Entschädigung für Icesave-Verluste Klares "Nein" aus Island
07.03.2010, 08:00 UhrÜber 93 Prozent der Isländer lehnen in einem Referendum die milliardenschwere Rückzahlung von britischen und niederländischen Sparguthaben ab. Das Nein der Bevölkerung wird die Zahlung internationaler Hilfsgelder verzögern und damit die Wirtschaft des Inselstaates schwächen. Zudem gefährdet es die EU-Beitrittsbestrebungen des Landes.
Die Isländer haben in einem Referendum die Entschädigungszahlungen an Großbritannien und die Niederlande wegen der Pleite der Internet-Bank Icesave mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Wie das öffentlich-rechtliche Fernsehen des Landes in der Nacht nach Auszählung der Hälfte der Stimmzettel berichtete, votierten 93,6 Prozent der Wähler gegen das Ende 2009 vom Parlament angenommene Entschädigungsgesetz. Nur 1,6 Prozent stimmten dafür. Die isländische Regierung erklärte, dass sie den Sieg des "Nein"-Lagers anerkenne.
"Nein" gefährdet Kredite und EU-Beitritt
Insgesamt waren 230.000 Wähler zur Stimmabgabe aufgerufen. Präsident Olafur Grimsson hatte wegen der breiten Kritik an dem Vorhaben sein Veto gegen das vom Parlament mit knapper Mehrheit verabschiedete Gesetz eingelegt und damit das Referendum erzwungen. Das Nein der Bevölkerung wird wohl die Zahlung internationaler Hilfsgelder verzögern und damit die Wirtschaft des Inselstaates schwächen. Zudem gefährdet es die EU-Beitrittsbestrebungen des Landes.
Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir, die sich in weiteren Verhandlungen um eine günstigere Lösung für ihr Land bemüht, hatte ihren Rücktritt für den Fall der allseits erwarteten Ablehnung ausgeschlossen. Das Gesetz sieht eine stufenweise Rückzahlung von 3,8 Mrd Euro bis zum Jahr 2024 an die Regierungen in London und Den Haag vor sowie die Zahlung von 5,5 Prozent Zinsen. Unter den Bürgern hatten vor allem die hohen Zinsbelastungen große Empörung ausgelöst.
London und Den Haag zeigen Einsicht
London und Den Haag hatten mit dem Betrag mehr als 300.000 Bürgern den Verlust ihrer Spareinlagen bei der Pleite gegangenen Icesave-Bank ersetzt. Die Summe - etwa 100 Euro monatlich für jeden Isländer über einen Zeitraum von acht Jahren - entspricht etwa zwei Drittel der jährlichen Wirtschaftsleistung Islands.
Großbritannien und die Niederlande haben mittlerweile allerdings günstigere Bedingungen für die Rückzahlungen angeboten. Wegen dieser verbesserten Rückzahlungsbedingungen gilt das Referendum auch als umstritten. Die endgültige Einigung mit den beiden Ländern gilt als Voraussetzung für die Freigabe dringend benötigter Kredite durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und nordische Partnerstaaten.
Schwache Beteiligung am Referendum
Ministerpräsidentin Sigurdardóttir sagte, sie sei vom Nein der Bürger zur ursprünglichen Vereinbarung nicht überrascht. Sie hatte vor dem Referendum erklärt, dass sie die Volksabstimmung wegen der veränderten Verhandlungslage mit Briten und Niederländern für sinnlos halte. Sie wollte deshalb selbst ihre Stimme nicht abgeben.
Die Beteiligung am ersten Referendum in Island überhaupt lag deutlich unter der bei Wahlen üblichen. 5,2 Prozent der abgegebenen Stimmen waren ungültig.
Von Zinsen verlockt
Niederländische und britische Sparer hatten vor Beginn der Krise auf aggressive Zinsangebote der isländischen Online-Bank Icesave gesetzt. Sie verloren jedoch ihre Einlagen, nachdem die Institute des Inselstaates im Zuge der internationalen Finanzkrise zusammengebrochen waren.
Die Entschädigung der 34.000 deutschen Anleger der isländischen Kaupthing Bank ist bereits im Sommer angelaufen und von dem Veto des Präsidenten nicht betroffen. Island ist unter anderem durch den Zusammenbruch seiner drei größten Banken 2008 besonders hart von der Finanzkrise betroffen.
Quelle: ntv.de, AFP/rts/dpa