthersteller Harles und Jentzsch im schleswig-holsteinischen Uetersen war belastetes Industriefett in das Tierfutterfett geraten. Das führte zu erhöhten Dioxinwerten in Eiern. Ob auch das Fleisch von Masttieren belastet ist, wird noch überprüft. Vorsorglich hatten die Behörden all jene Betriebe gesperrt, die ihre Tiere mit verunreinigtem Futter versorgt hatten.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/DJ/dpa/rts