Höheres Defizit und Herabstufung Hilferuf aus Athen erwartet
22.04.2010, 19:54 UhrEs geht noch schlechter: Griechenlands Defizit ist mit 13,6 Prozent noch höher als bislang bekannt. Zudem senkt Moody's die Bonitätsrate für das Euroland auf A3. Zudem muss Athen für die Kredite immer mehr Geld bezahlen. Experten rechnen damit, dass die sich Griechen sich in Bälde mit einem Hilfeersuchen an die Euro-Partner und den IWF wenden.

Griechenland hat viel Vertrauen an den Märkten verloren.
(Foto: AP)
Angesichts drastisch steigender Schulden wird eine baldige Rettungsaktion von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds (IWF) für Griechenland immer wahrscheinlicher. Das südeuropäische Land hatte nach einer aktuellen Schätzung der EU mit einem Defizit von fast 14 Prozent der Wirtschaftsleistung 2009 ein noch größeres Loch in der Staatkasse als bisher bekannt.
Wegen wachsender Spekulationen über einen Zahlungsausfall wird eine Schuldenaufnahme auf dem Kapitalmarkt damit immer kostspieliger. Die Ratingagentur Moody's senkte ihre Bonitätsnote für das Land unter Verweis auf steigende Kosten um eine Stufe auf A3 und schloss weitere Herabstufungen nicht aus. An den ohnehin schon nervösen Märkten fiel der Euro zum Dollar auf den tiefsten Stand seit fast einem Jahr.
Es bestünde ein erhebliches Risiko, dass sich die Schulden Griechenlands auf einem höheren und kostspieligeren Niveau stabilisierten als zunächst erwartet, begründete Moody's die Herabstufung. Die Regierung in Athen müsse das Vertrauen der Märkte wieder herstellen und gegen hohe Zinsen und das niedrige Wachstum ankämpfen. Andernfalls sei eine erneute Herabstufung wahrscheinlich. Am Markt wird dies bereits erwartet. Moody's ist die einzige Ratingagentur, die Griechenlands Bonität noch mit einer A-Note bewertet. Standard & Poor's ist bereits seit Dezember bei BBB+, Fitch seit Anfang April bei BBB-.
Der Druck wächst
Das Land muss für Kredite immer mehr Geld bezahlen: Der Risikoaufschlag zehnjähriger griechischer Staatsanleihen im Vergleich zur entsprechenden Bundesanleihe stieg auf ein Zwölf-Jahres-Hoch von 600 Basispunkten. Damit muss die Regierung Investoren für neue Anleihen mit einem Zins von rund neun Prozent anlocken, was eine weitere Belastung für den Staatshaushalt bedeuten würde. Ein griechischer Regierungssprecher betonte aber, man wolle sich weiter über die Kapitalmärkte refinanzieren.
Das Land hat mittlerweile so viel Vertrauen an den Märkten eingebüßt, dass fünfjährige Derivate zur Absicherung von Krediten gegen einen Ausfall (CDS) teurer sind als entsprechende Papiere für Anleihen der Ukraine - ein Staat, der mit Milliardenkrediten des IWF vor der Pleite bewahrt wurde.
Die mit hohen Zinslasten verbundene Schuldenaufnahme könnte auch Griechenland schon bald unter Zugzwang bringen, sich bei IWF und den Euro-Partnern frisches Geld zu besorgen, meinen Experten. "Diesem Druck kann Griechenland nicht mehr lange standhalten", meint HSBC Trinkaus-Chefvolkswirt Stefan Schilbe. "Ich wäre nicht überrascht, wenn die Regierung in Athen bereits am Wochenende ein Hilfeersuchen für das Rettungspaket von EU und IWF stellen würde."
Die Finanzminister der Euro-Zone hatten sich darauf verständigt, Griechenland bei Bedarf im ersten Jahr eines auf drei Jahre angelegten Hilfsprogramms maximal 30 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Weitere bis zu 15 Milliarden Euro könnte der IWF beisteuern. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble rechnet jedoch nicht damit, dass die Regierung in Athen die internationalen Hilfen bis Mitte Mai abruft.
IWF brät keine Extrawurst für Griechen
IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn sagte, Griechenland würde vom IWF im Falle von Finanzhilfen nicht anders behandelt als andere Länder zuvor. Eine Delegation des IWF führt derzeit in Griechenland Gespräche über Einsparungen, die das Land 2011 und 2012 vornehmen müsste, um Fonds-Hilfen zu bekommen.
Für neue Verunsicherung sorgte auch die aktuelle Schätzung des europäischen Statistikamtes Eurostat, die Griechenlands Neuverschuldung 2009 auf 13,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) veranschlagt. Zudem könne es noch zu einer Änderung von bis zu 0,5 Punkten kommen, erklärte Eurostat. Athen war bisher von 12,7 Prozent ausgegangen. 2010 soll der Fehlbetrag auf 8,7 Prozent gedrückt werden. Laut EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn kann das Land das Ziel erreichen. Die Haushaltsanstrengungen nach 2010 müssten aber intensiviert werden.
Das griechische Finanzministerium bekräftigte, die neuen Zahlen würden nichts an der Absicht ändern, 2010 das Defizit um vier Prozentpunkte zu senken. Die bereits ergriffenen Sparmaßnahmen seien sogar ausreichend für eine Senkung um sechs Punkte.
Vertreter der griechischen Regierung und der EU scheinen indes von dem bislang angepeilten Ziel 8,7 Prozent abzurücken. "Das Ziel für 2010 ist eine Senkung des Defizits um vier Prozentpunkte", sagte EU-Kommissionssprecher Amadeu Altafaj. "Wir haben uns nicht auf den Ausgangspunkt oder die angepeilte Zahl bezogen, sondern auf die Anstrengungen zur Senkung."
Wütende Beamte
Im griechischen Staatsapparat regt sich heftiger Widerstand gegen die Sparanstrengungen: Zehntausende Bedienstete legten aus Protest gegen das geplante Sparprogramm weite Teile des öffentlichen Lebens lahm.
Mit ihrem 24-stündigen Generalstreik wollten sie den Druck auf die sozialistische Regierung erhöhen, bei den Gesprächen mit EU und IWF keinen weiteren Einsparungen bei den Staatsausgaben zuzustimmen. Die Regierung setzt auf Lohnkürzungen, ein Einfrieren der Renten und Steuererhöhungen.
Quelle: ntv.de, wne/dpa