Brandbrief an die Sparer: Insolvenz in Verzug Prokon erhöht Druck auf die Anteilseigner
11.01.2014, 16:23 Uhr
Bei Verbraucherschützern steht das Geschäftsmodell in der Kritik.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der umstrittenen Windkraftfirma Prokon laufen die Anleger davon. Die Folge: Das Geld droht auszugehen. In einem offenen Brief mahnt die Geschäftsführung jetzt die verbliebenen Sparer, bei der Stange zu bleiben. Die Pleite sei sonst nicht mehr zu verhindern.
Dem Windparkbetreiber Prokon droht nach eigenen Angaben das Geld auszugehen. "Sollte es uns gemeinsam mit Ihnen, unseren Anlegern, nicht gelingen, die Liquiditätslage sehr schnell wieder zu stabilisieren, werden wir voraussichtlich Ende Januar gesetzlich gezwungen sein, eine Planinsolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einzuleiten", heißt es in einem Schreiben von Firmengründer Carsten Rodbertus an die rund 75.000 Inhaber von Prokon-Genussrechten. Der Brief wurde auf der Homepage des Unternehmens veröffentlicht.
"Diesen Schritt würden wir nicht scheuen, aber mit sehr, sehr großem Bedauern gehen." Prokon hat eigenen Angaben zufolge knapp 1,4 Milliarden Euro in Form von Genussrechten eingesammelt, für die unter anderem in prominent platzierten Fernseh-Spots geworben wurde.
Unkontrollierte Mittelabflüsse
Zuletzt häuften sich aber die Kündigungen. Den Mittelabfluss könne Prokon nicht verkraften, argumentierte das Unternehmen in dem offenen Brief. Anleger forderten derzeit rund 150 Millionen Euro zurück, 2013 seien schon 130 Millionen ausgezahlt worden. "Es ist absehbar, dass wir die Zahlungen in dieser Höhe nicht fristgerecht leisten können", schreibt Rodbertus. Dazu kommen die fälligen Zinszahlungen.
Das Unternehmen veröffentlichte auf seiner Internetseite vorformulierte Rückantworten, in denen sich die Anleger verpflichten sollen, ihr Geld bis mindestens zum 31. Oktober 2014 nicht zurückzufordern, und auch auf die direkte Auszahlung von Zinsen zu verzichten. Auch danach sollen sie ihre Anlage nur in Raten über zwölf Monate ausbezahlt bekommen. Wer dagegen seine Genussrechte zeitnah kündigt, unterschreibt mit dem Formular den Satz: "Eine Insolvenz von Prokon nehme ich bewusst in Kauf."Prokon setzt dafür eine Frist bis zum 20. Januar.
Eine Insolvenz könne nur dann verhindert werden, wenn Anleger diesem Vorgehen für mindestens 95 Prozent des Genussrechtskapitals zustimmten oder wenn genügend frisches Geld eingehe. Bei einer Insolvenz müsse Prokon "mit dem Rücken zur Wand" womöglich seine Windparks und anderes Vermögen unter Wert verkaufen.
Prokon hatte seine Geldgeber bereits im Dezember aufgefordert, die Zinsen für das zweite Halbjahr 2013 zur Entspannung der Liquiditätslage im Unternehmen zu belassen.
Juristen und Verbraucherschützer warnen
Ein Insolvenzrechtsexperte warnte Anleger davor, auf Ansprüche zu verzichten. "Anlegern, die nicht rechtzeitig ihre Rechte sichern, steht in einem Insolvenzverfahren aufgrund des Nachrangs der Genussrechte nicht einmal eine Insolvenzforderung zur Verfügung", sagte der Berliner Rechtsanwalt Christoph Kaltmeyer "Wallstreet Online".
Bei Verbraucherschützern steht das Geschäftsmodell seit langem in der Kritik. Normalerweise sind bei einer Pleite von einer Firma der Größe von Prokon institutionelle Investoren - Banken oder Fonds - betroffen. Nicht so bei Prokon. Der Windparkbetreiber hat sich fast ausschließlich mit dem Geld normaler Sparer, also Kleinanlegern, finanziert. Nach eigenen Angaben nahm Prokon knapp 1,4 Milliarden Euro ein - unter anderem bei abendlichen Verkaufsveranstaltungen, in denen die Firmenmanager vor Hunderten, meist älteren Zuhörern sogenannte Prokon-Genussrechte anpriesen.
Prokon lockte die Sparer mit der Aussicht auf außergewöhnlich hohe Renditen: Sechs Prozent Verzinsung wurde versprochen. Ein Rendite, die in Niedrigzinszeiten nur mit riskanten Geschäften zu erwirtschaften ist. Das Management stellte versprach dagegen ein sicheres Investment. Genussrechte sind ein typisches Instrument des "grauen" - also kaum regulierten - Kapitalmarkts und bei Verbraucherschützern hoch umstritten. Anders als Aktien geben sie den Investoren keinerlei Mitspracherecht. Trotzdem stehen die Genussrechte im Pleitefall für entstandene Verluste ein.
Aus nach fast 20 Jahren?
Rodbertus gründete Prokon 1995. Das Unternehmen mit mehr als 1300 Mitarbeitern betreibt nach eigenen Angaben gut 50 Windparks mit 314 installierten Windkraftanlagen in Deutschland und Polen. Weitere seien im Bau. Zum Konzern gehört auch ein Biodiesel-Hersteller in Magdeburg. Zudem finanziert Prokon ein Sägewerk in Torgau, das Holzpaletten produziert.
Aus einer "Zwischenbilanz" per Ende Oktober geht hervor, dass bei Prokon insgesamt 210 Millionen Euro Verluste aufgelaufen sind, während an die Anleger 330 Millionen Euro Zinsen gezahlt wurden - im Schnitt acht Prozent pro Jahr. Zwischen Januar und Oktober 2013 wurden danach 67 Millionen Euro Zinsen gezahlt, doppelt so viel wie das operative Ergebnis (Ebitda).
Den Kontakt zu Medien verweigert Prokon seit Mai 2013 nach wiederholten negativen Berichten, wie es im Internet-Auftritt heißt. Auch am Samstag war Prokon für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
Quelle: ntv.de, ddi/rts/dpa