Spekulationen über Griechenland-Pleite Koalitionäre schimpfen mit Rösler
12.09.2011, 22:45 Uhr
"Skandal um Rösi"
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Mit seinen Spekulationen um eine mögliche Staatspleite Griechenlands sorgt Wirtschaftsminister Rösler für Wirbel an den Märkten - und in der Koalition. Während in der FDP und auch bei der CSU munter über Bedingungen für eine Pleite Athens und einen Austritt aus dem Euro schwadroniert wird, häufen sich aus der CDU die Beschwerden über den Tabubruch des Vizekanzlers.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat sich mit seinen Äußerungen über eine mögliche Staatspleite Griechenlands deutliche Kritik vom Koalitionspartner CDU eingehandelt. Bei der CSU erntet der Vorstoß hingegen Zustimmung.
Die Kanzlerin ließ über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert erklären, dass die Regierung nicht mit einem Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone rechnet. "Wir wollen die gesamte Euro-Zone mit allen Mitgliedsstaaten stabilisieren", sagte Seibert. Die europäischen Verträge sähen überdies weder einen freiwilligen Austritt noch den Ausschluss eines Landes aus der Währungsunion vor. "Die Rechtslage steht einem solchen Schritt schon einmal entgegen", sagte Seibert.
"Nicht pleite reden"
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hat die Debatte über eine mögliche Insolvenz Griechenlands kritisiert und sich damit klar gegen Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler gestellt: "Wir müssen die Griechen fordern, dürfen sie aber nicht pleite reden. Damit wird niemandem geholfen", sagte Gröhe.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe.
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Zuvor hatte bereits der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, Rösler kritisiert. Er sei sehr besorgt über Äußerungen "politisch direkt Verantwortlicher", hatte Altmaier gesagt.
Generalsekretär Gröhe betonte zugleich, dass Griechenland selbst über die weitere Entwicklung bestimme. "Die Griechen stehen in der Pflicht, ihre Hausaufgaben zu machen. Nur wenn sie die nötige Disziplin zeigen, macht die Hilfe der Gemeinschaft Sinn und kann wirken", sagte der CDU-Politiker.
Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder lehnt eine Debatte über einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone ab. Bislang sei nur ein freiwilliger Austritt möglich, diesen wolle die Regierung in Athen jedoch in jedem Fall vermeiden, sagte Kauder. "Deswegen sollten wir die Dinge diskutieren, die jetzt in der nächsten Zeit realistisch sind", mahnte der CDU-Politiker.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vermied Kritik an Rösler. Die Frage sei, ob es klug sei, in jeder Situation Antworten auf "was wäre wenn"-Fragen zu geben, sagte der CDU-Politiker, ohne konkreter zu werden. Mit Blick auf die Finanzmärkte sagte er allgemein: "Es macht keinen Sinn, die Nervosität durch Gerede zu verstärken." Sicher stelle sich das Bundesfinanzministerium auch auf eine mögliche Insolvenz Griechenlands ein, obwohl dieser Fall für sehr unwahrscheinlich gehalten würde. "Das wäre ja eine schlechte Regierung, wenn sie sich nicht auch auf Dinge, die man sich gar nicht vorstellen kann, nicht versucht vorzubereiten so gut es geht." Forderungen, das hoch verschuldete Griechenland aus der Euro-Zone zu werfen, wies Schäuble zurück. Es gebe auch nach den Verträgen keine Möglichkeit, dies zu tun.
SPD fordert Klarheit
Die SPD-Führung hat von Bundeskanzlerin Angela Merkel eine sofortige Klarstellung in der Diskussion über einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone verlangt. Merkel müsse noch im Laufe des Tages erklären, wohin ihre Regierung beim Euro steuern wolle, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Die Äußerungen von Vizekanzler Philipp Rösler, der eine "geordnete Insolvenz" Griechenlands ins Gespräch gebracht hatte, seien nicht tragbar. "Unverantwortliches Getöse" seien auch die Forderungen aus der CSU nach einem Ausstieg von Staaten aus der Euro-Zone.
Mit solchen Positionen werde der Konsens aufgekündigt, den die Opposition mit der Regierung beim erweiterten Euro-Rettungsschirm eingegangen sei, fügte Nahles mit Blick auf die Abstimmung im Bundestag Ende des Monats hinzu. Wenn Merkel glaube, eine Zustimmung der SPD zur Euro-Stabilisierung sei gleichbedeutend mit einer Zustimmung zu der ganzen Regierungspolitik, dann "täuscht sie sich".
