Wirtschaft

Piloten-Ausstand legt Lufthansa lahm Ist der Megastreik gerechtfertigt?

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5400 Lufthansa-Piloten wollen weiter mit 55 Jahren in Rente gehen können. Dafür benutzen sie 425.000 Fluggäste als Hebel und legen einen Großteil des deutschen Luftverkehrs lahm. Die Union will deshalb das Streikrecht beschneiden.

Es ist einer der größten Streiks in der Lufthansa-Geschichte: Ab Mittwoch legen 5400 Piloten der größten deutschen Airline die Arbeit nieder. Vorsorglich hat die Lufthansa 3800 Verbindungen gestrichen (hier die Liste der betroffenen Flüge). Bis Freitagnacht werden deshalb in ganz Deutschland Geschäftsreisende ihre Termine verpassen, müssen Messen auf Besucher verzichten, bleibt Post liegen. Die Lufthansa rechnet mit einer zweistelligen Millionenbelastung, auch der volkswirtschaftliche Schaden dürfte in die Millionen gehen. Angesichts der enormen Kosten stellt sich die Frage: Ist der Streik gerechtfertigt?

Auf den ersten Blick dreht sich der Konflikt zwischen der Lufthansa und der Vereinigung Cockpit (VC) wie ein normaler Tarifstreit ums Gehalt. Seit zwei Jahren streiten sich der Vorstand und die Gewerkschaft schon um die Bezahlung. Die Piloten fordern zehn Prozent mehr, die Lufthansa hatte zuletzt eine Erhöhung der Bezüge um 5,2 Prozent bis Ende 2015 angeboten. In dieser Frage scheint eine Annäherung möglich.

Himmlische Frührenten für Piloten

Der eigentliche Knackpunkt des Dauerstreits ist allerdings die Frühverrentung von Piloten. Bisher dürfen Lufthansa-Kapitäne, die Passagiermaschinen fliegen, mit frühestens 55 Jahren in den Vorruhestand gehen. Die Lufthansa zahlt ihnen dafür bis zum gesetzlichen Rentenalter von 63 Jahren 60 Prozent ihres Bruttogehalts. Weil die Kosten für diese Übergangsversorgung aber aus Sicht der Lufthansa aus dem Ruder laufen, will die Airline das frühstmögliche Rentenalter ab 2017 schrittweise auf 60 Jahre anheben. Zudem soll das durchschnittliche Austrittsalter aller Piloten von 58 auf 61 Jahre steigen. Neu eingestellte Piloten sollen für einen Teil der Versorgung selbst zahlen.

Diese Rechte haben Fluggäste bei Streiks

Fluggesellschaften sind dazu verpflichtet, im Falle eines Streiks so schnell wie möglich eine Ersatzbeförderung zu organisieren, entweder mit einem anderen Unternehmen oder per Bahn. Wer sich lieber selbst um eine Alternative zum gestrichenen Flug kümmert, kann die Buchung stornieren und bekommt dann sein Geld zurück.

Die Fluggastrechteverordnung sieht bei großen Verspätungen oder annullierten Flügen pauschale Schadensersatzzahlungen vor. Bei Streiks gilt das aber nicht, hat der Bundesgerichtshof entschieden (Az.: X ZR 138/11). Streiks seien "nicht zu beherrschende Gegebenheiten", auf die Fluggesellschaften keinen Einfluss hätten, fanden die Richter. Anders als bei technischen Defekten oder Überbuchungen gibt es deshalb für die Reisenden kein Geld.

Immerhin haben die Betroffenen grundsätzlich Anspruch auf Betreuungsleistungen, wenn sie stundenlang auf ihr Flugzeug warten müssen. Die Fluggesellschaften müssen dann die Kosten für Telefonate, Getränke, Mahlzeiten und gegebenenfalls eine Übernachtung im Hotel übernehmen.

Dagegen sperrt sich die Gewerkschaft. Für die Piloten sind die Pläne ein "Angriff auf die Versorgungssysteme aller Lufthansa-Mitarbeiter. Piloten, die bereits seit 20, 30 Jahren im Unternehmen sind fühlen sich betrogen." Das Management wolle sich "die Rückstellungen für die Übergangsversorgung einverleiben". Ständige Zeitverschiebungen, Nachtflüge, Extremschichtdienst und Klimaverschiebungen würden die Piloten stark belasten. Auch künftig sollte es ihnen daher möglich sein, "vorzeitig und selbstbestimmt aus dem Berufsleben auszusteigen", findet die Gewerkschaft VC.

Das sei auch im Interesse der Sicherheit der Passagiere. Die Piloten sind entschlossen: 99 Prozent stimmten für den Streik. Rein rechtlich dürfen Flugkapitäne eigentlich bis zum 65. Lebensjahr ins Cockpit steigen. Piloten bei der Lufthansa-Tochter Germanwings und im Frachtgeschäft müssen deshalb schon heute bis 60 ran. Und bei Air Berlin wird bis 65 geflogen.

Den Streit um ihr Rentenprivileg haben die Lufthansa-Piloten selbst heraufbeschworen. Bis 2011 mussten sie laut Tarifvertrag mit spätestens 60 Jahren aus dem Lufthansa-Flugdienst ausscheiden. Einige Kapitäne klagten gegen den Zwangsausstieg. Der Europäische Gerichtshof gab ihnen Recht und kippte die Kulanzregel. Die Lufthansa kündigte daraufhin den Tarifvertrag. Aus Sicht der Airline ist mit dem Urteil die Grundlage für die Sonderregel vollends weggefallen. Die Lufthansa-Piloten wollen sich dagegen zwar nicht mehr zwingen lassen, mit 55 die Kapitänsmütze an den Nagel zu hängen. Die Option möchten sie aber weiterhin haben.

CDU will Streikrecht beschneiden

Die Dimension des Arbeitskampfes halten die Piloten deshalb für gerechtfertigt: Der Streitwert betrage schließlich eine Milliarde Euro, sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg am Montagabend. "Ein Streiktag hätte unserer Ansicht nach nicht gereicht." Schon 2010 wollten die Piloten eigentlich vier Tage streiken, brachen den Ausstand dann aber nach einem Tag ab.

Schon vor dem Beginn des Megastreiks steigt der Druck auf die Gewerkschaft. Lufthansa-Personalchefin Bettina Volkens bezeichnete es als schwer nachvollziehbar, dass VC beim gegenwärtigen Verhandlungsstand zu einem dreitägigen Vollstreik aufrufe. Ein versöhnliches Zeichen hat die Gewerkschaft bereits gesetzt: "Wir werden aus Rücksicht auf die Passagiere die Osterferien aussparen", sagte Handwerg zu den weiteren Streikplänen.

Der geplante Dauer-Ausstand ruft auch die Politik auf den Plan: Unionsfraktionsvize Arnold Vaatz (CDU) zieht sogar eine Änderung des Streikrechts in Betracht. "Der Pilotenstreik bei der Lufthansa wird einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden auslösen. Diesen Fall sollten wir zum Anlass nehmen, über eine Gesetzesänderung nachzudenken", sagte Vaatz der "Rheinischen Post".

Auch in Tarifkonflikten müssten die Verhältnismäßigkeit und die Chancengleichheiten gewahrt werden. "Die Schäden, die ein Arbeitskampf auslöst, müssen im Verhältnis zum Anlass stehen." Es könne nicht sein, dass eine Gewerkschaft, deren Mitglieder an wichtigen Schaltstellen säßen, ihre Position nutze, bei der Tarifentwicklung schneller voranzukommen als andere.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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