"Denken Sie an Lehman Brothers ..." Ist Banken-Zerschlagung sinnvoll?
18.10.2012, 09:57 Uhr
Deutsche-Bank-Türme: zwei Türme, zwei Banken?
(Foto: picture alliance / dpa)
"Dienstleister statt Zockerbuden": EU-Experten empfehlen ein Trennbankensystem, um so die Steuerzahler vor teuren Rettungspaketen zu schützen. Doch das System ist umstritten. Die USA haben es aufgegeben: Die Investmentbank Goldman Sachs sieht sich mittlerweile als "eine Bank", will aber "keine Bankautomaten aufstellen" oder "Toaster verschenken".
Zwei Türme hat die Deutsche Bank schon - werden daraus nun auch zwei Institute? Die Debatte über die Zerschlagung großer Finanzkonzerne ist wieder in vollem Gange. Daran ist die Branche nicht ganz unschuldig. Was sich in der Theorie einfach anhört - Trennbank statt Universalbank - ist in der Praxis gar nicht so einfach. Und dass die Finanzwelt mit kleineren Einheiten generell sicherer würde, bezweifeln sogar Aufseher.
Kaum waren die Empfehlungen einer EU-Expertengruppe in der Welt, schienen die Folgen für die Deutsche Bank absehbar: "Hier die Fitschen AG, dort die Jain AG", schrieb die "Financial Times Deutschland". Das ungleiche Führungsduo, der jugendlich wirkende Investmentbanker Anshu Jain und der alte Hase Jürgen Fitschen, scheint wie gemacht für eine Trennung der Geschäftsbereiche.
Es klingt plausibel: Banken in überschaubare Einheiten aufspalten, das riskante Kapitalmarktgeschäft von den Ersparnissen der kleinen Leute trennen und so Zockerei auf Kosten der Steuerzahler einen Riegel vorschieben. Munich-Re-Chef Nikolaus von Bomhard argumentiert, er würde alles so zerlegen, dass kein Finanzhaus mehr "too big to fail" sei, also so groß, dass eine Pleite das ganze System gefährden würde.
Weniger radikal, aber kaum weniger durchschlagend, sind Vorschläge der EU-Expertengruppe unter Leitung des finnischen Notenbankchefs Erkki Liikanen: Wenn große Geldhäuser mit mehr als 15 Prozent ihres Vermögens selbst Handel treiben, sollen sie das Investmentbanking rechtlich strikt vom Kredit- und Einlagengeschäft trennen. Ähnliches strebt der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück an.
Für und Wider
Von einer Aufspaltung will man in den Zwillingstürmen in Frankfurt nichts wissen. "Es gibt keinen Plan B, die Deutsche Bank wird alles tun, um Universalbank zu bleiben", heißt es in der Zentrale des Dax-Konzerns. Schon kurz nach ihrem Antritt im Juni machten Jain/ Fitschen klar: Am Modell der Universalbank von Privatkundenangeboten bis zum Kapitalmarktgeschäft wird nicht gerüttelt.
Aufsichtsratschef Paul Achleitner betonte Ende September: "Alle Experten wissen, dass ein breiter diversifiziertes Unternehmen wie eine Universalbank weniger Risiken mit sich bringt." In der Krise habe es vor allem Spezialinstitute getroffen. "Denken Sie an die Hypo Real Estate, die IKB und die Landesbanken oder Lehman Brothers."
Trennbankensystem: Sinn oder Unsinn
So wenig der Reflex der Branche überrascht, so sehr geben Ökonomen den Bankern Recht. "Wo will man denn den Schnitt machen?", fragt Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud. Firmenkunden etwa brauchen nicht nur Kredite, sondern wollen Währungsrisiken absichern und beim Gang an den Kapitalmarkt unterstützt werden. Privatkunden hoffen auf mehr Rendite durch Aktien, Anleihen, Zertifikate. "In den USA hat man das System der Trennbanken wieder verwässert, weil man festgestellt hat, dass es nicht funktioniert", sagt Traud.
Als Reaktion auf zahlreiche Bankenzusammenbrüche in den 1920er und 1930er Jahren zwang die USA die Institute mit dem Glass-Steagall Act (1933), sich entweder als Geschäftsbank für das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft sowie Dienstleistungen wie Kontoführung und Zahlungsverkehr (commercial banking) oder als Investmentbank für das Wertpapiergeschäft (investment banking) zu positionieren. 1999 wurde die Regelung aufgehoben. "Die Vorstellung, man könne Investmentbanken in der Krise einfach fallen lassen, hat sich gerade nicht bewahrheitet", kommentiert der Bankenprofessor Hans-Peter Burghof.
Andererseits kriselten auch Universalbanken und waren - wie die Commerzbank - auf staatliche Hilfe angewiesen. "Sie können in beiden Systemen vor die Wand fahren, das ist historisch belegt", sagt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Debatte schwelt
Selbst Deutschlands Aufseher sind uneins über Sinn oder Unsinn eines Trennbankensystems. Sie sei sich "nicht so sicher, dass man die abgetrennte Investmentbank wirklich in die Insolvenz schicken kann", sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger der "Zeit". Bafin-Präsidentin Elke König indes kann der Trennbank-Idee durchaus etwas abgewinnen: "Für mich ist nicht erwiesen, dass die Universalbank per se besser ist als die Trennbank."
Während die Debatte schwelt, schafft mancher Finanzkonzern Fakten: Die Wall-Street-Größe Goldman Sachs besinnt sich auf das klassische Bankgeschäft mit Spareinlagen und Krediten. "Wir sind eine Bank. Das ist keine bloße Theorie", sagte Konzernchef Lloyd Blankfein im Juli. Es gebe allerdings keine Pläne, Filialen zu errichten, Bankautomaten aufzustellen oder "Toaster zu verschenken".
Quelle: ntv.de, Jörn Bender, dpa