Wirtschaft

Ex-Premier vor Sondergericht Island arbeitet Finanzkrise auf

Das isländische Sondergericht (Landsdomur) wird erstmals seit seiner Gründung vor 106 Jahren aktiv. Vor ihm muss sich der ehemalige Regierungschef Haarde verantworten. Dem konservativen Politiker werden im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008 schwere Pflichtverletzungen vorgeworfen.

Geir Haarde fühlt sich politisch verfolgt.

Geir Haarde fühlt sich politisch verfolgt.

(Foto: dpa)

Der ehemalige isländische Ministerpräsident Geir Haarde hat vor einem Gericht in Reykjavik jede Mitverantwortung für den umfassenden Bankenkollaps 2008 bestritten und die Einstellung des Verfahrens gegen ihn verlangt. Vor dem vom Parlament eingesetzten Sondergericht (Landsdomur) soll geklärt werden, ob der 60-jährige konservative Politiker durch grobe Pflichtverletzungen rechtzeitige Gegenmaßnahmen versäumt und dadurch das enorme Ausmaß der Folgeschäden aus dem Zusammenbruch der drei größten isländischen Banken mit verschuldet hat.

Haarde hatte vor der Eröffnung der Hauptverhandlung erklärt, dass er sich politisch verfolgt fühle. Ihm droht bei einer Verurteilung bis zu zwei Jahren Haft. Das Gericht will seine Entscheidung über den Antrag von Haardes Verteidiger auf Verfahrenseinstellung in etwa drei Wochen verkünden.

Das Landsdomur führt erstmals seit seiner Gründung 1905 ein Verfahren führt. Haarde erschien mit einem dunklen Anzug bekleidet in Begleitung seiner Frau vor dem Kulturhaus der Hauptstadt Reykjavik, in dem die Anhörungen abgehalten werden. Auch Vertreter seiner konservativen Unabhängigkeitspartei wohnten dem Prozessauftakt bei. Das isländische Parlament hatte im vergangenen Jahr beschlossen, Haarde als einziges Kabinettsmitglied wegen des Zusammenbruchs des isländischen Bankensystems vor das Hohe Gericht zu stellen.

Die Anrufung des Gerichts war unter den Abgeordneten umstritten, da seine Rechtsgrundlage womöglich nicht mehr heutigen Standards entspricht. Vor dem Votum des Parlaments hatte aber eine Untersuchungskommission der Regierung Haardes Fehlverhalten während der Finanzkrise vorgeworfen und eine Anrufung empfohlen. Haarde selbst weist dies zurück und bezeichnete den Prozess als "Farce".

Von Finanzkrise hart getroffen

Der isländische Finanzsektor war im Herbst 2008 mit der Pleite gleich mehrerer Großbanken im Sog der weltweiten Finanzkrise zusammengebrochen. In der Folge büßte die isländische Krone massiv an Wert ein, wodurch zahlreiche der 320.000 Einwohner des Landes ihre Ersparnisse verloren. Zudem stieg die Arbeitslosigkeit drastisch an. Ein Staatsbankrott wurde nur durch einen Milliardenkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der skandinavischen Länder verhindert.

Haardes Regierung trat Anfang 2009 unter dem Druck wochenlanger Proteste zurück. Island wird seitdem von einer Koalition aus sozialdemokratischer Allianz und Links-Grüner Bewegung unter Führung von Johanna Sigurdardottir regiert.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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