Probleme im Reich der Mitte IWF sieht Risiken in China
15.11.2011, 13:53 Uhr
Schickt die IWF-Experten rund um die Welt: Christine Lagarde.
(Foto: REUTERS)
Mit einem scharfen Blick auf die Widerstandsfähigkeit chinesischer Banken mischen sich die Experten des Internationalen Währungsfonds in die Wirtschaftspolitik der Volksrepublik ein. Ungefragt erteilen sie den Machthabern in Peking Ratschläge, an welchen Schwachstellen im Riesenreich die größten Gefahren drohen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt vor wachsenden Risiken für das chinesische Bankensystem. In seiner ersten umfassenden Studie zum Finanzsektor der aufstrebenden Wirtschaftsmacht sagen die Experten der Volksrepublik zwar keine unmittelbare Krise voraus. Allerdings sieht der Fonds dringenden Handlungsbedarf für die Regierung in Peking, damit die Branche auch einer schockartigen Zuspitzung der Lage Stand halten kann.
China müsse zügig seine Finanzmärkte liberalisieren sowie Investoren, Geschäftsbanken und Zentralbank unabhängiger von staatlichem Einfluss machen, hieß es in dem Bericht. Nur so könne das Land die Gefahren von Vermögensblasen insbesondere am Immobilienmarkt abwenden, urteilte der IWF.
Den IWF-Angaben zufolge sind die größten chinesischen Geschäftsbanken im Extremfall nicht vor systemischen Risiken gefeit. Gegen Schocks auf den Kredit-, Immobilien- und Devisenmärkten seien sie zwar jeweils gewappnet. Dies gelte aber nicht für den Fall einer Kombination mehrerer Faktoren. Die Ausrichtung der Finanzpolitik fördere eine hohe Liquidität und damit das Risiko, dass Kapital nicht optimal zum Einsatz komme. Damit entstehe die Gefahr einer Überbewertung von Vermögenswerten, urteilten die IWF-Experten. Ein solches Risiko bestehe demnach vor allem bei Immobilien, hieß es in dem Bericht.
Hintergrund der Überlegungen sind die globalen Verflechtungen im Finanzmarkt und über den Welthandel. Die internationalen Beziehungen und Abhängigkeiten haben in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Eine schwere Bankenkrise in China hätte auch für Deutschland empfindliche Folgen. Die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft ist für Deutschland der wichtigste Exportmarkt. Die Ausfuhren sind zugleich ein wichtiger Pfeiler des deutschen Wachstums.
Der bereits im Juni fertiggestellte Bericht, der aber erst jetzt veröffentlicht wurde, listet 29 Empfehlungen für China auf. Sie basieren auf einem Stresstest für 17 Banken des Landes, den Zentralbank und Aufsichtsbehörden aufgelegt haben. Die getesteten Banken machen rund 83 Prozent der Branche aus. Erst vor wenigen Tagen hatte IWF-Chefin Christine Lagarde ihren Besuch in China beendet.
Peking reagiert verhalten
Die chinesische Zentralbank reagierte verhalten auf die Studie. Der Bericht enthalte zahlreiche Standpunkte, die nicht umfassend und objektiv genug seien, teilte sie mit. Zudem habe sich der Einfluss der Regierung auf die Finanzmärkte bereits auf die Aufsichtsbehörden verlagert. China müsse eigene Studien durchführen, um die Machbarkeit der Vorschläge des IWF zu bewerten.
Im Großen und Ganzen stellte der IWF dem Finanzsektor des Schwellenlandes allerdings ein akzeptables Zeugnis aus. "Die Indikatoren für die Ausstattung mit Liquidität sehen gut aus", hieß es in der Studie. Die Banken könnten sich auch über einen enormen Pool an niedrigverzinsten chinesischen Einlagen Mittel verschaffen. Selbst wenn sich der Anteil fauler Kredite binnen zwei Jahren auf rund 6 Prozent vervierfachen würde, würde keine Bank die Vorgaben für die Kapitalausstattung verletzen.
Diagnose aus der Distanz
Die Finanz- und Schuldenkrise in Europa geht indes auch an Chinas Wirtschaftsboom nicht spurlos vorüber. Das Wachstum schwächte sich zuletzt deutlich auf einstellige Raten ab - auch wegen der geringeren Nachfrage aus dem Ausland. Die Zentralbank versucht zudem seit längerem, den seit nunmehr Jahren anhaltenden Boom auf dem Immobilienmarkt zu zügeln, um eine Überhitzung mit folgendem Einbruch zu verhindern.
Auch hier sah der IWF zum Zeitpunkt der Studie keine breiten Gefahren, wohl aber Überbewertungen in einigen Marktsegmenten. Die Experten räumten allerdings ein, dass eine umfassende Bewertung des Finanzsektors und damit der Risiken wegen fehlender Daten sowie mangelnden Zugangs zu Informationen nicht möglich war.
Quelle: ntv.de, mmo/rts