Mit Discount gegen Sanktionen Iran lockt asiatische Kunden
12.04.2012, 12:08 Uhr
Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad.
(Foto: Reuters)
Der große Ölproduzent Iran versucht offenbar mit Lockangeboten, den angekündigten Öl-Boykott des Westens zu kontern. Mit günstigen Konditionen buhlt das Land um die Nachfrage aus Indien und anderen asiatischen Ländern. Zugleich stellt Teheran die Lieferungen an EU-Länder ein.
Der Iran will einem Zeitungsbericht zufolge angesichts des baldigen EU-Ölembargos seine Geschäfte mit asiatischen Ländern ankurbeln. Das Land habe einer Reihe potenzieller Kunden, darunter Indien, angeboten, ihre Rechnungen innerhalb von 180 Tagen zu zahlen, berichtete die "Financial Times" unter Berufung auf nicht näher genannte Branchenkenner.
Dieser zinslose Kredit entspreche pro Monat einem Preisnachlass von 1,20 Dollar bis 1,50 Dollar je Barrel (knapp 159 Liter), hieß es. Ein Fass der Nordessesorte Brent kostet derzeit etwas mehr als 120 US-Dollar, ein Barrel der US-Sorte WTI knapp 103 US-Dollar.
In der Vergangenheit hat der Iran Ländern wie China für die Zahlung 60 bis 90 Tage eingeräumt. Saudi-Arabien und andere führende Ölexporteure haben ein Zahlungsziel von 30 Tagen. Trotz seiner vergleichsweise günstigen Konditionen falle es dem Iran derzeit schwer, neue Kunden für sich zu gewinnen, so die "FT".
Der Westen wirft dem Iran vor, nach Atomwaffen zu streben, was das Land bestreitet. Die Europäische Union hatte deshalb im Januar ein Öl-Embargo verhängt, das zum 1. Juli in Kraft tritt. Auch die USA haben Sanktionen verhängt, um die wichtigste Einnahmequelle des Iran auszutrocknen. Israel sieht sich durch das iranische Atomprogramm in seiner Existenz bedroht und erwägt einen Militäreinsatz, um eine nukleare Bewaffnung des Iran zu verhindern. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad leugnet den Holocaust und hat dazu aufgerufen, Israel von der Landkarte "auszulöschen".
Iran stellt Lieferungen ein
Nachdem die EU das Embargo beschlossen hatte, kündigte der Iran seinerseits einen Lieferstopp an. Iranischen Medienberichten zufolge stellte der Iran inzwischen die Ölausfuhren nach Deutschland ein. Der Anteil iranischen Öls an den deutschen Importen ist allerdings gering: Im vergangenen Jahr bezog Deutschland nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen 821.000 Tonnen Rohöl aus dem Iran, das waren 0,9 Prozent der Gesamteinfuhren. Im Januar und Februar sank der Anteil auf gerade einmal 0,2 Prozent.
Frankreich und Großbritannien erhalten bereits kein Öl aus dem Iran mehr. Die Öl-Ausfuhren nach Italien würden demnächst ebenfalls gestoppt, hieß es weiter. Am Dienstag hatte Teheran erklärt, es verkaufe auch kein Öl mehr an Spanien und Griechenland.
Nach Angaben der Internationalen Energieagentur deckten in den ersten zehn Monaten des Jahres 2011 Italien 13 Prozent und Spanien 12 Prozent des Bedarfs mit Öl aus dem Iran. Für Griechenland lag dieser Anteil bei 30 Prozent. Insgesamt verkaufte Teheran gut 20 Prozent seines Öls an diverse EU-Staaten.Weltweit sind Indien, Japan, Südkorea und die Türkei die größten Importeure von iranischem Öl.
Westerwelle setzt auf Verhandlungen
Wegen des Atomprogramms hat die internationale Gemeinschaft auch eine Reihe anderer Strafmaßnahmen gegen Teheran verhängt. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte am Rande eines Treffens mit seinen G-8-Kollegen in Washington, dass die Sanktionen "mehr und mehr" wirkten. Vor diesem Hintergrund warnte der FDP-Politiker vor einem Militärangriff auf iranische Atomanlagen. Die Chance auf neue Atomgespräche dürfe nicht durch "Säbelrasseln" zerstört werden.
US-Außenministerin Hillary Clinton betonte, dass weiter Zeit für eine diplomatische Lösung bleibe. Teheran müsse aber "dringend" an den Verhandlungstisch zurückkehren und "ernsthaft" zu den Befürchtungen der internationalen Gemeinschaft Stellung beziehen.
Am kommenden Samstag beginnen in Istanbul internationale Atomgespräche zwischen Teheran und den fünf Veto-Mächte des UN-Sicherheitsrates - USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China - sowie Deutschland. Im Januar 2011 waren die Atomgespräche zwischen dem Iran und der 5+1-Gruppe ergebnislos abgebrochen worden.
Israel erwägt Angriff
Die israelische Regierung sieht die neuen Atomgespräche mit dem Iran als einen Versuch Teherans, Zeit zu schinden. "Dies ist ein großer Bluff, der ihnen Zeit geben soll, bis sie die Bombe haben", sagte Professor Shlomo Aharonson von der Hebräischen Universität in Jerusalem. Aus Sicht des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hätten die Verhandlungen "keinerlei Wert".
Aharonson sieht den Monat Juli, wenn die härteren Sanktionen gegen Teheran greifen, als "Stunde der Wahrheit". Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage müsse die Führung in Teheran dann ernsthaft überdenken, ob sie in Zukunft auf ein militärisches Atomprogramm setzen wolle. Mit einem israelischen Angriff auf die iranischen Atomanlagen sei daher bis Juli kaum zu rechnen.
Anders als Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak betrachtet der Politologe eine mögliche iranische Aufrüstung mit Atomwaffen jedoch nicht als "existenzielle Bedrohung" Israels. "Und es ist ein großer Fehler, sie zu einer existenziellen Bedrohung zu machen", betonte Aharonson. "Wir haben die Fähigkeit, uns vor iranischen Raketenangriffen zu verteidigen." Er halte die Führung in Teheran für sehr rational.
Mit einem Atomwaffen-Angriff auf Israel würde Teheran ein zu großes Risiko auf sich nehmen. "Wir würden den Iran dann auslöschen und das wissen sie", sagte Aharonson. Seit der islamischen Revolution von 1979 sei Teheran aber kein echtes Risiko eingegangen. Nuklearwaffen wolle Teheran vor allem aus Prestigegründen.
Mit einem erfolgreichen Verlauf der Atomgespräche rechnet der Politik-Experte nicht. Um den Westen und Israel zufriedenzustellen, müsste Teheran unter anderem einwilligen, kein Uran mehr auf 20 Prozent anzureichern. "Wer soll das überwachen?" Er glaube auch nicht, dass Teheran der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA erlauben werde, alle problematischen Atomanlangen zu besichtigten. Der Iran komme letztlich nur als "Teil eines diplomatischen Spiels" zu den Verhandlungen.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa/AFP