Wirtschaft

EZB knackt 200-Milliarden-Marke Italien und Belgien unter Druck

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(Foto: dpa)

Für hoch verschuldete Staaten in Europa wird es immer schwieriger, an frisches Geld zu kommen. Italien und Belgien müssen für neue Anleihen horrende Zinsen zahlen - und das, obwohl die Europäische Zentralbank im Hochbetrieb Staatsanleihen kauft, um die Marktzinsen zu drücken. In den Büchern der Währungshüter schlummern mittlerweile Papiere im Volumen von mehr als 200 Milliarden Euro.

Der Druck der Investoren auf Italien bleibt unerbittlich stark. Bei einer Anleihen-Emission mit einer Laufzeit bis 2023 lag die Rendite bei 7,3 Prozent. Die Schwelle von sieben Prozent gilt als kritisch, weil Griechenland, Irland un Portugal bei diesem Renditeniveau gerettet werden mussten.

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(Foto: AP)

Damit bekommt Italien zwar noch Geld von Investoren, muss diese aber mit sehr hohen Zinsen locken. Das Finanzministerium platzierte eine an die Inflation gekoppelte Anleihen mit Laufzeit bis September 2023 im Volumen von 567 Mio. Euro.  Der nächste Test für das Vertrauen der Investoren in die Sparpläne der neuen Regierung von Mario Monti folgt aber bereits am Dienstag: Dann sollen Staatsanleihen von bis zu acht Mrd. Euro begeben werden.

Italien musste sich zudem gegen Gerüchte stemmen, Hilfszahlungen erbeten zu haben. Sowohl EU-Kommission als auch der Internationale Währungsfonds dementierten die Gerüchte über eine Finanzspritze von bis zu 600 Mrd. Euro für das Euro-Sorgenkind.

Nomura schmeißt Italien-Bonds raus

Schlechte Nachrichten für das hoch verschuldete Euro-Mitgliedsland kamen auch aus Japan: Nomura, die größte Investmentbank des Landes, gab zu Wochenbeginn bekannt, ihren Bestand an italienischen Staatsanleihen und Wertpapieren in weniger als zwei Monaten um 83 Prozent reduziert zu haben. Wegen der Risiken der Schuldenkrise habe man das italienische Portfolio auf umgerechnet 350 Mio. Euro von 2,11 Mrd. Euro verkleinert. Sowohl auslaufende Anleihen als auch Verkäufe hätten zu der Verringerung beigetragen, sagte eine Sprecherin der Bank.

Konjunkturell trübt sich die Lage in Italien immer mehr ein. Die OECD geht davon aus, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr um 0,5 Prozent schrumpft und 2013 um magere 0,5 Prozent zulegt. Die Stimmung der italienischen Unternehmen hellte sich im November zwar überraschend etwas auf. Der saisonbereinigte Index stieg leicht auf 94,4 von revidiert 94,2 Punkten im Oktober, wie das Statistikamt Istat mitteilte. Trotzdem bleibt das Stimmungsbarometer auf dem zweitniedrigsten Stand seit Januar 2010 und drückt eher Skepsis als Zuversicht der Firmen aus. Ihre Auftragslage verschlechterte sich erneut, während sich die Produktionsaussichten etwas verbesserten.

Herabstufung treibt Belgiens Zinsen

Schlechte Nachrichten auch für Belgien: Das kriselnde Euro-Mitglied musste Investoren bei einer Auktion zehnjähriger Staatsanleihen so hohe Zinsen wie seit über zehn Jahren nicht mehr bieten. Die Rendite lag bei 5,659 Prozent - der höchste Wert seit Anfang 2000. Ende Oktober hatte der Zins noch 4,37 Prozent betragen. Unter dem Strich sammelte das Königreich zwei Mrd. Euro am Markt ein.

Belgiens Finanzminister Guy Vanhengel (l.) unter sichtlichem Druck an der Seiten von Premier Yves Leterme.

Belgiens Finanzminister Guy Vanhengel (l.) unter sichtlichem Druck an der Seiten von Premier Yves Leterme.

(Foto: REUTERS)

Ein wichtiger Belastungsfaktor der Anleihenauktion war die jüngste Herabstufung der Kreditwürdigkeit Belgiens. Die Ratingagentur S&P hatte am Freitag vergangener Woche die Note für Belgien von "AA+" auf "AA" gesenkt. Das Land hat eine hohe Staatsschuld. Nach einer Einigung auf das Budget des kommenden Jahres ist noch in dieser Woche mit der Bildung einer Regierung zu rechnen, auf die die Belgier seit eineinhalb Jahren warten.

Die Staatsschuldenkrise macht jedoch bei Italien und Belgien nicht Halt. Auch die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe kletterte, und zwar auf 2,304 Prozent. Bis vor kurzem noch hatte der deutsche Staat in aller Regel von steigenden Zinsen anderer Euro-Ländern profitiert.

Immer weniger klar erscheint, wie die Politik die Krise in den Griff bekommen will. So fällt die geplante höhere Schlagkraft des Rettungsschirms EFSF voraussichtlich geringer aus als erhofft.

EZB auf Einkaufstour

Zu keiner nachhaltigen Senkung der Anleihenrenditen führten auch die anhaltend hohen Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank. In der vergangenen Woche kauften die Währungshüter im Rahmen ihres umstrittenen Programms für Anleihekäufe Papiere für 8,6 Mrd. Euro. Seitdem sie im Mai 2010 damit begonnen hat, Papiere von Krisenstaaten zu kaufen, erstand die EZB mittlerweile Schuldtitel im Volumen von 203,5 Mrd. Euro.

EZB-Präsident Maro Draghi lässt sich nicht ins Depot schauen.

EZB-Präsident Maro Draghi lässt sich nicht ins Depot schauen.

(Foto: REUTERS)

Aus welchen Euro-Ländern die EZB Schulden aufkauft, gibt sie grundsätzlich nicht bekannt. Mit der umstrittenen "Nicht-Standardmaßnahme" leihen die Währungshüter Staaten auf Umwegen Geld. Für die Papiere im Besitz der EZB haften alle Euro-Länder. Mit den Käufen drückt die EZB durch die größere Nachfrage nach den Anleihen die Renditen. Das sollte sich auch auf die tatsächlichen Zinsen bei der Aufnahme neuer Schulden auswirken, da diese eng zusammenhängen.

Bislang kauft die EZB ausschließlich Anleihen am so genannten Sekundärmarkt. Damit kauft sie nur Papiere aus den Beständen von Investoren wie Banken oder Versicherungen. Der Erwerb im Rahmen von Auktionen neuer Staatsanleihen wie der von Italien oder Belgien sind dagegen tabu für die Währungshüter. Dies wäre ein Kauf am Primärmarkt, weil die EZB die Papiere direkt vom Emittenten, also den Staaten, übernehmen würde. Weil die EZB damit die Staaten unmittelbar mit Zentralbankgeld finanzieren würde, verstieße das gegen die EU-Verträge.

Quelle: ntv.de, nne/AFP/dpa/rts

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