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat vor den Folgen eines Ausschlusses Griechenlands aus der Eurozone gewarnt. Derzeit traue sich zwar niemand, irgendetwas auszuschließen, sagte Gabriel in der ARD. Er machte zugleich aber deutlich, dass die Probleme in Europa nicht gelöst seien, wenn Griechenland den Währungsraum verlasse. "Dann testen die Finanzmärkte, wie das ist mit Irland, mit Portugal, mit Spanien und irgendwann mit Italien", sagte der Politiker. "Und da sind wir ganz schnell mit dem Euro an der deutsch-französischen Grenze."
Klaus Ernst, Parteichef der Linken, warf bei n-tv.de der Regierung ein abgekartetes Spiel vor. "Jede aus der Bundesregierung lancierte Spekulation über eine Pleite Griechenlands oder einen Ausschluss aus dem Euro bringt das Land einen Schritt näher an den Abgrund", sagte Ernst. Das nähre einen schlimmen Verdacht. Weil die eigene Mehrheit für den Eurorettungsschirm bröckele, solle noch vor der Schlussabstimmung im Bundestag eine schnelle Pleite Griechenlands herbei geredet werden.
Seehofers "ultima ratio"
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hält dagegen als letzte Möglichkeit auch einen Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone für denkbar. Seehofer betonte zwar, primär gehe es jetzt um "solidarische Hilfen gebunden an starke Sanierungsmaßnahmen". Er sagte aber auch: "Als Ultima Ratio muss man immer die Überlegung anstellen: Was ist, wenn dies nicht zu schaffen ist?"
Auf die Frage, ob ein Ausschluss überhaupt rechtlich möglich sei, sagte der CSU-Chef: "Wir diskutieren jetzt politisch und nicht juristisch." Seehofer betonte, die CSU sei eine Partei Europas, aber auch eine Partei der Geldwertstabilität. Dies schließe aus, dass Deutschland dauerhaft Schulden anderer Staaten übernehme.
CSU-Europagruppenchef Markus Ferber sagte: "Wenn man Mitglied in einem Verein wird, hat man die Vereinsregeln zu beachten. Wenn man sie wissentlich und mit Absicht über viele Jahre hinweg nicht einhält, dann sollte man sich überlegen, ob man im richtigen Verein ist." Er betonte, wenn Griechenland nicht in der Lage sei, seine Verpflichtungen zu erfüllen, könne es keine weitere Hilfen geben.
Der CSU-Europaparlamentarier Manfred Weber betonte: "Die CSU will, dass der Schlendrian beendet wird. Das bedeutet, dass Griechenland liefern muss. Wenn die Griechen nicht liefern, muss es im allerletzten Fall auch zum Ausschluss kommen." Weber warnte allerdings erneut auch vor Folgewirkungen, etwa vor "enormen Verwerfungen" auf den Märkten und vor einem "Dominoeffekt".
FDP: Flankenschutz für Athen
FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat Kritik an den Äußerungen von Vizekanzler Philipp Rösler zu einer möglichen Staatspleite Griechenlands zurückgewiesen. Es sei die Aufgabe des Bundeswirtschaftsministers, dass er über Szenarien nachdenke, die eintreten könnten, sagte Lindner. Es sei zudem seine Pflicht, deutsche Interessen im Blick zu behalten.
Die Führungsspitze der FDP habe in der Sitzung Röslers Gastbeitrag einmütig begrüßt. In der derzeitigen Situation des Landes dürfe es keine Denkverbote geben. "Nötigenfalls muss auch über eine Insolvenz Griechenlands gesprochen werden, wenn es die nötigen Instrumente dafür gibt und Griechenland nicht in der Lage oder willens ist, die Voraussetzungen zu erfüllen."
Lindner betonte, es dürfe in dieser Situation nicht der Eindruck bei Griechenland erweckt werden, es gebe sowieso "ein Raushauen". Dadurch würden die Reformkräfte nicht unterstützt. "Insofern sind die Vorschläge von Philipp Rösler eher eine Unterstützung, sind eher Flankenschutz für den Titanenkampf in Athen, als dass sie eine Belastung wären." Es sei ein Zeichen großer Verantwortungsbereitschaft, wenn die Regierung eine "Ultima Ratio"-Lösung in den Blick nehme.
Der FDP-Generalsekretär fügte hinzu, niemand wünsche sich eine Insolvenz Griechenlands. Es sei aber noch nicht abzusehen, dass Griechenland seine Ziele wirklich erreichen könne.
Quelle: ntv.de, nne/dpa/rts