Wirtschaft

Spanien hebt Sparziel an Hilfsantrag ist denkbar

Spanien: Auge in Auge mit der Krise

Spanien: Auge in Auge mit der Krise

(Foto: picture alliance / dpa)

Spaniens Haushaltsdefizit liegt bei fast 9 Prozent. Bis 2014 soll es unter 3 Prozent fallen. Dafür setzt Madrid den Rotstift an - und der wird immer dicker. Aus neuen Haushaltsplänen der Regierung um Ministerpräsident Rajoy geht hervor, dass die Sparmaßnahmen deutlich ausgeweitet werden. Gleichzeitig kann sich Rajoy auch weitere EU-Hilfen vorstellen.

In der Eurozonen-Schuldenkrise wird jedes Wort aus politischem Spitzenmunde derzeit auf die Goldwaage gelegt. Jüngste Beispiele: Spanien und Italien schließen im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise Bittgesuche an die EU nicht mehr grundsätzlich aus. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ließ alles offen als er sagte: "Ich habe noch keine Entscheidung getroffen."

Der konservative Regierungschef reagierte damit auf den Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB), auf den Anleihemärkten nur dann zugunsten angeschlagener Euro-Staaten zu intervenieren, wenn die jeweiligen Länder beim EU-Rettungsfonds einen Antrag auf Hilfen stellen. Italiens Ministerpräsident Mario Monti hatte schon zuvor angekündigt, die Regierung in Rom werde prüfen, ob sie bei der EU ein Hilfegesuch einreicht.

Spanien hatte die EU bereits um Hilfen in Höhe von 100 Mrd. Euro für die Sanierung maroder Banken gebeten, weitere Hilfegesuche bislang aber strikt abgelehnt. Von dieser Linie wich Rajoy nun ab: "Ich will wissen, wie die Interventionen der EZB aussehen werden, welche Absichten dahinter stecken und ob sie angemessen sind. Erst dann werden wir eine Entscheidung treffen - in der einen oder anderen Weise."

Draghi und die Reaktionen

Spanien und Italien leiden akut darunter, dass beide Staaten für ihre Anleihen sehr hohe Zinsen zahlen müssen. Madrid und Rom hatten gehofft, dass die EZB massiv spanische und italienische Staatsanleihen kaufen und damit das Zinsniveau senken würde. EZB-Präsident Mario Draghi hatte diese Erwartungen jedoch enttäuscht und angekündigt, dass ein Hilfegesuch der betreffenden Länder an den EU-Rettungsfonds eine Vorbedingung für eine Intervention der EZB sei.

Rajoy räumte ein, dass die Spanier in der Vergangenheit zu sehr auf Pump gelebt hätten. Die spanischen Auslandsschulden beliefen sich auf 900 Mrd. Euro: "Da wird es schwer, neue Kredite zu bekommen und bestehende Schulden zu refinanzieren", sagte er. "Wenn wir Anleihen aufnehmen wollen, müssen wir hohe Zinsen zahlen."

Die Entscheidung der EZB hatte auf den Aktienmärkten am Donnerstag zunächst kräftige Kursverluste ausgelöst. Am Freitag erholten sich die Kurs wieder. Der Eurokurs stieg auf über 1,23 Dollar. Er war tags zuvor auf Talfahrt gegangen und deutlich unter 1,22 Dollar gefallen.

In Italien fielen die Reaktionen auf die EZB-Entscheidung teilweise harsch aus. Die Zeitung "Il Giornale" sah darin ein Diktat von Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Viertes Reich", schrieb das Blatt aus dem Medienimperium von Silvio Berlusconi. Auf der Titelseite bildete es die Kanzlerin mit erhobener rechter Hand ab und schrieb: "Heil Angela. Das Nein Merkels und Deutschlands lässt uns und Europa in die Knie gehen."

Weitere Sparanstrengungen

Das spanische Kabinett beschloss indes weitere drastische Einsparungen: Bis 2014 soll der Staatshaushalt um insgesamt 102 Mrd. Euro entlastet werden. Dies geht aus den Budgetplänen für die kommenden zwei Jahre hervor, die das Kabinett von Ministerpräsident Mariano Rajoy verabschiedete. Danach sind für 2013 Anpassungen über 38,96 Mrd. Euro geplant und für 2014 Maßnahmen für 50,08 Mrd. Euro.

Für das laufende Jahr sind Ausgabenkürzungen und Einnahmenerhöhungen für 13,2 Mrd. Euro vorgesehen. Ziel der Maßnahmen ist es, das Haushaltsdefizit des Landes im kommenden Jahr auf 4,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu senken und 2014 auf 2,8 Prozent. Für das laufende Jahr sehen die Planungen ein Defizit von 6,3 Prozent vor.

In den Haushaltsentwürfen sind allerdings die kürzlich beschlossenen Sparmaßnahmen enthalten, die unter anderem eine Anhebung der Mehrwertsteuer und die Streichung von Sondervergütungen im öffentlichen Dienst vorsahen. Die EU-Kommission hatte von Madrid die Vorlage der Haushaltspläne für 2013 und 2014 verlangt und Spanien im Gegenzug beim Abbau des Budgetdefizits ein Jahr mehr Zeit gegeben.

Die in Brüssel vorgelegten Pläne gehen davon aus, dass Spaniens Wirtschaft 2013 um 0,5 Prozent schrumpft und 2014 ein Wachstum von 1,2 Prozent erzielt.

In Spanien streikten erneut die Eisenbahner aus Protest gegen die Reformpläne der Regierung. Der Ausstand mitten in der Reisesaison führte zu beträchtlichen Einschränkungen im Bahnverkehr. Wie die staatliche Bahngesellschaft Renfe mitteilte, mussten mehr als 550 Zugverbindungen gestrichen werden. Dies entsprach etwa einem Drittel der fahrplanmäßigen Züge. Mit dem Streik wollten die Gewerkschaften gegen geplante Privatisierungen protestieren.

Spar-Lob  

Die Sparpläne Spaniens werden allerdings auch positiv bewertet. Die Ratingagentur Standard and Poor's (S&P) hatte die Kreditbewertung von Spanien dank der Verpflichtung des Landes zu Reformen jüngst unverändert belassen. Die Bewertung des Eurolandes bleibe weiter bei "BBB+" und damit nach wie vor drei Stufen über Ramsch-Niveau, hieß es. Die Agentur sieht jedoch weiter große Risken. Der Ausblick für das Rating des Euro-Krisenlandes bleibe daher "negativ". Damit ist in den kommenden Monaten eine Herabstufung des Ratings möglich.

Als Begründung für die Bestätigung des Ratings nannte die Agentur die Verpflichtung der Regierung in Madrid zu umfassenden Fiskal- und Strukturreformen. S&P verweist zudem auf die verbesserte Exportentwicklung. Gefährdet werde das Spanien-Rating jedoch durch die hohe Auslandsverschuldung und die immer noch mangelhafte Flexibilität der Wirtschaft. Dies gelte auch für den Arbeitsmarkt.

Quelle: ntv.de, bad/dpa/DJ

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