Deutsche und Commerzbank nervös IWF: Sprengstoff in Bankbilanzen
21.09.2011, 17:40 Uhr
Gewinnwarnung light aus Frankfurt?
(Foto: REUTERS)
Laut Banken-Stresstest 2011 liegt der Kapitalbedarf europäischer Großbanken bei 2,5 Mrd. Euro. Experten rechnen allerdings mit 100 Mrd. Euro. Der IWF sieht die Institute in Europa in noch größerer Bedrängnis und warnt eindringlich vor den Risiken.
Die Schuldenkrise bringt die Banken in Europa immer stärker in Bedrängnis. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass die Risiken in den Büchern der Institute durch die Probleme der Eurozone um 300 Mrd. Euro gestiegen sind. Daher brauchten die Geldhäuser dringend frisches Kapital, um potenzielle Verluste ausgleichen zu können, heißt es in dem vorgelegten Globalen Finanzstabilitätsbericht des Fonds.
Die Deutsche Bank und die Commerzbank setzen wegen der Verunsicherung vieler Kunden immer größere Fragezeichen hinter ihre Ziele für dieses Jahr. Die beiden größten heimischen Geldhäuser hoffen auf eine schnelle Beruhigung der Märkte, die aber bislang nicht in Sicht ist.
Politik erkennt Problem
"Die Risiken sind erhöht, und die Zeit wird knapp, die Gefahren anzugehen, die das globale Finanzsystem und die Konjunkturerholung bedrohen", warnte der IWF. Die Krise könne auch auf Banken in den Schwellenländern überschwappen. Dabei seien die Institute in Lateinamerika am anfälligsten, die Häuser in Asien und Osteuropa weniger stark.
Die neue IWF-Chefin Christine Lagarde hatte vor einigen Wochen den Unmut vieler europäischer Regierungen auf sich gezogen, als sie eine Zwangskapitalisierung der Banken forderte. Mittlerweile erkennen aber nach Worten von IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard Regierungen in Europa das Problem: Sie prüften zunehmend, wie sie die Kapitalbasis der Banken stärken können, nachdem in der Finanzkrise bereits Milliarden an Steuergeldern in viele Institute geflossen sind. Laut IWF müssen die Banken alles tun, um die Mittel am Kapitalmarkt aufzunehmen. Als letzte Instanz müssten aber die - oftmals selbst klammen - Staaten bereit stehen.
200 Mrd. Euro Kapitalbedarf?
In Medienberichten war zudem die Rede davon, dass der Fonds einen Kapitalbedarf von 200 Mrd. Euro für die europäischen Institute sehe - auf Basis der Annahme, dass alle Euro-Staatsanleihen auf den Marktwert abgeschrieben werden. In dem IWF-Bericht taucht aber keine solche Zahl auf. Hierzu wäre ein umfassender Stresstest nötig, erklärte der Fonds. Eine solche Belastungsprobe der europäischen Bankenaufsicht hatte im Sommer nur einen Kapitalbedarf von 2,5 Mrd. Euro ergeben. Die Zahl wird von Experten aber als deutlich zu niedrig kritisiert. Sie gehen von bis zu 100 Mrd. Euro aus. Deutsche Großbanken gelten dabei aber nicht als Rekapitalisierungs-Kandidaten.
Skepsis steigt
Der IWF hat nun die Risiken ermittelt, die sich durch die Schuldenprobleme einiger Euro-Länder und die Verunsicherung der Investoren ergeben. Dabei hat der Fonds den Rückgang der Kurse der Staatsbonds und anderer Vermögenswerte sowie den Anstieg der Refinanzierungskosten berücksichtigt.
Der IWF räumte ein, dass sich Banken einiger Länder nur noch schwer am Kapitalmarkt Gelder beschaffen könnten. Deutsche-Bank-Finanzchef Stefan Krause erkennt bei Investoren ebenfalls eine gewisse Skepsis gegenüber europäischen Banken insgesamt. Sein Haus selbst habe aber keine Refinanzierungsprobleme.
"Wir schwitzen ganz schön"
Dennoch bereitet die Schuldenkrise auch Krause immer stärkeres Kopfzerbrechen. Denn sowohl im Investmentbanking als auch im Kreditgeschäft sorgen die Turbulenzen an den Märkten für Verunsicherung der Kunden. Die Erträge brechen weg. "Wir schwitzen ganz schön ordentlich", gab der Bankmanager auf einer Konferenz in Frankfurt zu. Die Deutsche Bank peilt dieses Jahr einen Vorsteuergewinn von 10 Mrd. Euro an, gut 6 Mrd. davon sollen aus dem Investmentbanking kommen.
Mit dieser Rekordmarke will sich Vorstandschef Josef Ackermann verabschieden, bevor er im kommenden Frühjahr das Ruder an Anshu Jain und Jürgen Fitschen übergibt. Doch bei Analysten wachsen Zweifel, ob das angesichts der Flaute vor allem an den Anleihemärkten überhaupt noch möglich ist. Viele erwarten eine Anpassung der Ziele bei Vorlage der Zahlen zum dritten Quartal Ende Oktober. "Dann werden wir Ihnen mehr dazu sagen können", sagte Krause. "Noch kämpfen wir weiter für unser Ziel."
"Kein toller Monat"
Die Hoffnungen ruhen jetzt auf den letzten September-Tagen. Angesichts der anhaltenden Furcht der Anleger vor einer Pleite Griechenlands sieht es aber nicht gut aus. Auch die Commerzbank braucht eine "relativ schnelle" Beruhigung der Märkte, um auf Kurs zu bleiben, wie Vorstandschef Martin Blessing einräumte. "Der August war mit Sicherheit für viele Banken kein toller Monat."
Die Commerzbank konnte zwar lange auf ihr florierendes Kreditgeschäft mit dem Mittelstand, Gewinntreiber Nummer eins, bauen. Doch Vorstandschef Blessing spürt, dass die Kunden bei ihren Investitionen allmählich vorsichtiger werden, wie er sagte. Zumindest im Kerngeschäft wollte Deutschlands zweitgrößtes Geldhaus dieses Jahr einen Vorsteuergewinn von deutlich über zwei Milliarden Euro schaffen, 2012 sollte dann ein operativer Konzerngewinn von vier Milliarden Euro folgen.
Börsianer nahmen die Molltöne relativ gefasst auf. Für viele Anleger sind die Ziele ohnehin seit längerem nicht mehr realistisch. Die Aktien der Deutschen Bank verloren mit dem Markttrend zwei Prozent, Commerzbank-Titel gaben ein Prozent nach. Finanzwerte sind seit Wochen massiv unter Druck, denn die Anleger sorgen sich darum, ob die Institute die Pleite eines Euro-Landes verkraften könnten.
Quelle: ntv.de, rts