"Visionärer Wirtschaftsführer" Indiens Industrie-Gigant Ratan Tata gestorben
10.10.2024, 13:59 Uhr Artikel anhören
Tata interessierte sich für Architektur, stieg auf Drängen der Großmutter aber ins Familienunternehmen ein.
(Foto: picture alliance / NurPhoto)
Die Tata-Unternehmensgruppe gehört zu den ganz großen Konzernen in Indien. In Europa wird sie durch die erfolgreiche Sanierung der Automarken Jaguar und Land Rover bekannt. Nun ist der langjährige Chef Ratan Tata gestorben. Regierungschef Modi kondoliert. Mumbai ordnet einen Tag der Trauer an.
Indien trauert um den langjährigen Chef der Tata-Unternehmensgruppe. Ratan Tata starb am Mittwoch im Alter von 86 Jahren. Er hatte das Familienunternehmen seit den 1990er Jahren in einen international erfolgreichen Mischkonzern verwandelt - mit Unternehmen in Bereichen wie Chemie, Telekommunikation oder der Autoindustrie. Die Finanzmetropole Mumbai, Hauptsitz der Tata Group, rief einen offiziellen Tag der Trauer aus. Nach Berichten indischer Zeitungen starb Tata in der Westküsten-Metropole in einem Krankenhaus, in dem er wegen altersbedingter Gesundheitsprobleme behandelt worden war. Indiens Ministerpräsident Narendra Modi würdigte ihn als "visionären Wirtschaftsführer", dessen Beitrag für das Land weit über die Chefetage hinausgegangen sei.
"Ein Titan der indischen Industrie", titelte die Zeitung "The Hindu". "Indien verliert sein Kronjuwel", war bei der "Hindustan Times" zu lesen. Tatas in eine indische Flagge gehüllter Sarg wurde von einer Ehrengarde flankiert und unter Begleitung einer Marschkapelle durch Mumbai getragen.
Tata, geboren im Jahr 1937, stammt aus einer alten indischen Dynastie von Industriellen aus der Volksgruppe der Parsen, die in Indien unter britischer Herrschaft zu großem Einfluss gekommen war. Als junger Mann fasste er nach seinem Studium in New York eine Karriere als Architekt ins Auge. Auf Bitten seiner Großmutter ging er jedoch 1962 zurück nach Indien und stieg im Familienunternehmen ein.
Jaguar und Land Rover saniert
Er übernahm das Unternehmen 1991 in einer Zeit radikaler marktwirtschaftlicher Reformen im Land. Ein nationaler Großkonzern mit bedeutenden Aktivitäten etwa in der Stahl- und Chemieproduktion bis hin zum Handel mit Salz und Tee war die Tata Group schon damals. Ratan Tata setzte konsequent auf eine internationale Expansion.
In seiner Zeit an der Spitze des Konzerns gab es indes auch Misserfolge. Dazu gehörte etwa der Bau des billigsten Autos der Welt, des Tata Nano. Der Mini-Wagen war eine Herzensangelegenheit von Ratan Tata, verkaufte sich aber schlecht. Der Einkauf des britisch-niederländischen Stahlkonzerns Corus, der 2007 während eines Stahlbooms für umgerechnet rund 8,5 Milliarden Euro übernommen wurde, stellte sich als verlustreich heraus.
In Europa sorgte besonders seine Entscheidung aus dem Jahr 2008, die kriselnden britischen Automobilhersteller Jaguar und Land Rover für 2,3 Milliarden Dollar zu kaufen, für Aufsehen. Der Tata Group gelang es, beide Marken zu restrukturieren und im folgenden Jahr wieder in die Gewinnzone zu bringen. 2012 zog sich Ratan Tata von der Unternehmensführung zurück. Im Oktober 2016 übernahm er den Posten zunächst übergangsweise wieder für wenige Monate, nachdem sein Nachfolger Cyrus Mistry überraschend entlassen worden war.
Nicht in "Forbes"-Liste geführt
"Mit einem tiefen Gefühl des Verlustes verabschieden wir uns von Herrn Ratan Naval Tata, einer wahrhaft außergewöhnlichen Führungspersönlichkeit, deren unermessliche Beiträge nicht nur die Tata-Gruppe, sondern auch das Gefüge unserer Nation geprägt haben", erklärte der Vorsitzende des Konzerns, Natarajan Chandrasekaran, am Mittwochabend.
Die philanthropische Arbeit Tatas habe "das Leben von Millionen" berührt, erklärte die Tata-Gruppe weiter. "Von der Bildung bis zur Gesundheitsversorgung haben seine Initiativen tiefgreifende Spuren hinterlassen, von denen kommende Generationen profitieren werden."
Im Gegensatz zu anderen indischen Großunternehmern tauchte Tata nicht in den "Forbes"-Listen der vermögendsten Menschen auf. Sein Auftreten wurde als schlicht und zurückhaltend beschrieben. Er lebte in einer Wohnung in Mumbai.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa